31 Tage ohne Plastik: Gerade hatte meine Kollegin Serafia Johansson ihr Haarwaschproblem gelöst und dabei nebenbei ihr neues Lieblingspflegeprodukt entdeckt, als sich ihr jetzt ganz neue Schwierigkeiten in den Weg stellten. Einen Monat auf Plastik zu verzichten, kann das überhaupt gehen? Wie sie sich in der zweiten Woche geschlagen hat, das hören Sie jetzt in der dritten Folge.
Serafia Johansson (Bild: Frank Dullweber)
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Vergebt mir, ich habe gesündigt. „Guten Tag, Frau Johansson. Bitte nehmen Sie Platz". Ich habe Plastik konsumiert, ich war beim Zahnarzt. Der Stuhl auf dem ich sitze ist aus Plastik, das krakenartige Gerät, das bedrohlich über mir schwebt ist aus Plastik, die Schläuche, die einem in den Mund gesteckt werden sind aus Plastik und der Einwegbecher mit dessen Inhalt man sich anschließend den Mund ausspült, ist auch aus Plastik. Ich habe auch schon am Wochenende gesündigt. Ich war im Kino, ich habe nicht drauf geachtet, es war ein 3-D Film. Dabei mag ich 3-D gar nicht. Ich habe mich eine halbe Stunde mit dem unscharfen Bild gequält und dann doch die Brille aufgesetzt. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Es tut mir leid. Ich habe die Brille aber mitgenommen, damit ich sie jetzt immer wieder benutzen kann, vielleicht kann ich das so irgendwie retten, wenn ich sie jetzt bis an mein Lebensende benutze und dann weiter vererbe, an meine Kinder und Enkelkinder und deren Kinder und Enkelkinder und deren...
Aber dafür fahre ich kein Auto, kein Bus, kein Fahrrad. Alles Plastik nämlich. Das geht erstaunlich gut. Mehr sogar als das. Beim Gehen gewinne ich Zeit - zum Denken, zum Entspannen, zum Einatmen von frischer Luft.
Die Lebensmittel habe ich inzwischen souverän im Griff, man muss nur eben im Bioladen einkaufen, statt in großen Supermärkten, das ist teurer, aber dafür bekommt man ein gutes Gewissen dazu. Obst und Gemüse gibt es dort in Papiertüten, alles weitere im Glas, der Käse ist in Papier und Zellulose gewickelt.
Kleidung hingegen ist schwierig. Ich besitze genau zwei Pullover, die 100 Prozent aus Baumwolle sind und wo nicht noch Polyester, Nylon oder ähnliches verarbeitet ist. Ähnlich sieht es mit BHs aus. Die könnte man auch gleich verbrennen, aber die Plastikdämpfe sind sicherlich krebserregend. Baumwoll-T-Shirts hingegen habe ich en masse. Jeans sind auch kein Problem.
Ich bin wahrscheinlich an einem ähnlichen Punkt, wie Vegetarier, wenn sie merken, dass kein Fleisch zu essen nicht reicht und dass in Gummibärchen Gelatine drin ist und dass Leder auch aus Tier gemacht wird, von den ganzen Experimenten mit Tieren für Medikamente und Cremes mal abgesehen. Ich habe zumindest eine Klobrille aus Holz. Sowieso sollte viel mehr aus Holz gemacht werden. Das wächst nach und ist auch viel hübscher. Und selbst wenn man es verbrennt ist es immer noch schön.
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