Steffen Weisbrod

Dipl. Wirtsch.-Ing., Badalona

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Artikel

Bier und Brauhaus Gasthausbrauereien

Das Brauen, Verkaufen und Konsumieren von Bier war bis vor 150 Jahren eine regionale oder sogar lokale Angelegenheit. Erst mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der Kältemaschine wurde Bier zu einem industriellen Produkt. Dennoch konnten sich viele private Braugasthöfe gegen den Branchentrend zu Konzentration und Internationalisierung behaupten und mit dem Aufkommen von Gasthausbrauereien kam es zu einem Boom beim Bau von Kleinbrauereien. B&B spricht mit Praktikern aus Anlagenbau und Braugastronomie und zeigt Trends und Entwicklungen.

1982 gilt als Geburtsstunde der modernen Gasthausbrauerei. Der Ingenieur Rudolf Caspary, Nachkomme einer Brauereidynastie aus Trier, entwickelte als Erster ein Konzept, bei dem die Sudhausgefäße auf einen Rahmen montiert, durch einen Ventilknoten verbunden und fest verrohrt sind. Für die Realisierung von Sudanlagen dieser Bauart gründete er die Arbeitsgemeinschaft „Caspary Schulz Ziemann“. Sein Ingenieurbüro besorgte die Projektierung, Schulz den Anlagenbau und Ziemann den Auslandsvertrieb. Die Zusammenarbeit endete 1998.

Das 1983/84 realisierte Projekt „Schadt´s Brauerei Gasthaus“ in Braunschweig war der erste Brauereineubau in der Bundesrepublik, bei der die Installation des Sudhauses direkt im Gastraum genehmigt wurde. Florian Steinmüller, Projektleiter bei der Firma Caspary in Chieming, kann kuriose Anekdoten zum Besten geben, wie schwer das Ringen mit den Behörden während des Genehmigungsprozesses war. So musste z.B. durch bauliche Vorkehrungen sichergestellt werden, dass Gäste in der Maischepfanne nicht ertrinken können. Durch Findigkeit und gute Beziehungen konnten Schadt und Caspary einen Präzedenzfall schaffen und den Gasthausbrauereien in Deutschland zum Durchbruch verhelfen. 1985 folgte mit dem „Vogelbräu“ in Karlsruhe ein ähnliches Gasthausbrauerei-Projekt. „Statt Bier zu den Gästen haben wir die Gäste zum Bier gebracht“, fasst Steinmüller die Unterschiede zur klassischen Gastronomie zusammen.
Bei Caspary sieht man bei den Anlagen für Kleinbrauereien einen Trend zu hoher Flexibilität: „Die Brauer wollen viele verschiedene Bierstile mit ein und derselben Anlage brauen können“ sagt Steinmüller. Ausserdem bleibe der Hopfen ein Thema mit Neuzüchtungen und anlagetechnischen Optionen, um an beliebigen Punkten des Produktionsprozesses Hopfen geben und dadurch die Aromen gezielt variieren zu können. Für den Kaltbereich nennt Steinmüller als Beispiel den „HopDrop“, der die Gabe von Hopfen oder auch anderen Aromazutaten in jedem Gär- und Lagerstadium ermöglicht, ohne Druck zu verlieren. Den sogenannten „Hopfentorpedos“ steht er kritisch gegenüber. Bei diesem aus den USA stammende Verfahren wird der Hopfen in einen Metallzylinder mit Siebeinsatz gefüllt, durch den das reifende Bier konstant gepumpt wird. Das extreme Umpumpen fördere die Oxidation des Bieres und zerhäcksele die für den Schaum wichtigen langkettigen Proteine. Ausserdem bringe die intensive Auslaugung unedle Geschmackskomponenten ins Bier. Im Gegensatz zum industriellen Massstab sollte bei den qualitätsorientierten Kleinbrauereien diese Art von Kostenoptimierung keine Rolle spielen. Man könne da einfach etwas mehr Hopfen verwenden. Einen weiteren Trend für experimentierfreudige Brauer sieht er bei der Gärführung mit unterschiedlichen Hefen und anderen Mikroorganismen. Ob aromatisch, trocken, sauer, mehrfachvergoren, alkoholreduziert, usw. - mit präziser Gärtemperatursteuerungen und hochwertigen, gut CIP-baren Tanks stehe hier ein weites Feld an Möglichkeiten offen.
Das Familienunternehmen Caspary beschäftigt 50 Mitarbeitern und verzeichnet derzeit die größte Nachfrage bei 10 und 20 hl Sudhäuser mit jährlichen Ausschlagmengen zwischen 1000 und 5000 hl. Diese Größe lasse sich noch ohne größeren Personalaufwand betreiben und mache im Kontext von Gasthaus- und Craftbeer-Brauereien am meisten Sinn.

