2 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

Philipp aus NRW: „Ich bin Prepper, aber kein Reichsbürger"

Philipp Jakubowski aus NRW ist Prepper – aber „mit Verstand“. Foto: FUNKE Foto Services

Heinsberg. Philipp Jakubowski aus NRW ist Prepper - aber „mit Verstand". Warum er sich nicht auf die Apokalypse, sondern auf den nächsten Stau vorbereitet.

Wenn die Katastrophe über ihn hereinbricht, dann ist Philipp Jakubowski vorbereitet. In den silbernen Regalen seines Kellers stapeln sich Dosen-Ravioli, Mehl und Öl. Auf dem Boden stehen etliche Flaschen Wasser neben hochprozentigem Alkohol. Der soll als wichtiges Tauschmittel dienen, wenn Geld keinen Wert mehr hat. An einer Wand hinter der Kellertreppe hängen die Fluchtrucksäcke für ihn, seine Frau und die beiden Kinder. Immer griffbereit, falls ihr Haus keinen Schutz mehr bietet. Jakubowski ist Prepper. Er will für den Ernstfall gewappnet sein.

Die Gletscher schmelzen, in Europa herrscht Krieg, Pandemien brechen aus: Während die Welt scheinbar immer bedrohlicher wird, bereiten sich manche schon auf ihren Untergang vor. Zwischen 10.000 und zwei Millionen Prepper leben Schätzungen zufolge in Deutschland. Die Bezeichnung Prepper ist abgeleitet vom englischen Wort „to be prepared", was übersetzt so viel bedeutet wie „bereit sein" oder „vorbereitet sein". Worauf genau Prepper vorbereitet sein wollen, ist sehr unterschiedlich.

Für Jakubowski tritt der Ernstfall nicht erst mit der Apokalypse ein, sondern bereits, wenn der Strom in seiner Region für mehrere Tage ausfällt, wenn ein Feuer sein Haus zerstört, oder wenn er auf der Autobahn in einen langen Stau gerät. „Ich bin nicht so ein Prepper, der eher unrealistische Szenarien ins Visier nimmt. Mir geht es darum, bei alltäglichen Problemen nicht blöd dazustehen", sagt er.

Wenn er in den Urlaub fährt, habe er beispielsweise immer eine Notfalltasche mit Wasser, Decken und sofort verzehrbaren Mahlzeiten der US-Navy dabei. Angefangen zu preppen hat er vor zehn Jahren, als zwei Ereignisse sein Leben veränderten: Seine erste Tochter wurde geboren und sein Arbeitskollege hat ihm von Mark Elsbergs Buch „Blackout" erzählt.

„Blackout" ist die Bibel der Prepper. In dem Roman geht es um die katastrophalen Auswirkungen eines großflächigen Stromausfalls in Europa. Für Jakubowski, der sich gut mit Physik auskennt und in der Informationssicherheits-Branche arbeitet, kein unrealistisches Szenario.

„Ich habe verstanden, auf welchen technischen Tatsachen das Buch beruht, und dachte: Krass, das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Dann habe ich meine Tochter angesehen und mir war klar: Für dieses hilflose Wesen bist du jetzt verantwortlich. Und wenn so etwas wie ein Blackout wirklich passiert, dann musst du sie beschützen, während sich um dich herum die Leute wegen einer Dose Ravioli die Köpfe einschlagen."

Als er seiner Frau von diesen Sorgen erzählte, hielt sich ihr Verständnis in Grenzen. „Ich hatte gerade erst meine Ausbildung beendet, als junge Familie waren die Finanzen nicht so dicke. Und wenn dann der Einkauf im Supermarkt plötzlich um ein Drittel teurer wird, weil da auf einmal Konserven im Einkaufswagen landen, die wir sonst nie gekauft haben, hat meine Frau natürlich gefragt: Brauchen wir das wirklich?"

