Wien. Jede Partei hat ihren Spitzenkandidaten. Ihren Mann fürs Grobe. Ihren Puppenspieler. Und sie hat ihren Tanzbären. Sein Auftrag ist klar definiert. Nicht anecken. Nicht polarisieren. Nicht politisieren. Nur unterhalten. Er hält die Basis bei Laune. Krault die verletzte Volksseele. Schafft ein bisschen heile Welt, wo sie längst nicht mehr ist. Und sei es nur für einen alkoholgeschwängerten Bierzeltmoment.
In der FPÖ heißt dieser Tanzbär Werner Otti. Seit mehr als 15 Jahren ist der Musiker ein fixer Bestandteil der freiheitlichen Politmaschinerie. Kein Wahlkampfauftakt, kein Volksfest, kein Jubiläum findet ohne den Kärntner statt. Er stimmt das blaue Wahlvolk ein, bis der wahre Frontmann auf die Bühne kommt. Volksnah, fröhlich und herzlich wirkt der 50-Jährige, wenn er seine Schlager und Oldies singt, die Augen dabei zusammenkneift, elvisähnlich mit den Hüften wackelt und zwischendurch die Menge animiert ihre rot-weiß-roten Fähnchen zu schwingen und so lange im Chor H.-C. zu rufen, bis FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache die Bühne betritt.
"Das, was ich mache, mache ich. Zu dem stehe ich. Ich lade alle ein, mich zu buchen. Ich grenze niemanden aus und will nicht hetzen. Ich mache meinen Job. Ich habe den H.-C. so weit persönlich kennengelernt, um zu sagen, dass er mir gut gefällt", sagt Werner Otti in einem Atemzug. Das Statement scheint er oft zu geben. Er nimmt einen Schluck von seinem Johannisbeersaft. Es ist 11 Uhr im Café Maximilian nahe der Votivkirche im 9. Bezirk. In fünf Stunden wird Werner Otti wieder auftreten für seinen wichtigsten Auftraggeber. 30 bis 50 Auftritte hat er pro Jahr. Knapp 10 für die FPÖ.
Er muss sich für keinen Sager entschuldigen Es sind diese 10 Auftritte, für die sich Otti rechtfertigen muss. Er weiß um sein Image. Dass er als Straches Haus- und Hofmusiker gilt. Dass ihn manche für eine "Nazisau" halten. Das hat er schon einige Male gespürt, wenn Eier auf die Bühne geschleudert wurden, er bespuckt und beschimpft wurde. Und als ihn "Vermummte" nach seinem Auftritt auf dem Akademikerball in der Hofburg aus dem Taxi zerren wollten.
Er versteht diesen Hass nicht. Er ist kein Sprecher der Partei, auch nicht Mitglied. Er muss sich für keinen Sager, keinen Ausrutscher, kein fragwürdiges Vergangenheitsverständnis entschuldigen. Er ist Musiker. Ein Musiker im Dienste der freiheitlichen Partei. Mehr nicht. Die Rocklegende Bruce Springsteen hat schließlich auch für den US-Präsidenten Barack Obama gespielt, Mariah Carey für den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi und der junge Johannes Heesters vor Adolf Hitler, "dem Führer." Das sei doch auch alles kein Problem gewesen, meint Otti. Warum also bei ihm, wenn er bei ein paar Wahlkampfveranstaltungen der FPÖ für Stimmung sorgt?
"Die FPÖ ist eine politische Fraktion, die bei einer demokratischen Wahl ins Hohe Haus gewählt wurde. Das ist alles legitim", sagt Otti bestimmt und schüttelt den Kopf.
Missverstanden fühlt er sich. Gar gemobbt. Er erinnert sich an seine Kindheit. Als dreizehntes von 15 Kindern ist Werner Otti auf einem Bergbauernhof im Kärntner Görtschitztal aufgewachsen. Das Bild von den Großbauern hat er noch genau vor Augen. Als sie wie Feudalherren mit ihren Mercedes-Autos - inklusive Chauffeur - vorfuhren, während seine Eltern arbeiteten. Und er weiß noch, wie ihn die anderen Kinder in der Schule gehänselt haben, dafür, dass sich seine Familie beim Pfarrer und beim Lehrer nicht mit Speck und anderen Leckereien beliebt machen konnte. Das hat ihn geärgert. Vielleicht hat er sich deswegen später bei der Sozialistischen Jugend engagiert. Bei den Roten. Sie waren damals ja auf ihrer Seite, auf der der "drittklassigen" Bürger, auf die man drauftrat, obwohl sie schon längst am Boden lagen.
Damals war die FPÖ noch nicht Teil von Ottis Welt. Erst 1989. Es war ein gutes Jahr. 255 Konzerte haben sie damals gespielt. Er, seine zwei Brüder und sein Neffe, die "John Otti Band" - benannt nach dem älteren Bruder Johannes. Durch die ganze Welt sind sie getourt, traten in Montreal, New Orleans und Mallorca auf. Zurück in Kärnten wurde ein gewisser Jörg Haider auf die Brüder aufmerksam. Es gefiel dem späteren Landeshauptmann, wie die Ottis ihr Publikum im Griff hatten. Es sollte der Beginn einer langen Geschäftsbeziehung werden. Wirklichen Kontakt hatte Werner Otti zu Jörg Haider nie, hier ein "Servus" dort ein "Danke." Das war es.
Das gebrandmarkte FPÖ-Maskottchen Mit Heinz-Christian Strache gibt es mehr Smalltalk. Werner Otti gefällt es, wie sich der FPÖ-Mann entwickelt hat. Reifer und staatsmännischer sei er geworden, nicht mehr so zornig wie früher. Auch mit seinen Aussagen kann sich Otti zunehmend identifizieren, wenn er beispielsweise in der aktuellen Flüchtlingsdebatte davon spricht, dass es "unsere Pflicht" sei, Kriegsflüchtlingen zu helfen, und gleichzeitig anmerkt, dass die meisten "Wirtschaftsflüchtlingen" seien. Otti versteht auch die Bedenken seiner Landsleute, wenn sie unter den Flüchtlingen den einen oder andern islamistischen Schläfer vermuten. Ebenso irritiert es ihn, dass so viele Männer ohne ihre Familien fliehen würden. "Wenn ich meine Frau und meine Kinder in einem Land habe, wo sie umgebracht werden könnten, gehe ich doch nicht weg und lasse sie zurück", sagt er. Es ist dieselbe Rhetorik, die der FPÖ-Chef bedient.