1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Coming-out: Was geht Kollegen meine Sexualität an?

Julian wird mit Klischees konfrontiert, weil er schwul ist. Günter bekam einen Drohbrief von Kollegen, Luise dagegen Zuspruch. Drei Erfahrungsberichte zum Outing im Büro.

Noch immer fällt es vielen lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen schwer, sich am Arbeitsplatz zu outen. Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes redet nur knapp ein Drittel der lesbischen und schwulen Beschäftigten mit ihren Kolleginnen und Kollegen über die eigene sexuelle Identität. Hier erzählen zwei Arbeitnehmer und eine Arbeitnehmerin, warum sie sich für oder gegen ein Outing entschieden haben und wie ihre Kollegen und Vorgesetzen reagiert haben.


Luise Merker*, 36 Jahre

Natürlich habe ich mich an meinem ersten Arbeitstag nicht mit den Worten vorgestellt: "Hallo, ich bin die neue Psychologin, und ich bin übrigens lesbisch", ein Outing am Arbeitsplatz war mir aber trotzdem wichtig. Seit fünf Jahren arbeite ich nun in einer Einrichtung, die Menschen mit geistiger Behinderung betreut. Mein Team und auch die meisten meiner Patienten wissen, dass ich mit einer Frau zusammen bin. In privaten Gesprächen mit meinen Kollegen und Kolleginnen habe ich von Anfang an darauf geachtet, von ihr zu erzählen. Beispielsweise indem ich berichtete, was wir am Wochenende unternommen haben oder dass sie sich eine neue Campingmatte gekauft hat. Ich habe Sachinhalte und Coming-out miteinander verbunden.

Kurz nach dem ich in der Einrichtung angefangen hatte, wurde ich schwanger. Für mich war das der perfekte Türöffner, um Kollegen und Kolleginnen, die nicht so eng mit mir zusammenarbeiten und noch nicht wussten, dass ich lesbisch bin, von meiner Frau zu erzählen. Wenn man schwanger ist, gehen berufliche Gespräche nahezu automatisch ins Private über. Außerdem war es mir wichtig, Gerüchten zuvorzukommen. Wenn man als lesbische Frau ein Kind bekommt, stellt sich natürlich die Frage: Wer ist der Vater? In den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen beantwortete ich daher viele Fragen, noch bevor sie mir gestellt wurden - zum Beispiel, dass ich durch eine künstliche Befruchtung und mithilfe der Samenspende eines guten Freundes schwanger geworden bin. Ich ging das Thema proaktiv an und signalisierte meinem Gesprächspartnern damit, dass es okay ist, mir Fragen zu stellen. Die Reaktionen waren dann auch sehr positiv. Ein Kollege erzählte mir beispielsweise, dass er in einer Patchwork-Familie lebe und es schön sei, auch mal von anderen alternativen Familienmodellen zu hören. (...)


Zum Original