Sina Wollgramm

Journalistin, Musikmanagerin

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Kölner Silvesternacht: 97 Prozent der Täter stammen aus dem Ausland

Bielefelder Boulevard: In der Silvesternacht kommt es auch hier zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. | © NW-Archiv

67 Prozent stammen aus Marokko und Algerien. Ministerium für Inneres und Kommunales deckt gravierende Defizite in der Datenerfassung auf


Bielefeld/Köln. Zu den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln, Bielefeld und weiteren Städten liegt ein Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales an die Mitglieder des Innenausschusses vor. Daraus ergeben sich Auskünfte über Tatverdächtige und Defizite in der Datenerfassung. Das Land prüft die Abschiebemöglichkeit der Täter.


Köln

Stand 30. März: Unter dem Titel „Neujahr" werden 1.527 Straftaten bearbeitet – darunter Sexualstraftaten (529 Fälle mit 185 Diebstahlsdelikten) sowie 998 Eigentums-, Raub-, und Körperverletzungsdelikte. Es wurden 1.218 Opfer erfasst. Tatverdacht bestehe gegen 153 Personen. 149 Verdächtige seien nichtdeutscher Nationalität – 68 seien Asylbewerber, 18 seien illegal in Deutschland und 47 Verdächtige hätten einen „unbekannten ausländerrechtlichen Status". Vier Personen seien unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, zehn weitere hätten eine Aufenthaltsgenehmigung. Bei vier Tatverdächtigen handelt es sich demnach um Deutsche. 103 Personen seien aus Marokko und Algerien. 24 Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft – zehn von ihnen sind wegen anderer Ermittlungsverfahren in Haft.


Bielefeld

Stand 31. März: Unter dem Titel „Boulevard" wurden 20 Straftaten bearbeitet. Dazu zählen fünf Sexualstraftaten, 15 Eigentums- und Körperverletzungsdelikte sowie ein Hausfriedensbruch. 26 Menschen seien als Opfer erfasst worden – davon sollen elf Opfer von Sexualdelikten geworden sein. Tatverdacht bestehe gegen sieben Personen, die marokkanischer und algerischer Staatsangehörigkeit seien. Vier Verdächtige seien Asylbewerber, drei Asylsuchende ohne Asylantrag.


Dortmund

Stand 31. März: Das Polizeipräsidium Dortmund bearbeitet 30 Straftaten. Darunter fünf Sexualstraftaten und 25 Raub-, Eigentums- und Körperverletzungsdelikte. Es wurden 34 Opfer erfasst – acht von Sexualdelikten. Tatverdacht bestehe gegen zehn Personen. Bei den Verdächtigen handle es sich um zwei Asylbewerber, zwei abgelehnte Asylbewerber mit Duldung, einen Asylbewerber mit Aufenthalt zwecks Studiums und drei halten sich illegal in Deutschland auf.


Düsseldorf

Stand 30. März: Unter dem Titel „Silvester" bearbeitet das Polizeipräsidium Düsseldorf 177 Straftaten – darunter 118 Sexualstraftaten inklusive 15 Diebstahlsdelikten sowie 59 Eigentums- und Körperverletzungsdelikten. 177 Opfer wurden erfasst – 118 von Sexualdelikten. Tatverdacht besteht gegen 16 Personen (15 mit nichtdeutscher Nationalität, sieben seien marokkanischer, drei algerischer und zwei bangladeschischer Staatsangehörigkeit sowie je ein Syrer, Albaner und Afghane). Zwei Tatverdächtige sitzen in Untersuchungshaft. Acht seien Asylbewerber, zwei hätten eine Duldung, zwei eine Aufenthaltsgestattung und drei seien illegal in Deutschland.


Abschiebung

Das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) hat sich die Personalien der nichtdeutschen Tatverdächtigen geben lassen. Die aktenführenden Ausländerbehörden bekommen dem Bericht zufolge eine Mitteilung über abgeschlossene Ermittlungsverfahren mit Bitte um Prüfung „aufenthaltsbeendender Maßnahmen".


„Aufgrund der bundesweiten Erfassungsdefizite von einreisenden Schutzsuchenden besteht bei einer nicht geringen Zahl von Ausländern das Problem, dass die Personen noch nicht im AZR (Ausländerzentralregister) und auch nicht im Verfahrensverzeichnis des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) geführt wurden. (...)


Erschwerend ist bei den Recherchen, dass Personen zum Teil unter falschen, als auch unter Anders-Personalien geführt werden; bedingt durch bewusst falsche Angaben oder Fehlerfassungen", heißt es in dem Dokument.


Zwei Tatverdächtige sollen sich im Ausland aufhalten, „davon reiste eine Person nach Frankreich aus. Eine weitere wurde am 14. Januar bei einer Wiedereinreise durch die Bundespolizei zurückgewiesen". Eine Person sei bereits am 6. Juli 2013 nach Marokko abgeschoben worden. „Es ist daher hier von einer unerlaubten Einreise auszugehen."


FDP-Landtagsabgeordneter Marc Lürbke sagt: „Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Personen unter verschiedensten Identitäten registrieren und Straftaten verüben. Unsere Behörden müssen ausnahmslos wissen, wer hier mit welchem aufenthaltsrechtlichen Status lebt. Der Bericht offenbart schonungslos, dass dies selbst mit erheblichem Aufwand oft nicht ermittelt werden kann. Dieses Rechtsvakuum ist nicht zu tolerieren."


68 Fälle werden auf Abschiebung geprüft – neun Asylanträge wurden abgelehnt. In 78 Fällen stehe noch eine Meldung des BAMF aus.


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Trend: Organisierte Sexualstraftaten in Gruppen

  • „Taharrush gamea" bezeichnet sexualisierte Gewaltstraftaten wie gemeinschaftliche Vergewaltigungen von Frauen durch Männergruppen (auch mit Eigentumsdelikten) im öffentlichen Raum.
  • Das Bundeskriminalamt analysiert das in Deutschland neue Phänomen: In Ägypten und Algerien ist das Phänomen länger bekannt. Deutsche Vorfälle gab es nicht nur in NRW.
  • Vorgehen: Die Täter umringen ihre Opfer, trennen sie von männlichen Begleitern und belästigen sie sexuell.
  • Ursprung: Der erste bekannte Fall ereignete sich 2006 bei einer Filmpremiere in Kairo, als 100 Frauen von Männergruppen sexuell belästigt wurden. 2011 wurden im „Arabischen Frühling" Frauen bei Großdemos sexuell angegriffen.
  • Täter: Meist waren es 20- bis 40-jährige Männer. Laut Bundeskriminalamt blieben die Fälle größtenteils ohne strafrechtliche Verfolgung.
 Quelle: Redaktion Streife





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