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Ukraine-Krieg: Russische Gastronomen in Essen angefeindet

Tatjana und Eugen Rihovski bieten in ihrem Restaurant deutsche und russische Spezialitäten. Seit dem Ukraine-Krieg werden sie dafür angefeindet. „Es ist nicht unser Krieg. Unser Krieg ist am Herd“, sagt Eugen. Foto: Socrates Tassos / FUNKE Foto Services

Essen-Schonnebeck. Tatjana und Eugen Rihovski servieren in ihrem Restaurant „Abseits" in Essen-Schonnebeck deutsch-russische Küche - und werden dafür angefeindet.

Von Burger über traditionelle deutsche Küche bis hin zu russischen Spezialitäten: Mit dem „Abseits" hat an der Matthias-Erzberger-Straße in Schonnebeck ein neues Restaurant eröffnet. Neu sind Eugen und Tatjana Rihovski in der Essener Gastro-Szene allerdings nicht. „Wir werden auch Wanderpokal genannt, weil wir schon so oft umgezogen sind", sagt Eugen.

Erstmals eröffnet haben sie das „Abseits" 2019 als Vereinsheim in Bredeney, sind dann nach einem Jahr zum FC Kray gewechselt. Doch in Pandemiezeiten herrschte kaum Betrieb an der Sportanlage, die Rihovskis suchten nach einem belebteren Standort - und wurden in Schonnebeck fündig.

„Hier leben viele Familien. Und genau das wollen wir sein: eine Anlaufstelle für Familien", sagt Eugen. „Ich glaube, dass wir zum Beispiel in Rüttenscheid falsch wären. Die Rü erfindet sich ständig neu, uns geht es um Tradition."

So bereitet Tatjana etwa Klassiker wie Strammer Max, Currywurst und Schnitzel zu. Letzteres wird unter anderem mit Grüner Soße serviert - einer traditionellen Kräutermischung aus Frankfurt, der Heimat der beiden.

Auf der Speisekarte lassen sich aber auch die Spezialitäten ihrer zweiten Heimat finden: Pelmeni, Piroschok und Schaschlik. Tatjana und Eugen sind in Russland aufgewachsen, später mit ihren Familien nach Frankfurt gezogen.

„Bist du noch stolz auf die russische Küche? Das werde ich momentan oft gefragt", sagt Eugen. „Ich bin stolz. Ich habe hier in Deutschland alles: Job, Familie und Freunde. Aber natürlich bin ich im Herzen immer noch ein Russe, auch wenn sich das vielleicht blöd anhört."

Manchmal stehe er morgens vor dem Spiegel und überlege, das russische Fußballtrikot anzuziehen, das er „so gerne" mag, in dem er im vergangenen Jahr während der Europameisterschaft täglich gearbeitet hat. Jetzt hält seine Frau ihn davon ab - „zu gewagt".

Das Ehepaar sieht sich - wie auch andere Menschen aus Russland oder mit russischen Wurzeln in Deutschland - seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine häufig Anfeindungen ausgesetzt. Drei Wochen nach Beginn des Krieges hatte das Bundeskriminalamt mehr als 300 strafrechtlich relevante Ereignisse im Zusammenhang mit dem Krieg gezählt. Diese gingen von Sachbeschädigungen über Beleidigungen bis hin zu Bedrohungen.

Das „Abseits" überrollte vor allem eine Welle an schlechten Bewertungen bei Google. Etliche Menschen gaben ihrem Restaurant lediglich einen Stern, die Kommentare dazu lauten etwa „Stoppt den Krieg!" oder „Scheiß Russen. Ihr seid für den Krieg verantwortlich. Geht zurück in euer Land!"

Einmal rief ein Mann sogar im Restaurant an, beschimpfte eine Kellnerin als „russische Hure". Die Rihovskis machen die Anfeindungen sprachlos. Sie haben selbst Verwandte in der Ukraine, nahmen als Teil einer Initiative der Tschernobyl-Hilfe jahrelang ukrainische Kinder über die Sommerferien bei sich auf.

„Als der Krieg ausgebrochen ist, haben wir alle in der Ukraine, die wir kennen, angeschrieben und gefragt, ob wir irgendwie helfen können", sagt Eugen. Eine Familie habe ihr Angebot angenommen und sich entschlossen, nach Deutschland zu kommen. Zwei Monate wohnte sie bei den Rihovskis.

„Was soll ich sagen? Es ist nicht unser Krieg. Unser Krieg ist am Herd", sagt Eugen. Und dort gehe es schließlich auch „multikulti" zu: „Original russisch sind eigentlich nur Blinys, sehr dünne Pfannkuchen, die typischerweise mit Kaviar belegt werden. Pelmenis kommen ursprünglich eher aus dem Kaukasus. Und Borschtsch, wo viele sagen, das ist ein original russischer Eintopf, kommt tatsächlich aus der Ukraine.

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