Am Montag hat die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer gegen den Göttinger Leberchirurgen gehalten und 8 Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Die Höhe der Strafe hatte die Verteidigung sprachlos gemacht. Heute war es an ihr, die Dinge aus Sicht des Angeklagten darzustellen. Sie fordert jetzt einen Freispruch. Serafia Johansson über das Plädoyer der Verteidigung.
Über Leben und Tod zu entscheiden, ist eine Gewissensfrage, der sich Ärzte immer wieder stellen müssen. Dem Angeklagten nun vorzuwerfen, er habe aus Machtgeilheit, Geltungssucht und Geldgier den Tod von Patienten in Kauf genommen, ist nach Ansicht seiner Verteidigung, eine fixe Idee der Anklage. Acht Jahre zu fordern, da habe die Staatsanwaltschaft doch jegliche Bodenhaftung verloren.Es gibt Richtlinien, die vorgeben auf welchem Platz der Warteliste Patienten eingestuft werden. Ja. Aber Richtlinien seien keine Gesetze.
Einer der Vorwürfe, die dem angeklagten Transplantationschirurgen vorgeworfen wird, ist dass er Alkoholikern eine Leber verschafft habe. Alkoholiker aber müssen nach den Richtlinien vorerst sechs Monate trocken sein, bevor sie für eine Transplantation in Frage kommen. Das ist Diskriminierung, sagt die Verteidigung. Weder das Grundgesetz lasse das zu, noch hätten die Transplantationsgesetze Ausschlusskriterien vorgesehen. Die übliche Praxis jedoch sieht in Deutschland anders aus. Verteilungsgerechtigkeit hatte die Anklage das genannt. Verteilungsgerechtigkeit sei jedoch nur eine Illusion, entgegnete heute die Verteidigung. Statistiken und Prognosen, die die Grundlage für die Richtlinien zur Organvergabe sind, könne man, wie bei jeder Statistik, so oder eben so auslegen. Der Angeklagte habe sich schlichtweg nichts zu Schulden kommen lassen. Deswegen fordert sein Anwalt auch einen Freispruch.
Und dann ist da noch der Vorwurf Geldgier. Immerhin, so hatte die Anklage argumentiert, seien Bonuszahlungen für die Transplantationen vorgesehen gewesen. Elf von 14 Fällen hätten aber nach Ansicht der Verteidigung außerhalb der Bonusregelungsjahre gelegen. Das könne dann wohl kein Motiv gewesen sein und überhaupt, sei es Usus an deutschen Krankenhäusern, dass Bonuszahlungen geleistet werden. Das finde man standardmäßig in allen Verträgen an Krankenhäusern. Natürlich stellt sich die Frage, ob Fallzahlen das richtige Mittel sind, um die Vergütung von hochspezialisierten Medizinern zu regeln. Doch der Angeklagte sei in diesem Fall nur ein Teil des Systems und keineswegs verantwortlich für diese Praxis.
Es sind harte Worte, die die Verteidigung für die Staatsanwaltschaft übrig hat. Sie spricht von einer Perversion des Rechts, ein Zerrbild sei in dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft entworfen worden. Es gebe letztlich keine tragfähigen Beweise, die Gutachten seien falsch und haltlos, Halbwahrheiten seien angeführt worden, Ferndiagnosen mit unvollständigen Unterlagen, ohnehin sei es erschreckend, wie wenig sich die Staatsanwaltschaft in der Materie auskenne. Objektiv sei das nicht gewesen, vielmehr ein persönlicher Angriff auf den Angeklagten. Alles in allem „Popanz", sagt die Verteidigung.
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