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Die Mutter des Wiener Schmähs

Foto: Marija Šabanović


Das Erste, was auffällt, wenn man Denice Bourbon in Aktion sieht, ist die Art, wie sie Menschen anfeuert. Es hat etwas Familiäres, fast Mütterliches, wenn sie Comedians herzhaft entgegenlacht, die das erste Mal auf einer Bühne stehen, sich hilflos an einem Zettel festhalten und nervös ihre nicht ganz so sitzenden Witze zum Besten geben. Je hilfloser, umso lauter Bourbons Lacher. Sie lässt ihre "Babys" nicht hängen. Egal, wie brutal ehrlich das Publikum ohne Regung vor ihnen sitzt. Am Ende haben die Neulinge mindestens einen lachenden Fan. Und der lacht richtig laut.


Leise kichern könne man zu Hause, findet Denice Bourbon. In einer Liveshow müsse laut gelacht werden, egal, wie amateurhaft sie ist. Das gehört für sie zur Comedy-Etikette.

Denice Bourbon ist die Entwicklungshelferin der österreichischen Comedy-Szene. Selbst Sängerin, Performerin und Autorin, kuratiert sie viermal im Jahr den "Political Correct Comedy Club" (PCCC*). Es ist nicht nur Wiens erster queerer Comedy-Club, sondern auch die Kaderschmiede für neue Kleinkunsttalente. Viele gaben bei der Bourbon ihr Debüt. Marina Lacković aka Malarina etwa, die mit dem Salzburger Stier und Anfang Dezember mit dem Deutschen Kleinstkunstpreis ausgezeichnet wurde. Ebenso Maria Muhar, prämiert mit dem Förderpreis beim Österreichischen Kabarettpreis und Tiktok-Star Toxische Pommes. Nun erobern Bourbons Entdeckungen die männlich dominierte Kabarettszene des Landes. Mischen den heteronormativen und tief österreichischen Mainstream, machen ihn diverser, wie es so schön heißt.


Überreden musste sie Denice Bourbon dazu. Ihnen bescheinigen, dass ihr Humor, den sie beim Feiern im Privaten erlebt hatte, auf die große Bühne gehört. Sie gefällt sich in der Rolle der Ermöglicherin, nicht umsonst bezeichnet sich die Kinderlose selbst als „Mutter“ gegenüber ihren Schützlingen. Als Mutter, Diva und etwas tollpatschige Kultführerin, die gerne raucht, trinkt, feiert und flucht. So präsentiert sich die 47-Jährige auf der Bühne des PCCC*, wenn sie zwischen den Auftritten ihrer Gäste selbst immer wieder das Mikrofon ergreift und zeigt, was politisch korrekter Humor alles bedeuten kann. Dass man sich über sein Outfit als „Begräbnistörtchen“ lustig macht, über seine eigene Unbeholfenheit, seinen Drang im Mittelpunkt zu stehen und nur über sich selbst zu sprechen. Mit erschreckender Stringenz gelingt es ihr jedes Statement, das nur ansatzweise verletzend, arrogant oder überheblich klingen könnte, im nächsten Nebensatz zu relativeren. „Ich habe eine wahnsinnige Angst, dass mich die Leute für ein Arschloch halten“, erklärt sie im Gespräch. Sie sitzt im Roza, einem feministischen Café in der Burggasse vor einem Teller Mezze. „Ich bin groß, blond, ur laut und nehme so viel Platz ein, ich würde mich ja auch nicht mögen“, präzisiert sie. Ihre Exzentrik ist ihr bewusst, das sollen auch die anderen wissen. Doch ihr Hang zur relativeren, habe auch einen anderen Grund: „Ich habe Angst missverstanden zu werden und das hat mit meinem Hintergrund zu tun. Ich habe nie in einem Land gelebt, wo ich dazugehört habe“, erklärt sie.

 

Aufgewachsen in Schweden als Tochter finnischer Gastarbeiter, in der Industriestadt Laxå, zwischen Autobahn und Plattenbau, kam sie mit 26 Jahren der Liebe wegen ohne Geld und ohne fertige Ausbildung nach Wien. Drei Jahre lang hat sie die Stadt leidenschaftlich gehasst. Dann ist der Hass gekippt. Sie hat begriffen, wie gut es sich als Lesbe aus Skandinavien an einem Ort lebt, der keine Erwartungen an sich und andere stellt. In ihren Memoiren, „Cheers! Stories of a Fabolous Queer Femme in Action“, die sie bereits mit 37 Jahren veröffentlichte, bezeichnet sich Bourbon voller Stolz als „Grantarsch.” Einen Titel, den sie sich erintegriert hat. „Ich bin heute eine leidenschaftliche Wienerin“, sagt sie und lacht.

 

Bourbon, ein Künstlername, ihren echten Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer glamourösen Fixgröße in Wiens Queerszene etabliert. Dieser Szene fühlt sie sich verpflichtet. Egal, wie viel Erfolg sie hat.

 

Und mit PCCC* hat sie Erfolg. Die Tickets für die 330 Sitze im Theater am Werk sind binnen zwei Stunden restlos ausverkauft. Große Häuser klopfen bereits an, um zu kooperieren, wollen wissen, ob Bourbon nicht für mehr Leute viel öfter auftreten lassen würde. Gelegentlich tut sie das auch, gastiert schon einmal in Linz, Villach und sogar auf der Berliner Volksbühne.

Aber so ganz geheuer ist ihr die große weite Welt nicht. Der Hype und die Erwartungen. „We dont have to milk it, just because we can“, sagt sie in ihrer Bühnensprache Englisch, „die Leute werden oft gierig.“ Sie wollen alles, das Geld, den Erfolg und vor allem den Mainstream. Der war nie das Ziel gewesen für Bourbon, als sie 2017 gemeinsam mit Josef Jöchl, der mittlerweile ausgestiegen ist, den Club gegründet hat. Man wollte mit PCCC* eine Bühne bieten für weibliche, queere und migrantische Personen, auf der sie ihre Geschichten erzählen konnten. Politisch korrekt. Ohne nach unten zu treten. Ohne sich permanent einer Masse „übersetzen“ zu müssen. Mainstream würde vor allem eines bedeuten: Anpassung.

 

Das will Bourbon nicht. Denn PCCC* ist mehr als nur Unterhaltung.  Oder ein Geschäftsmodell. Der Club ist Community. Das bedeutet ein Publikum, das schon in Vorfreude zu lachen beginnt, bevor Gastgeberin Bourbon noch ein Wort gesagt hat. Eines, das mit geballten Fäusten jubelt, wie man es nur von Fans in Fußballstadien kennt, wenn Transmann Noah Damian Safranek mit den Worten „I am a selfmade gay“ von der Bühne geht. Eines, das Tränen lacht, wenn „Der Kuseng“ seinen Liebeskummer als einstige Lesbe in einem Lied – inklusive Ausdruckstanz – noch einmal durchlebt.

Die Menschen sind dankbar für diesen Ort, an dem eine Community lachen darf, über sich selbst, so viel sie will, ohne dabei ausgelacht zu werden.  Weil man unter sich ist, und genau weiß, wie was gemeint war.

Vielleicht identifiziert sich Denice Bourbon deswegen auch mit dem „Wiener Schmäh.“ Weil er für sie genau das bedeutet: ein Lachen über sich selbst und andere, für die man etwas übrighat, wie sie sagt: „Man kann die anderen nur dann richtig gut verarschen, wenn man sie auch ein bisschen mag.“

 

 

 





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