2 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

„Wir lieben Steuern": Expertinnen aus NRW geben Steuer-Tipps

„Steuern sind das pure Leben“, sagt Raphaela Schmaltz. Auf ihrem Instagram-Account will die Bochumerin andere für die Steuerbranche begeistern und erklärt alles Wichtige aus dem Steuerrecht. Foto: Jakob Studnar / FUNKE Foto Services

Langweilig und kompliziert: Viele drücken sich vor der Steuererklärung. Wie junge Expertinnen aus NRW die Angst vor Steuern nehmen wollen.

Raphaela Schmaltz schließt die große Empfangstür der Villa hinter sich, rückt noch schnell ihre Sonnenbrille zurecht und prostet dann ihren Followerinnen und Followern zu, bevor sie am Pool ihren Espresso genießt.

In dem Video, das die 30-jährige Bochumerin während ihres Italien-Urlaubs auf der Social-Media-Plattform Instagram gepostet hat, wirbt sie aber nicht etwa wie andere Influencerinnen für die Sonnenbrille, ihre Unterkunft oder den italienischen Kaffee - sondern informiert die rund 7000 Menschen, die ihrem Profil @steuer_ela folgen, darüber, dass es eine steuerliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung gibt und erklärt ihnen, wie sie selbst davon profitieren können.

„Zwischen dem Wust aus Make-up-Tutorials und Mode wollte ich auf Instagram einen Mehrwert bieten und den Menschen zeigen, dass Steuern überhaupt nicht so trocken und langweilig sind, wie viele denken", sagt Schmaltz.

Bereits mit 14 Jahren schreibt sie in ihr Freundebuch, dass sie eines Tages als Steuerberaterin arbeiten möchte - genau wie ihr Vater. Als Jugendliche wirft sie für ihn die Briefe beim Finanzamt ein, am Frühstückstisch diskutiert die ganze Familie bis heute „wirklich emotional" über Steuerthemen.

Schmaltz ist überzeugt: „Steuern sind das pure Leben." Beim Einkaufen im Supermarkt denkt sie darüber nach, warum Hafermilch mit einem anderen Prozentsatz als Kuhmilch versteuert wird, bekommt sie fürs Falschparken einen Strafzettel, ärgert sie sich, dass sie diesen nicht von der Steuer absetzen kann und wenn ihr nach dem Essen im Restaurant keine Quittung gegeben werden, fragt sie sich, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Nach ihrer Ausbildung zur Steuerfachangestellten hat Schmaltz im Familienunternehmen in Hagen mitgearbeitet - und darauf gewartet, nach acht Jahren Berufserfahrung endlich zur Steuerberaterprüfung zugelassen zu werden.

In der vergangenen Woche hat sie sich in Castrop-Rauxel dem Examen gestellt, das als eines der schwersten in Deutschland gilt. Auf die Prüfungen hat sie sich lange und intensiv vorbereitet und muss nun monatelang auf das Ergebnis warten - die Durchfallquote im ersten Anlauf liegt bei knapp 50 Prozent.

Helen Dieckhöfer hat das Examen bereits hinter sich gebracht und im vergangenen Jahr zusammen mit ihren Kolleginnen Franziska Beschorner und Sarah Klinkhammer eine Kanzlei in Dortmund eröffnet.

Die drei Expertinnen beraten nicht nur ihre Mandantinnen und Mandanten, sondern beantworten auf ihrem Youtube-Kanal „Wir lieben Steuern" und dem gleichnamigen Instagram-Profil auch die Fragen ihrer knapp 30.000 Followerinnen und Follower - von Basics wie „Wer muss eigentlich eine Steuererklärung abgeben? Und was muss man dabei beachten?" bis hin zu spezifischeren Themen wie etwa „Welche Regelungen gibt es für den E-Commerce? Wie werden ETFs besteuert?"

Helen Dieckhöfer (35) und Sarah Klinkhammer (28) drehen die Erklärvideos zusammen und achten dabei vor allem darauf, die komplexen Inhalte möglichst verständlich aufzubereiten. „Wir haben das Ziel, den Leuten zu verklickern, dass Steuern gar nicht so ätzend sind", sagt Dieckhöfer.

