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Ein Ort zum Trauern

Für die Familie des ermordeten Burak Bektaș gibt es bald einen Ort zum Trauern. Für die Wagenburg am Kanal gibt es vielleicht einen Grund zum Feiern. Und für die Bezirksverordneten gab es reichlich Anlass zum Streiten. Willkommen in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung.

Text: Stefan Weger & János Szombati / Fotos: Max Büch & Regina Lechner


Gut vier Jahre nach der Ermordung von Burak Bektas soll jetzt in der Nähe des Tatortes ein Gedenkort entstehen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sprach sich mit großer Mehrheit für eine solche Erinnerungsstätte aus - gegen die Stimmen der CDU-Fraktion. Die Sprecherin der Initiative für die Aufklärung des Mordes, Ulrike Schmidt, begrüßte die Entscheidung. Das Konzept für einen „lebendigen Gedenkort" soll Ende Mai dem Integrationsausschuss präsentiert werden. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt, neue Indizien brachte aber zuletzt der Prozessauftakt um den Mord an dem Briten Luke Holland.


Queere Wagenburg darf voraussichtlich bleiben


Seitdem vor wenigen Monaten bekannt wurde, dass der queer-politische Wagenplatz an der Kiefholzstraße auf der Liste für neue Unterkünfte für Geflüchtete steht, formierte sich ein paradox erscheinender Widerstand: linksautonomes Projekt vs. Unterkunft für Geflüchtete. Unter Federführung von Bezirksbürgermeisterin Giffey zeichnet sich jetzt eine Kompromisslösung ab. Von den ursprünglichen 8000 Quadratmetern Fläche sollen gut 3400 für die Wagenburg erhalten bleiben. Auf der übrigen Fläche soll eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen. Die Verkleinerung führt dazu, dass die Unterkunft nicht wie geplant 500 Personen Platz bietet, sondern nur 225. Auch soll sie an die politische Ausrichtung der Wagenburg angepasst werden und speziell Menschen mit besonderem Schutzbedürfnis dienen. Ob der dortige Untergrund eine Bebauung in naher Zukunft überhaupt zulässt, ist immer noch offen.


Geld für Radwege - oder doch nicht?


Ein Streit entstand um die Frage, wer sich jetzt wie wo für Mittel des Bundeswettbewerbs „Klimaschutz im Radverkehr" des Bundesministeriums für Umwelt und Bau (BMUB) beworben hat, oder eben nicht. Einen Antrag zur Teilnahme hatte die BVV in ihrer Februarsitzung beschlossen. Um rechtzeitig bis zum Bewerbungsschluss Mitte April einen Antrag einzureichen, brachte das Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln einen Entwurf in den zuständigen Ausschuss ein. Doch dort lehnte Bezirksstadtrat Blesing (SPD) die Teilnahme vehement ab. Der Grund: Personalmangel.


Als dann bekannt wurde, dass sich das Bezirksamt sehr wohl um die Fördermittel beworben hatte, erntete Bezirksstadtrat Blesing harte Kritik. Piraten, Linke und Grüne bemängelten, dass Herr Blesing in den vergangenen Sitzungen eine ablehnende Haltung gegenüber diesem Projekt gezeigt hatte, woraufhin sich eine lange im Kreis drehende Debatte entfachte. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen!", summierte Blesing und verwies auf mangelndes Nachfragen der Grünen zwischen den Sitzungen. Es scheint fast so, dass Blesing die inhaltliche Mitwirkung der zivilgesellschaftlichen Akteure verhindern wollte und deshalb behauptete, es sei zu wenig Personal vorhanden.


Lokalpatriotismus à la Donald Trump


Der Tagesordnungspunkt zu den neu entstandenen mobilen Bürgerämtern lieferte einen weiteren Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen. Bezirksstadtrat Blesing (SPD) und Verordneter Marko Preuß (SPD) berichteten vom Erfolg der mobilen Bürgerämter im Süden Neuköllns. Neben Reinickendorf habe Neukölln die höchste Dichte an Bürgerämtern. Linke und Grüne warfen daraufhin der SPD vor, sich mit diesem Erfolg zu brüsten und völlig respektlos auf die anderen Bezirke herabzuschauen.


Daraufhin musste sich Frau Vonnekold (Grüne) als „dreist" und „frech" beschimpfen lassen. Im abschließenden Redebeitrag plädierte Preuß für mehr Zusammenhalt. Er würde hinter jeder Entscheidung der BVV seit Beginn seiner Mandatszeit 2001 stehen. Vorsteher Jürgen Koglin (SPD) quittierte diesen Beitrag mit den Worten „Ein sehr patriotischer Beitrag - Donald Trump würde sich freuen!"


Mit dem eigentlichen Thema hatte der Streit freilich überhaupt nichts zu tun.

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