Wenn
Baruch Shomron morgens aus dem Fenster schaut und die Sonne scheint, wird es
ein guter Tag. Auch wenn er mittlerweile gelernt hat, dass die deutsche Sonne
einen über die tatsächlichen Temperaturen draußen ziemlich täuschen kann.
Trotzdem, wenn er im Sonnenschein zum Uni-Campus läuft, einen Podcast in den
Ohren, ist er glücklich. Die Sonne erinnert ihn an seine Kindheit am Strand des
Gaza-Streifens.
Shomron
ist Israeli. Und seit Beginn dieses Semesters Inhaber der Israel-Professur am
Publizistischen Institut der Uni Mainz. Neu ist er dort nicht. Bereits im Herbst
2021 kam Shomron nach seiner Promotion als Postdoc nach Deutschland. Lernte die
nette Atmosphäre auf dem Mainzer Campus schätzen und blieb. Trotz seines jungen
Alters weiß der 33-Jährige, dass er in Forschung und Lehre seine Leidenschaft
gefunden hat: „Wenn man mir jetzt sagt, dass ich in 30 Jahren immer noch das
gleiche mache wie heute, dann bin ich ein glücklicher Mensch.“ Ausgeglichen und
genügsam, so wirkt Shomron oft, gleichzeitig sehr fokussiert auf die
Wissenschaft. Er selbst nennt das „langweilig“. „Coole“ Hobbys habe er keine. Seine
legere amerikanische Ausdrucksweise spiegelt sich auch in seiner Erscheinung
wider. Ein braunes T-Shirt fällt locker über den schlanken Körper, die Beine
stecken in Jeans und Sportschuhen. Wie er damals im Bachelor überhaupt im
Medienbereich gelandet sei? Ein Zufall. „Ich wollte entweder zu Journalismus
und Wirtschaft, aber da war die Schlange zur Einschreibung so lang. Also ging
ich zu Journalismus.“
Hinter
dieser entspannten Fassade steckt mehr. Als Shomron fünf Jahre alt war, zogen
er und seine Eltern aus den USA nach Israel in den Gaza-Streifen. Shomron
verbrachte eine glückliche Kindheit am Strand, auf der Straße, in Nachbars
Küche. Bis er 2000 eines Morgens aufwachte und Israelis und Palästinenser auf
einmal Feinde waren. Plötzlich existierten Politik und Konflikte im Leben des damals
Zehnjährigen. In den fünf Jahren der zweiten Intifada erlebte er Terrorismus in
all seiner Grausamkeit. Damals fand Shomron das nicht beängstigend: „Als Kind
war es das aufregendste auf der Welt“. Er erinnert sich, zu Einschlagsorten von
Raketen gelaufen zu sein, um sich „die guten Teile“ zu sichern, bevor die
Polizei aufkreuzte.
Das
zweite Mal, als er mit israelischer Politik konfrontiert wurde, war er 16. Auf
Befehl von Premierminister Sharon wurden alle Juden aus dem Gaza-Streifen
evakuiert, Shomron und seine Familie zogen in eine Stadt nahe Tel Aviv. „Jetzt
kann ich ein normales Leben führen“, dachte er sich damals, „ich kann die
Überlebensmechanismen aus dem Streifen ausschalten“. Doch 2008, Shomron war
mittlerweile 18, holten sie ihn noch einmal ein. Terroristen drangen in sein
Wohngebäude ein, es fielen Schüsse. „Das war das erste Mal, dass ich realisiert
habe, ich könnte sterben“. Er floh über seinen Balkon und rannte um sein Leben.
Drei seiner Freunde starben bei dem Vorfall. Bis heute leidet Shomron unter
einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wenn er darüber spricht, ist sein
Tonfall immer noch locker. Doch diese Erfahrungen von Leid haben ihn gezeichnet.
So widmet er sich auch in seiner Forschung der Frage, wie der Zugang zu Medien
Lebenssituationen verschiedener israelischer Gruppen verbessern kann. Shomron will
etwas machen, in dem er einen Wert, einen sozialen Nutzen sieht.
Dieses Kurzporträt entstand im Mai 2023 im Rahmen des Kurses "Magazinjournalismus" im Master-Studiengang am Journalistischen Seminar Mainz.