Stina Bebenroth

Freie Journalistin, Beraterin Interne Kommunikation, Kassel

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Berlins Rekommunalisierungspläne liegen ganz im europäischen Trend

Berlin ist nicht alleine mit seinen Überlegungen, die Energieversorgung zu rekommunalisieren. "Seit 2007 haben sich mehr als 60 Stadtwerke neu gegründet", so Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer vom Verband kommunaler Unternehmen. Oft sei ein solcher Schritt von Unzufriedenheit mit dem privaten Versorgungsunternehmen geprägt. So war es in Hamburg, wo 2009 "Hamburg Energie" - zu 100 Prozent in städtischer Hand - aus zwei Gründen ins Leben gerufen wurde. Zum einen gab es kontinuierliche Probleme mit dem privaten Energieversorger Vattenfall. Dieser hatte 2002 die letzten Anteile der staatlichen Hamburger Elektrizitätswerke HEW gekauft und seitdem etwa durch drastische Preiserhöhungen Unmut entfacht. Zum anderen will die Stadt über den "Masterplan Klimaschutz" die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Dafür soll die gesamte Energieversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Zur Bundestagswahl im September wird unter dem Motto "Unser Hamburg - unser Netz" über die vollständige Rekommunalisierung der Energieversorgung abgestimmt. Derzeit betreiben Vattenfall und E.on das Strom- bzw. Gasnetz, die Stadt ist mit jeweils 25,1 Prozent beteiligt.

Nicht mehr nötig ist dies im Münsterland. Dort fanden sich 2011 acht Gemeinden des Kreises Coesfeld, die Stadtwerke Coesfeld und die Stadtwerke Münster zu den gemeinsamen Stadtwerken Münsterland zusammen und übernahmen die gesamte Energieversorgung. Auch in Landsberg am Lech und in der Region um den Bodensee ist die Energieversorgung mittlerweile wieder in kommunaler Hand. Aber auch in anderen Dienstleistungsbereichen ist eine Tendenz hin zur Verwaltung auf kommunaler Ebene erkennbar. In Kassel, Bochum und Dortmund ist die Wasserversorgung nun wieder vollständig städtische Aufgabe, und in Kiel ging 2009 der komplette öffentliche Nahverkehr zurück and die Kommune. Hartmut Bauer, Dekan der Juristischen Fakultät an der Universität Potsdam, spricht daher von einem "bundesweiten Rekommunalisierungstrend", zumal viele Konzessions- und Kooperationsverträge mit privaten Versorgern in den kommenden Jahren auslaufen. Die Kommunen können dann entscheiden, ob sie die Option der Rekommunalisierung wahrnehmen wollen.

Das gilt auch für andere europäische Länder. In Litauen befindet sich seit 2011 die gesamte Energieversorgung in staatlicher Hand. Nur zehn Jahre zuvor waren praktisch alle Sektoren an private Versorger ausgelagert worden. Auch der nationale finnische Energieversoger Finngrid gehört mittlerweile mehrheitlich dem Staat. Der kaufte vor einigen Jahren 53 Prozent der Anteile. In Frankreich gibt es seit einigen Jahren einschneidende Veränderungen in der Wasserversorgung: In Grenoble wurde diese bereits 2000 wieder zu einer kommunalen Dienstleistung. Der private Versorger hatte über Jahre mit Korruption und Preiserhöhungen für Groll innerhalb der Bevölkerung gesorgt. Auch Städte wie Paris und Bordeaux sind diesem Beispiel gefolgt.

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