Diesen Einschätzungen stimmt Wolfgang Brehm, Bereichsleiter Gasthausbrauereien bei Kaspar Schulz in Bamberg, weitgehend zu. Auch dort sieht man eine steigende Nachfrage bei Hilfsmitteln zur flexiblen Hopfendosage, insbesondere bei der Kalthopfung und bietet ein eigenes System unter dem Namen „Rocket-S“ an. Das Familienunternehmen Schulz wurde 1677 gegründet und ist damit der älteste Brauereimaschinenhersteller der Welt. Die Hauptabsatzmärkte sind Deutschland und Europa und je nach Gastronomiegröße und Vertriebsgebiet werden Gasthausbrauereianlagen hauptsächlich mit 2.5, 10, 15 und 20 hl Ausschlagmenge nachgefragt. „Wir sind der einzige Hersteller von Gasthausbrauereien in Deutschland, der die komplette Anlagentechnik inklusive Tankbau in der eigenen Fertigung herstellt“, sagt Brehm. Schulz beschäftigt in Bamberg 165 Mitarbeiter.

Seit 1985 hat die Firma Schulz ca. 400 Kleinbrauereien weltweit ausgeliefert. Allein im letzten Jahr gingen 27 Anlage für Gasthausbrauereien neu in Betrieb, davon 7 in Deutschland. Bei der Technik sieht Brehm einen Trend zu hochwertigen, langlebigen und vorwiegend vollautomatisierten Anlagen. Besonderer Wert werde auf Energie- und Personalkosteneinsparung gelegt, fügt er hinzu. Vor allem im Ausland, wo häufig Spezialmalze teuer importiert werden müssen, zeige sich auch ein Trend zu „Craftmalting“. In Deutschland werde sich dieser Trend aber wohl nicht durchsetzen, weil jede Art von Malz kostengünstiger bei gewerblichen Mälzereien gekauft werden könne.

Noch vor dem Aufkommen der ersten Gasthausbrauereien haben sich seit 1978 unter dem Label „Private Braugasthöfe“ familiengeführte Kleinbrauereien mit angeschlossener Gastronomie organisiert, um ihre Bekanntheit zu steigern und die Pflege der Bierkultur zu unterstützen. Derzeit umfasst die Organisation 69 Braugasthöfe und Gashausbrauereien aus Deutschland, Dänemark, Südtirol und der Schweiz. Christof Pilarzyk ist deren Geschäftsführer und seine Frau Kerstin führt den Braugasthof Grosch im oberfränkischen Rödental bei Coburg. Die Brautradition des Gasthofes geht zurück bis ins Jahr 1492 und befindet sich in sechster Generation in Familienbesitz. Die Brauerei verfügt über ein 40 hl Sudhaus von Kaspar Schulz, Baujahr 1965. Gebraut wird im Schnitt zweimal wöchentlich und in der Gaststätte werden fünf eigene Biere ab Zapfhahn angeboten. Neben dem „heimischen“ Spalter Hopfen verwendet die Brauerei auch exotische Sorten aus Übersee.

