gallerytalk.net: Du bist Deutscher, aber in Paris aufgewachsen - wie kamst du zum Sprayen und wie hat das Leben dort deine Kunst geprägt? Darco: Ich habe schon immer gezeichnet, auch als Kind. Alles was "Bild" ist, ist meine Ausdrucksform. Zeichnen und Malen ist einfach mein Ding. Das mache ich viel lieber als zum Beispiel Reden. Zum Sprayen bin ich Anfang der 80er Jahre gekommen, als die Hip Hope Welle begann und ich damals anfing zu tanzen. Zu der Zeit malte ich viele Comics, aber auch eben Graffitis und Street Art, wie Schablonen und habe Parolen oder Figuren an die Wände gesprüht. Ich habe dann immer wieder Buchstaben und meinen Namen gemalt und das Graffiti Writing verstärkt. Die ersten Pieces entstanden an Kellerwänden oder bei Freunden - dort konnte ich viel üben. Schließlich habe ich auch in der Straße gesprüht und seitdem nicht mehr aufgehört. Es ging immer weiter, ich habe immer mehr gemalt und jahrelang nur nachts, weil es einfach nicht anders ging. Es gab zu dieser Zeit wenig Leute die Interesse daran hatten, dass ich ihre Wände anmale und man braucht außerdem dafür auch sehr viel Platz. Die einzige Möglichkeit, die dann übrig blieb, war auf die Straße zu gehen und dort zu sprayen. Es ging mir um die Ästhetik und nicht um die Menge oder darum, dass die Menschen lesen können, was ich spraye. Deshalb male ich auch relativ komplizierte Buchstaben und entarte diese Formen gerne. Ich nehme auch gerne irgendwelche Buchstaben, oder andere Sprachen wie Arabisch, Hebräisch oder Chinesisch. Die Hauptsache ist der Bezug zur Sprache und zum Alphabet. Als Deutscher in Frankreich bin ich ein Immigrant und werde auch als solcher behandelt. Frankreich ist eine andere Kultur, es ist ein richtiger Kontrast zu Deutschland. Die Franzosen haben eine ganz andere Mentalität. Diese Bi-Kultur hat mich und meine Kunst beeinflusst, aber inwiefern kann ich nicht genau beantworten. Aber man ist nie wirklich zu Hause, weder in Frankreich noch in Deutschland.
gallerytalk.net: 1985 hast du die Sprayergruppe "FBI-Crew" gegründet. Was ist damals genau passiert? Darco: Damals waren viele von uns am Tanzen aber nur vier haben sich aus dieser Gruppe fürs Malen interessiert. Wir hatten die gleichen Interessen und eine gemeinsame Leidenschaft fürs Graffiti- Writing. Das war der Deutsche "Gawki" und zwei Franzosen "Skale" und "Croy", mit denen haben wir immer gemalt. Jeder hatte seine Aufgabe. Wir wollten einen prägnanten Namen, einen Titel und haben ihn mit der „FBI - Crew" auch gefunden. Wir waren also zuerst zu viert und haben dann weitere Jungs aus Deutschland kennengelernt, weil wir anfingen mit der Crew zu reisen, nach England, Deutschland oder auch in die Staaten, Afrika und Australien. So lernten wir viele kreative Menschen kennen. Mit den Deutschen haben wir uns sehr gut verstanden, wie "Scum", "Loomit" oder "DAIM" aus Hamburg. Dann wurde die Gruppe größer, aber nicht so groß wie bei anderen Writer-Crews, wo sich am Ende die Leute untereinander kaum noch kennen. Wir kannten uns alle und mussten es auch, um die großen Sachen gemeinsam durchführen zu können.
gallerytalk.net: Deine Spezialität ist Style-Writing. Was ist das genau? Darco: Beim Graffiti-Writing geht es eigentlich darum seinen eigenen Namen zu malen. Den kann man jetzt schreiben, signieren - bei "Tags" zum Beispiel oder auch malen. Das wären dann "Pieces". Das sind Buchstaben die man groß mit Umrandung, mit teilweise buntem Background, also Hintergründen sprayt. Diese können einfach sein, aber auch sehr kompliziert sein. Style ist ein kompliziertes Wort, denn es bedeutet: Stil, also die Handschrift die man haben kann. Aber in dem Bereich aus dem ich komme, bedeutet Style-Writing, das die Kunst in Form eines Namens oder Buchstabens ausgedrückt wird. Das ist beim Writing das Hauptelement. Es gibt natürlich auch Dekorationselemente wie Hintergründe, Figuren, die grafisch sein können, figurativ oder einen Symbolcharakter haben. Manche Menschen haben sich in den Dekorationselementen spezialisiert und werden in Gruppen z.b für die Charakters eingesetzt, andere haben sich wiederum auf die Schriften spezialisiert. Ich male ich fast ausschließlich, exklusiv nur Buchstaben. Jedoch bei großen Kompositionen auch Hintergründe und Figuren, aber in erster Linie geht es mir immer um den Schriftzug.
