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Aufmarsch von Rechten in Wittenberge blockiert

Blockierer waren in Brandenburg erneut erfolgreich. Rechte: Bernd Settnik/dpa

von Sören Kohlhuber


Rechter Spontanaufmarsch in Neustadt/Dosse. Kritik am Vorgehen der Polizei

Wittenberge/Neustadt/Dosse - Rote Karte für Rechtextremisten in Brandenburg:

In Wittenberge (Prignitz) mussten am Samstag rund 200 Neonazis ihren überregionalen Aufmarsch aufgrund von Sitzblockaden und Protesten vorzeitig abbrechen.

Die Neonazis aus mehreren Bundesländern Nord- und Ostdeutschlands wollten mit ihrem Aufmarsch gegen Abwanderung und den von ihnen propagierten „Volkstod" im ländlichen Raum protestieren. Aufgerufen dazu hatten die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland", die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Mehr als 700 Polizeibeamte aus Brandenburg sowie anderen Bundesländern wie Berlin, Bayern und der Bundespolizei waren im Einsatz. Nach Angaben der Polizei kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen linker Demonstranten. Mehrere Teilnehmer der Gegendemonstrationen wurden festgenommen, zwei wurden verletzt.

Auf einer der Gegendemos hätten Anhänger der linken Szene Beamte getreten, teilte die Polizei mit. Ein Mann habe mit einer Fahnenstange auf einen Beamten eingeschlagen, sagte ein Polizeisprecher. Zudem sei mit Böllern geworfen worden. Es gab mehr als 20 Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung, unerlaubten Waffen- und Drogenbesitzes sowie wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot. Die Anzeigen ergingen lauf Polizei „fast ausschließlich gegen Mitglieder des linken Spektrums".

Ein Polizeisprecher legte - ohne dies näher zu erläutern - Wert auf die Feststellung, dass „die Personen, gegen die die Anzeigen erstattet wurden, waren fast ausnahmslos auswärtige" waren.

Das Bündnis „Wittenberge Nazifrei" dagegen kritisierte in einer Stellungnahme das „unverhältnismäßige brutale Vorgehen der Polizei", besonders beim Stoppen des Spaziergangs für Toleranz. Hier sollen Beamte mit Schlagstock und Pfefferspray gegen zum Teil vermummte Gegendemonstranten vorgegangen sein. Mehrere Gegendemonstranten wurden verletzt, eine Person kam mit dem Verdacht auf Nasenbeinbruch in das Krankenhaus Perleberg. Dort wurde auch eine Anzeige gegen Polizeibeamte wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt aufgenommen.

In der gesamten Stadt waren mehrere Gegenveranstaltungen aus dem bürgerlichne und linken Lager angemeldet, darunter ein Stadtfest, auf welchem sich Vereine und Institutionen gegen den Neonazi-Aufmarsch protestierten. Auch Mitglieder der Brandenburger Landesregierung, Landtags- und Bundestagsabgeordnete sowie Vertreter mehrerer Parteien beteiligten sich an Gegenkundgebungen unter dem Motto „Schöner Leben ohne Nazis".

Bürgermeister Oliver Hermann (parteilos) rief auf der zentralen Bühne des Festes zu friedlichen Gegenprotesten auf. Dabei war auch Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke). Er freute sich darüber, „dass Wittenberger hier Flagge zeigen und dem rechten Mob die Stirn bieten". Der Hass, der von den Neonazis verbreitet werde, sei unerträglich. Laut dem Bündnis „Wittenberge Nazifrei" hatten mehr als 600 Menschen an verschiedenen Stellen an Blockaden teilgenommen, um den Neonaziaufmarsch zu verhindern.

Die Route des Neonaziaufmarsches musste wegen mehrerer spontaner Sitzblockaden oder Versammlungsanmeldungen verändert werden. Die Rechtsextremisten wurden nach mehreren erzwungenen Stopps von der Polizei zurück zum Bahnhof geleitet. Dort war für sie - früher als geplant - nach nicht einmal zwei Stunden wieder Schluss. „Wir feiern den Tag als Erfolg", erklärte das Bündnis „Wittenberge Nazifrei".

Anschließend fuhren 100 Neonazis nach Neustadt/Dosse. Per Telefon wurde hier eine Spontanversammlung gegen die aus ihrer Sicht „staatliche Repressionen in Wittenberge" angemeldet. Anlass waren mehrere Festnahmen im rechten Spektrum nach dem Aufmarsch. Zwei der Neonazis verstießen gegen das Vereinsgesetz, ein weiterer aus Wittstock trug Quarzsandhandschuhe mit sich. Bereits vor dem eigentlichen Aufmarsch hatten die Einsatzkräfte zwei Transparente bei den Neonazis mit Bezug zur „Volkstod"-Kampagne der rechtsextremen Szene sichergestellt. Der Aufmarsch in Neustadt/Dosse endete ohne Zwischenfälle nach 30 Minuten. Sören Kohlhuber

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