Was liegt näher, als hier nach Trends, Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei traditionellen Braugasthöfen und Gasthausbrauereien zu fragen. „Die privaten Braugasthöfe verbindet in erster Linie, dass alle Mitglieder familiengeführte Eigenbetriebe sind und über einen starken Bezug zu Regionalität und Liebe zum Bier verfügen“, meint Pilarzyk. Er sieht die Lage für Kleinbrauereien positiv, weil in einer globalisierten Welt die Gäste auf authentische, regionale Gerichte und Biere Wert legen. Pilarzyk probiert gerne neue Biere und ist offen für alles. Neben den eigenen Sorten zählen IPA und Stout zu seinen Lieblingsbieren. Für ihn steht die Craftbeer-Bewegung in der Tradition der regionalen Kleinbrauereien, die sich charaktervollen Bieren verschrieben haben.

Das Familienhotel „Gut Riedelsbach“ liegt am Nationalpark Bayerischer Wald und gehört „Private Braugasthöfe“ schon länger an. Der Chef Bernhard Sitter ist in Sachen Bier- und Braukultur ein umtriebiger und kreativer „Macher“ und seit 35 Jahren Gastronom und Wirt mit Leib und Seele. Ein Bekannter brachte ihn auf die Idee, in seiner Schankstube das eigene Bier zu brauen. 1998 wurde dann das 5 hl Sudhaus in Betrieb genommen, das die damalige Firma Beraplan produzierte. In der Anfangszeit bebraute die Anlage ein angestellter Braumeister, seit fünf Jahren liegt die Verantwortung bei Schwiegersohn Marco Stadler. Mit der Investition in die Gasthausbrauerei hat Sitter von Anfang an schwarze Zahlen geschrieben, weil die Gaststätte und das Hotel schon etabliert waren. Als Bernhard Sitter vom neuen Ausbildungsgang „Biersommelier“ bei Doemens hörte, war für ihn sofort klar, dass er die Ausbildung machen wollte. Inzwischen hat er sich und „Gut Riedelsbach“ komplett dem Bier verschrieben. Er bezeichnet sich als „1. Diplom Biersommelier-Wirt Deutschlands“ und fungiert regelmässig als Juror beim „World Beer Cup“ und beim „European Beerstar“. Das Hotel bietet „Bayerische Bierwohlfühltage“ an und beherbergt ein Bierkulturmuseum.

Den Begriff „Craftbeer“ mag Sitter nicht besonders. Er spricht lieber von neuen innovativen Bierstilen, die z.B. durch Verwendung spezieller obergäriger Hefen, durch Fassreifung oder neue Hopfennoten zu einer geschmacklichen Vielfalt beim Bier beitragen. „Wenn Sie sich den hohen Bierausstoss von manchen Craftbeer Brauereien in Amerika anschauen, dann hat das nicht mehr viel mit Handwerk zu tun und dann würde fast die Hälfte aller deutschen Brauereien in diese Kategorie fallen“, merkt er an. In Deutschland gehe der Trend weiterhin „weg von den Hektolitern“ und hin zu besonderen und regionalen Bieren. Als seine Lieblingsbiere nennt er neben dem eigenen Blonden das Schönramer Hell, das Pale Ale von Camba Bavaria und das Weissbier von Unertl aus Mühldorf am Inn. Das Malz bezieht er fast ausschließlich bei einem regionalen Produzenten aus der Oberpfalz. „Die meisten Biere haben eine hohe Wertigkeit und stehen mit Wein auf einer Stufe“, ist er überzeugt. Nur leider fehle es in Deutschland an der Akzeptanz beim Preis. Während man in den USA schon bereit sei, 280 Dollar für einen Kasten Bier zu bezahlen, lieferten sich hierzulande ehemalige Premiummarken einen mörderischen Preiskampf und konkurrierten mit Billiganbietern wie Oettinger.

Die wirtschaftliche Lage und die Zukunftsperspektiven von Kleinbrauereien sehen alle vier Gesprächspartner positiv. Durch die Direktvermarktung und die gestaffelten Sätze bei der Biersteuer lassen sich gute Margen erzielen, so dass die höheren Kosten bei Rohstoffen, Energie und Personal leicht verkraftbar sind. Zudem lassen sich durch Veranstaltungen wie Braukurse, Bierverkostungen, Kochkurse etc. zusätzliche Einnahmequellen erschließen und die Kundenbindung erhöhen.