Darco: Diese Verhandlung war sehr spannend. Jeder hatte sich eingemischt: die Politik, bis hin zu Kulturministern. Es war wie gesagt das erste Mal das jemand wegen Graffitis verurteilt wurde. Deswegen musste das Gericht auch ein Exempel statuieren. Zunächst wurde ich zu Gefängnis und Geldstrafe verurteilt, aber im Endeffekt lief es dann darauf hinaus, dass ich Sozialstunden machen musste. Die Bahn fragte aber dann beim Gericht an, ob ich nicht die Sozialstunden bei ihnen machen könne. Das hieß dann für mich, dass ich erstmal Züge schrubben musste, rein symbolisch natürlich! Und dann kamen die Verantwortlichen auf die Idee, dass ich eine Bahnstation legal bemalen sollte. Diese war in einem sozial schwierigen Viertel gelegen, sehr abgelegen, mit vielen Problemen und Vandalismus. Und während des Malens war es sehr kompliziert, mit den Bahnern und der Polizei, wie man sich vorstellen kann zu dieser Zeit. In Paris gab es viele Banden und die daraus resultierenden Problem Ende der 80er - Anfang der 90er Jahre. Als ich dann aber diese Aufgabe künstlerisch abgeschlossen hatte, kam die Resonanz der anderen Stationen und der Bahn. Und das war eine sehr positive! Die Bahndirektion stellte daraufhin die Anfrage, ob sie auch Wandbilder haben könnten. Und weil ich ja damals der Stadt viel Geld schuldig war, konnte ich meine Strafe so abarbeiten. Jahre später, hat die französische Bahn mir dann den Gare du Nord in Auftrag gestellt, dort zwei Wandbilder zu malen. Diese sollten über 900qm groß sein. gallerytalk.net: Du wurdest als erster Sprayer Frankreichs wegen Sachbeschädigung verurteilt - die Strafe war eine Auftragsarbeit der Bahngesellschaft am Gare du Nord in Paris. Ist das nicht ein bisschen paradox und gleichermaßen ganz fantastisch? Meine Werke hielten an diesen Wänden über 8 Jahre, ohne das die Bahn irgendwas daran gemacht hat oder jemand anderes meine Kunst übersprüht hat. Dazu muss ich sagen, dass zuvor die Wände jeden Tag neu bemalt wurden, mit Tags, Schriften und Co., die regelmäßig überstrichen werden musste. Die Bahn sparte sich also durch mich acht Jahre Geld. Rein Rechnerisch gesehen ist es also viel interessanter Künstler einzustellen, sie zu bezahlen und diese zu halten. Anstatt ganz repressiv eine "Anti-Graffiti-Malerei" zu machen. Und die Anti-Graffiti-Lacke die man hierfür verwenden würde sind erstens sehr schädlich, weil es krasse Chemie ist und ausserdem sind sie sehr sehr teuer. Das bedeutet das Graffiti Kunst viel billiger ist. Was für mich wichtig ist, ist der Beweis, dass es nicht schädlich ist etwas anzumalen, denn sich dort künstlerisch zu verewigen zerstört nichts. Wenn ein Zug angemalt wird, kommt er danach trotzdem an. Wenn ein Transformator angemalt wird, produziert er dennoch weiterhin Strom. Das eigentliche Problem ist also nur, dass sich die meist jungen Leute stundenlang in einem verbotenen Gelände aufhalten können, um dort irgendwas zu machen. Aber in diesem Falle ist es nur Malerei. Und Malerei ist etwas positives.
gallerytalk.net: Du hast für die WM 1998 ein Wandbild geschaffen, bist Künstlerischer Berater des Regisseurs Jean Jaques Beineix und deine Arbeiten werden in Museen ausgestellt. Wie erklärst du dir deinen Erfolg und deine Einzigartigkeit? Ich male, spraye und zeichne nun schon seit 30 Jahren. Ich habe immer stur weitergemacht und immer solide. Man wird bei so etwas nicht unterstützt. Das was ich mache ist mein Ding. Es gibt einfach nicht so viele Leute, die das seit 30 Jahren kontinuierlich machen. Natürlich gibt es Künstler, die damals ebenfalls gemalt haben und möglicherweise wieder dabei sind, aber wenige die das konstant ohne aufzuhören durchgezogen haben. Solange es geht, mache ich es. Das ist ein Künstlerleben. Ich habe sehr viel über die Jahre erschaffen und hoffe es geht weiter so für mich.
gallerytalk.net: Wer wärest du heute, wenn du niemals angefangen hättest zu sprayen? Ich habe keine Ahnung! Vermutlich hätte ich so einen komischen Beruf wie Kaufmann oder Rechtsanwalt! Oder ich wäre obdachlos oder noch schlimmer! Graffiti-Writing ist meine Leidenschaft und daher ist es für mich nicht wirklich vorstellbar: Was wäre wenn...?
gallerytalk.net: Was erwartet uns in deiner aktuellen Ausstellung? Ich spiele mit Buchstaben, Piktogrammen und Alphabeten. Außerdem mit Formen und der Dynamik die dabei entsteht. Euch erwartet Kalligrafie, Typografie, beides ist entstellt und nicht figurativ.