Stefanie Sommer

Journalismus-Studentin | FAZ, Mainz

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Interview

„Ein Oberbürgermeister ist ein Moderator“

Nino Haase (39) tritt 2023 zum zweiten Mal als unabhängiger Kandidat für die Oberbürgermeister-Wahl in Mainz an. Im Interview spricht er über seine politischen Ziele, seine persönliche Bindung zu Mainz und was sein Wahlkampf mit Rugby zu tun hat.

Herr Haase, Sie haben sich bereits 2019 als parteiloser Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Mainz zur Wahl gestellt. Damals unterlagen sie Michael Ebling (SPD) in der Stichwahl. Was haben Sie gedacht, als Sie erfahren haben, dass Ebling zum rheinland-pfälzischen Innenminister berufen worden ist und somit der Posten des Mainzer OB nun überraschend wieder frei ist?

Nino Haase: Meine Frau und ich hatten uns schon davor Gedanken über die Stadtpolitik gemacht, da es nicht so lief, wie wir es uns vorgestellt hatten. Und dann haben wir uns überlegt, ob wir diesen Kampf noch mal angehen. Aber wir sind schnell zu dem Schluss gekommen, dass der Idealismus immer noch brennt und dass wir den Schritt gehen wollen.


Dieses Mal werden Sie, anders als 2019, weder von der CDU noch der ÖDP unterstützt – nur von den Freien Wählern. Ist das etwas, das Sie aus der letzten Wahl gelernt haben?

Für mich war klar, wenn ich noch mal kandidiere, kandidiere ich komplett unabhängig. Damit dieses Mal klar ist: Wir haben hier einen Kandidaten, der frei agieren kann und der sich nicht danach richten muss, was die aktuelle Parteiräson ist. Ein Oberbürgermeister ist in meinen Augen ein Moderator. Und der sollte überparteilich und pragmatisch nach den besten Lösungen suchen.


Wie stellen Sie sich diese überparteiliche Moderation im Stadtrat konkret vor?

Aktuell ist es so, dass der Oberbürgermeister – der in Mainz ja seit jeher von der SPD ist – jeden Montag die Fraktionssitzung seiner Partei besucht. Das wäre das Erste, womit ich brechen würde. Ich würde um Einladung zu den Sitzungen aller großen Parteien bitten.


Sie waren bis jetzt weder im Stadtrat noch in einem anderen kommunalen Amt aktiv. Liegt das an Ihrer generellen Abneigung gegenüber Parteien?

Es ist keine Abneigung gegenüber Parteien. Ich weiß nur, dass man aufpassen muss, dass der Parteien-Apparat in einem Stadtrat auch funktioniert. Im Grunde sollte die Verwaltung kein politischer Ort sein. Das ist sie aber aktuell. Wir haben keine Zusammenarbeit zwischen Dezernaten, wenn es parteipolitisch nicht passt.


Sie kommen gebürtig aus Dresden, sind in Offenbach aufgewachsen und haben nach dem Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz einige Zeit in München gelebt. Warum sind Sie zurückgekommen, um sich gerade hier zu engagieren?

Ich hatte eine fantastische Zeit in Mainz – auch wenn es ein Chemiestudium war. Aber ich finde nicht, dass die Stadt sich in den letzten Jahren zum Besseren gewandelt hat. Das tat mir ein bisschen in der Seele weh. Und ich glaube, wenn man aus München zurückkehrt in eine Stadt und dann feststellt, dass das Herz für diesen Ort schlägt, dann ist das schon ein Statement. Weil so schlecht war es da unten in Bayern nicht.


Ein wichtiges Anliegen ist Ihnen die Stärkung der Bürgerbeteiligung. Wie stellen Sie sich das vor?

Ein Beispiel für gute Bürgerbeteiligung ist die Bürgermeister-App in Tübingen. Dort ist es möglich, niederschwellig Vorschläge an die Stadt machen. Ich glaube, dieser Dialog zwischen Stadtverwaltung und Bevölkerung muss in den heutigen Zeiten gesucht werden.


Der Abbau von Parkplätzen ist ebenfalls ein zentraler Punkt in Ihrem Wahlprogramm. Rechnen Sie da nicht mit Gegenwind?

Nein. Ich bin auch Anwohner der Altstadt. Ich weiß, was es bedeutet, wenn man hier einen Parkplatz abends sucht. 30 Prozent des Gesamtverkehrs in der Stadt ist Parkverkehr. Diese Verkehrsemissionen müssen weg. Wir werden freie Parkflächen aus der Innenstadt verbannen, aber gleichzeitig können die Anwohnerinnen und Anwohner Parkhäuser permanent nutzen. Wir haben 5000 Stellplätze, die stehen nachts alle leer.


Stichwort Energiekrise: Sie kritisieren die aktuelle Politik in Mainz, dass man nicht genug vorgesorgt habe. Was sind denn Ihre Pläne?

Es gab viele Städte, die schon vor einigen Monaten erkannt haben, dass dieser Winter besonders werden kann. Koblenz hat zum Beispiel einen klaren Blackout-Plan formuliert. Man hat Generatoren gekauft, um für 96 Stunden die wesentlichen Prozesse am Laufen zu halten. Und das ist richtig, dass die Politik auch für den Worst Case vorsorgt und so kommuniziert: „Wir machen etwas. Und wenn es ganz schlimm wird, haben wir zumindest eine Lösung parat.“ Da hat Mainz wieder nichts vorgelegt. Das finde ich unverantwortlich.


Sie haben früher lange erfolgreich Rugby gespielt, waren für Mainz sogar in der Bundesliga aktiv. Kommt daher eine gewisse Lust am politischen “Raufen” mit Anderen?

Ja. Ich genieße die Auseinandersetzung. Daher kommt meine Kampfeslust. Ich glaube, das ist auch nötig. Wenn man an dieser Stadtspitze was verändern will, braucht man Durchsetzungswillen.


Apropos Durchsetzungswille: Angenommen, es sollte wieder nicht klappen, wären Sie bereit, ein weiteres Mal als parteiloser OB-Kandidat zu kandidieren?

Ab einem bestimmten Punkt sagt man: „Ich habe das Angebot jetzt mit vollem Einsatz gemacht. Wenn es nicht sein soll, dann ist es so.“ Das heißt nicht, dass man sich nie wieder politisch irgendwo engagieren wird. Aber als parteiloser OB-Kandidat in Mainz wäre es dann wohl das letzte Mal.


Anmerkung: Dieses Interview entstand im Dezember 2022 im Rahmen des Masterstudiums am Journalistischen Seminar der JGU Mainz.