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Wo Rauchen noch cool ist

Auf die Klassenbesten kann man sich immer verlassen. Sie bringen ihre Leistung, gleichgültig ob sie vorn oder hinten sitzen. Mit Zigaretten hält es Farhad Hashempoor ähnlich. Seine Besten brauchen nicht in der ersten Reihe zu stehen, um verkauft zu werden. Der gemütliche Trafikant hat sie lieber in Griffnähe. Im offenen Schubfach unter der Kassa liegen sie aufgereiht: Marlboro und Memphis, in mannigfaltiger Variation, von "Classic" über "Medium" bis zu "Menthol". Visuell präsent ist in seinem Acht-Quadratmeter-Verkaufsraum auf der Wiener Mariahilfer Straße hingegen eine andere Marke: L&M aus dem Hause Philip Morris. Vier beleuchtete Displays hängen an den Wänden. Sie zeigen zwei Packungen, rot und blau, vor dem Hintergrund einer nächtlichen Straße und die Aufschrift: You are welcome . Nach mehreren Jahren Pause versucht die Traditionsmarke wieder am Markt Fuß zu fassen.

"Dafür, dass die neu ist, wird sie schon von vielen Kunden verlangt", sagt der 59-jährige Trafikant. "Nichts im Vergleich zu den Marlboros, aber immerhin." Es klingt verwundert und anerkennend zugleich. Sechs Stangen L&M verkauft er im Monat. auch Philip Morris spricht von einer "positiven Entwicklung". Dabei ist die Marke gerade mal sieben Monate alt. Und beworben wurde sie nur an einem einzigen Ort: am point of sale, wie es im Fachjargon heißt. Die Trafiken sind die letzten Bastionen des Tabakmarketings. Alle anderen Werbeflächen sind Sperrzone: Zeitung, Fernsehen, Radio, Plakat, Kino, Internet - nirgendwo darf mehr für Zigaretten geworben werden. Nicht einmal Product-Placement oder Sponsoring ist den Tabakkonzernen erlaubt.

Stattdessen gehört sichtbare Werbung den Antirauchern. Eine Kampagne jagt die nächste. Radiospots werben mit "Ka Tschick ist an" für rauchfreie Autos, Plakate zeigen hippe Jugendliche, die angeblich stolz darauf sind, nicht zu rauchen, Aufkleber verkünden: "Ohne Rauch geht's auch!" Genützt hat das bisher wenig. Weiterhin greifen täglich 1,6 Millionen Österreicher zur Zigarette. Noch kann die Tabakindustrie auf ihren billigsten und effektivsten Werbeträger zählen: den rauchenden Menschen. Sollte aber die Regierung durch ein strengeres Rauchverbot in Lokalen die Qualmer wieder ein Stück aus der Öffentlichkeit drängen, würde dies der Tabakindustrie wohl mehr schaden als jedes Werbeverbot: Generationen von Jugendlichen könnten in Zukunft beim abendlichen Ausgehen nur noch Erwachsene mit Nikotinpflastern am Arm anstatt der Zigarette in der Hand sehen.

Die Marketingstrategen in den Tabakkonzernen versuchen sich seit Jahrzehnten an einer schwierigen Aufgabe: Sie müssen Stimmung für ein Produkt machen, das gesellschaftlich zunehmend geächtet ist. Wie wirbt man für einen Konsumartikel, auf dessen Packung steht, dass er tödlich sei? Kurze Irritation bei den Marketingchefs. Die Frage passt ihnen nicht ins Konzept. Da hilft nur eine Standardantwort. "Zigaretten sind ein legales Produkt. Kein Trafikant zwingt jemanden, sie zu kaufen. Der Mensch ist mündig", sagt Christian Mertl und lehnt sich zurück.

So simpel ist es, wenn "Mr. Memphis" mit Lektion eins des Zigarettenmarketings beginnt: Wer daran stirbt, sei selbst schuld. 21 Jahre lang hat Mertl für die Austria Tabak gearbeitet, zuletzt als Marketingchef. Er war für die Markteinführungen von Memphis Blue, Casablanca und Nil verantwortlich. Heute ist Mertl Geschäftsführer der Firma M-Tabak mit seiner eigenen Zigarettenmarke O'Nyle. "Ich bin der Einzige, der eine österreichische Marke besitzt", sagt er stolz. Ein Seitenhieb gegen den ehemaligen Arbeitgeber, der seit 2001 zum britischen Tabakkonzern Gallaher gehört, der wiederum von Japan Tobacco International übernommen wurde.

Seither vertritt die Austria Tabak 83 der 241 in Österreich erhältlichen Zigarettensorten. Beim größten Player der Branche gibt man sich zugeknöpft. "Ich wüsste nicht, was es da zu berichten gibt", sagt Pressesprecher Helmut Dumfahrt über das Marketing seines Konzerns. Mehr als 17 Milliarden verkaufte Zigaretten und kein Kommentar über das Wie. Auch der Ex-Marketingchef Mertl will keine Angaben über sein Budget beim früheren Arbeitgeber machen. Nur so viel: Es sei immer kleiner geworden. "Anfangs war es aus Sicht eines Marketingchefs lustiger. Die Firma hatte ein Monopol, ist im Geld geschwommen, und außer Fernsehen und Radio war alles erlaubt", erzählt er.

Für den lässigen Nikotinpiloten Steve ist kein Platz mehr in einer Trafik
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