Für sie ist das Steuerrecht wie ein Sudoku- oder Tetrisspiel, sie vergleicht ihre Arbeit mit einem spannenden Rätsel, das es zu lösen gilt.

Klinkhammer begeistert vor allem, dass sie Einblicke in verschiedene Unternehmen bekommt, sagt sie: „Ich bin total neugierig und würde am liebsten über alles etwas wissen, aber kann in meinem Leben ja nicht 250 Berufe lernen. Aber als Steuerassistentin habe ich mit so vielen Leuten aus den unterschiedlichsten Bereichen etwas zu tun."

Dabei sei es eigentlich nie ihr Ziel gewesen, in der Finanzbranche zu arbeiten. Doch nachdem sie ihr Studium zur Fahrzeugtechnikerin abgebrochen hatte, habe sie Angst gehabt, auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen zu haben.

„Aus Verzweiflung" bewarb sie sich für ein duales Studium im Steuer- und Wirtschaftsrecht. „Ein Glückstreffer", sagt sie im Rückblick.

Wenn sie im Freundeskreis von ihrem Beruf erzählt, halte sich die Begeisterung jedoch in Grenzen: „Es gibt eigentlich nur zwei Antworten: Was Steuern? Voll langweilig. Oder: Super, dann kannst du meine Steuererklärung machen. Aber es sagt halt nie jemand: Wie cool. Und ganz ehrlich, ich hätte den Job wahrscheinlich auch nicht gemacht, wenn es der Zufall nicht so gewollt hätte."

Laut Steuerberaterkammer Westfallen-Lippe werden zwar genug Steuerexpertinnen und -experten ausgebildet, doch durch das Abwandern in andere Branchen fehle es vor allem an Steuerfachangestellten. Dieckhöfer und Klinkhammer sind überzeugt, dass viele junge Menschen Hemmungen haben, den Beruf zu ergreifen, da sie in ihrer Schulzeit meist gar nicht mit dem Thema in Berührung kommen.

Außerdem habe die Steuerbranche keinen besonders guten Ruf. „So doof es klingt, aber es sind vor allem diese alten, weißen Männer, die Steuerberater sind und die prägen das Bild natürlich total. Der Beruf wirkt nicht besonders fancy, sondern eher etwas altbacken und verstaubt", findet Dieckhöfer.

Denn obwohl mehrheitlich Frauen die Ausbildung zur Steuerfachangestellten machen, absolvieren nur wenige von ihnen anschließend die Steuerberaterprüfung.

Junge Steuerberaterin aus Dortmund wurde oft nicht ernst genommen

Als eine der wenigen Expertinnen in der Branche werde Dieckhöfer daher mit vielen Vorurteilen konfrontiert, kritisiert sie: „Bevor ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich oft erlebt, dass ich als Prüfungsleiterin in Unternehmen war, der Geschäftsführer aber nicht mit mir, sondern mit meinem 25-jährigen Assistenten gesprochen hat."

Erfahrungen wie diese habe sie häufig machen müssen - und sich daher zum Wirtschaftsprüfer fortgebildet, von denen es laut Statistischem Bundesamt gerade mal 14.600 in ganz Deutschland gibt.„Wenn ich schon das scheinbar falsche Geschlecht habe, möchte ich zumindest einen Titel mehr haben als die anderen und sagen können: Ich bin hier die Verantwortliche", sagt Dieckhöfer.

Vor der Gründung ihrer Kanzlei hätten die drei Frauen außerdem Bedenken gehabt, ob sie überhaupt eine Chance haben. „Aber unsere Mandanten sind jetzt vor allem Jungunternehmer und viele, die im kreativen oder digitalen Bereich arbeiten. Denen ist das total egal."

Mittlerweile würden auch immer mehr ältere Kollegen auf sie zukommen und nach Tipps fragen, wie sie junge Menschen für den Beruf begeistern können, erzählt Dieckhöfer: „Die Leute, die früher mit meinem Prüfungsassistenten gesprochen hätten anstatt mit mir, kommen heute zu mir und fragen mich um Rat."

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wochenende

Zum Original