Weiße wollen den Diskurs bestimmen, wie und ob Schwarze Teil der Welt sein dürfen - auch der TV- und Streaming-Welt. Die Serienkolumne „Nächste Folge".
„Alle sind jetzt Schwarz, Netflix macht sich alles kaputt", erklärte mir neulich Jemand. „Stranger Things" (eines der fünf Kids ist Schwarz) und „Sex Education" (der beste Freund des Hauptcharakters ist Schwarz) habe er direkt ausgemacht. „Das hat doch nichts mit meinem Leben zu tun". Inwiefern die Lebensrealität von Walter White denn mit ihm übereinstimme, wollte ich dann wissen.
Er fuhr dann eine neue Argumentationsstrategie auf: Es gebe einfach zu viele Schwarze in Netflix-Serien. Das würde die weißen Zuschauer vergraulen, weil es „unrealistisch" sei. Man müsse doch daran interessiert sein, „die Mehrheitsgesellschaft abzubilden und nicht einem kleinen, unbedeutendem Teil der Bevölkerung zu viel Raum geben."
Weiße privilegierte Menschen wollen die weiße Vorherrschaft im TVSchwarzen Menschen wird hier das Recht auf Repräsentation im TV abgesprochen, ihre sowieso schon kaum vorhandene Sichtbarkeit als störend klassifiziert. White Privilege ist also an einem Punkt angekommen, an dem man so privilegiert ist, dass man sich darüber bewusst ist und daher darauf besteht, dass Popkultur Weißen Vorrang gibt. Weiß ist Standard - und das will man auch abgebildet sehen.
Die Schauspielerin Annabelle Mandeng hatte in einem Interview das Rassismus-Problem des deutschen Fernsehens deutlich gemacht, da man dort vor allem weiße Schauspieler*innen will. „In China will man auch eher asiatische Darsteller", twitterte daraufhin der Leiter der Parlamentsredaktion der „Bild", um klar zu machen, dass für ihn Deutsche nicht Schwarz sein können. Dieser Kopfsprung nach 1939 (denn arisch sind sie, die Doitttschen!) hätte ihn bei einer normalen Zeitung den Job gekostet.
Womöglich will man in Deutschland auch eher kompetente Journalist*innen... pic.twitter.com/jmCY97iQOG
- Quattromilf #BlackLivesMatter (@ebonyplusirony) June 8, 2020Weiße wollen den Diskurs bestimmen, wie und ob Schwarze Teil der Welt sein dürfen. Und in diesem Sinne wollen sie auch bestimmen, wie und ob Schwarze ein Recht auf Repräsentation in der TV- und Streaming-Welt haben.
Und die Unterhaltungsbranche lebt genau das vor. Die Big Player im Serienbuisness sind weiß. Hollywood und auch die deutsche Unterhaltungsindustrie sind immer noch geprägt von rassistischen Strukturen.
Das bildet sich auch im sogenannten All-White-Casting ab. Zu sehen in „Game of Thrones", „Friends", „How I Met Your Mother" und vielen mehr. Der gesamte Hauptcast ist weiß. In „The Big Bang Theory" und „Modern Family" gibt es auch keine Schwarzen, man gönnt sich aber ein bis zwei PoC (People of Color), die mit rassistischen Klischees zu einem großen Witz gemacht werden.
Schwarze Menschen spielen immer noch hauptsächlich Verbrecher, Prostituierte, Flüchtlinge, gerne auch mal den Rapper von nebenan. Die Darstellung ist von rassistischen Stereotypen geprägt.
In weißen Gesellschaften wie Deutschland und den USA werden andauernd Signale ausgesendet, dass Weiße die menschliche Norm seien, ein menschliches Ideal. Es wird Zeit, diese Signale grundlegend zu ändern.
Popkulturelle Darstellung ist eines dieser Signale. Es braucht daher mehr BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) in Serien, als Hauptfigur, nicht als Drogendealer, der dem weißen Helden Heroin verkauft. Dies ist ein Schritt, BIPoC als die Mitglieder der Gesellschaft wahrzunehmen, die sie auch sind. Wichtig ist auch, dass die tatsächliche Lebensrealität berücksichtigt und Rassismus thematisiert wird. Es geht um Repräsentation und Sichtbarkeit.
Wer jetzt behauptet: „Ach, das ist doch schon so, Schwarze im TV sind akzeptiert und angekommen", der sei an die folgenden Shitstorms erinnert: In „Star Wars: Das Erwachen der Macht" ist ein Stormtrooper Schwarz, Hermine Granger ist im Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind" Schwarz, Arielle wird im Disney-Realfilm Schwarz sein. Die Fangemeinden sind explodiert, in allen drei Fällen wurde mit Boykott gedroht.
Racists demanding a white mermaid because all mermaids are white because mermaids are a real thing and are restricted by facts. #NotMyAriel pic.twitter.com/brDEp68enN
- Sojaboy's whore (@blanket1734) July 4, 2019Wenn Rassist*innen, wie zum Beispiel die Arielle-Boykottierer*innen, mit etwas ein Problem haben, ist man der richtigen Sache auf der Spur. Denn diese Wut ist ein Indikator dafür, dass man einen Hebel gefunden hat, um zu zeigen, dass Weiße weder die menschliche Norm sind, noch ein Vorrecht auf kulturelle Sichtbarkeit haben. (Sonja Thomaser)
Hinweis: Das Wort Schwarz wird hier, im Sinne der Selbstbezeichnung Schwarzer Menschen, groß geschrieben. Zum Original