Überzeugend mit „Ja" beantworten konnte er diese Frage erst im März 2020. Die Corona-Pandemie wurde zur Sternstunde der Prepper. Während sich die Menschen im Discounter um Klopapier und Mehl stritten, freute Jakubowski sich über seine Vorratskammer - und über die wachsende Akzeptanz fürs Preppen. „Während Corona und besonders nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben sich die Zugriffszahlen auf meinem Blog um 700 Prozent gesteigert", erzählt er.

Was gehört alles in den Notfallrucksack? Was darf beim Erste-Hilfe-Set nicht fehlen? Wie bereite ich mich auf einen Blackout vor? Fragen wie diese beantwortet er auf seiner Website und dem gleichnamigen Instagram-Account „Prepper mit Verstand".

Dort gibt er auch Anleitungen für den Ernstfall. Bei einem überregionalen Stromausfall sollte man zum Beispiel 1. Die Taschenlampe suchen, 2. Am Sicherungskasten die Hauptsicherung ausschalten, 3. Die Badewanne mit Leitungswasser volllaufen lassen und 4. Das batteriebetriebene Radio einschalten, um an Informationen zu gelangen.

Bei seinen Empfehlungen orientierte Jakubowski sich nicht bei Verschwörungstheoretikern, die das Ende der Welt vorhersehen wollen. Oder bei Reichsbürgern, die den Staat nicht anerkennen. Oder bei dubiosen Verkäufern, die mit ihren Survival-Produkten Profit aus dem Weltuntergangsgeschäft schlagen wollen. Sondern beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Unter dem Aufruf „Helfen Sie mit, Notsituationen gemeinschaftlich zu bewältigen, und sorgen Sie vor!" wird allen Bürgerinnen und Bürgern unter anderem geraten, Fluchtwege zu planen, einen Notfallrucksack zu packen oder Lebensmittel und Getränke für zehn Tage auf Vorrat zu haben.

Wenn Jakubowski erzählt, dass selbst die Bundesregierung Preppen im gewissen Maße empfiehlt, sind die meisten überrascht. „Wenn man an Prepper denkt, dann halt immer direkt an irgendwelche Verrückten und an Reichsbürger. Klar, fast alle Reichsbürger sind Prepper. Aber nicht alle Prepper sind Reichsbürger."

Er denkt, dass viele Prepper als skurrile Freaks abtun, um sich nicht mit ihren eigenen Ängsten auseinandersetzen zu müssen. Das hat aus seiner Sicht fatale Folgen: „Unsere Gesellschaft hat verlernt, sich auf Krisen vorzubereiten." Jakubowski will das ändern. Indem er anderen Tipps gibt, bricht er allerdings eine der wichtigsten Prepper-Regeln: „Rede nicht übers Preppen!" Denn im Notfall, so die gängige Warnung, wissen andere von deinen Vorräten und deiner Ausrüstung - und werden zur Gefahr für dich.

Jakubowski hält davon wenig. Sich in einem kleinen Bunker im Wald von der Außenwelt abzukapseln und dort auszuharren, bis die Katastrophe - wie auch immer sie aussehen mag - überstanden ist, das gehört nicht zu seinem Plan. Die Vorstellung, nach einer Apokalypse eine neue Welt mitaufzubauen, wie es in so vielen Filmen gezeigt wird, fände er zwar faszinierend. „Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich doch lieber im Feuerball verbrennen. Wer bekommt das letzte Stück Brot? Wer den letzten Schluck Wasser? Du drehst durch, wenn die Vorräte zu Neige gehen. Dann doch lieber ein schnelles Ende. Das sind jetzt aber natürlich sehr, sehr krasse Gedankenspiele."

Gedankenspiele, die beim Preppen für ihn eigentlich keine Rolle spielen. „Auf einen Atomkrieg oder eine Katastrophe in dem Ausmaß bereite ich mich nicht vor. Wie sollte das auch gehen? Es gibt Szenarien, in denen hat man keine Kontrolle mehr über sein Leben. Damit muss man sich abfinden und sich dann lieber auf die Szenarien konzentrieren, auf die man sich realistisch gesehen gut vorbereiten kann." Der nächste lange Stau auf der Autobahn zum Beispiel. Denn der kommt ganz gewiss.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wochenende

Zum Original