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Corona-Alltags-Heldin: Tamara Gabel, 26, Apothekerin, stellt nun selbst Desinfektionsmittel her - DER SPIEGEL - Panorama

Heldinnen des Corona-Alltags Tamara Gabel, 26, Apothekerin, stellt nun selbst Desinfektionsmittel her

Das öffentliche Leben steht still, doch einige Menschen halten die Gesellschaft am Laufen. Hier kommen sie zu Wort.

Das Protokoll wurde aufgezeichnet von Sebastian Späth

Die fast 20.000 Apotheken in Deutschland sind durch die Coronakrise stark frequentiert, viele Menschen werden hier ihre Fragen los, die sie zu dem neuen Virus umtreibt, bitten die Experten um Rat. Die Apothekerinnen und Apotheker kämpfen derweil mit Lieferengpässen, nicht nur für Desinfektionsmittel und Mundschutz, sondern auch für bestimmte Arzneimittel.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnte vergangene Woche vor Fake News über Wunderwirkungen bestimmter Medikamente, die angeblich gegen Covid-19 helfen sollen.

Tamara Gabel, 26, ist Apothekerin in Neckarbischofsheim in Baden-Württemberg:

"Wir hatten uns schon Anfang Februar, wegen der Berichterstattung über das Coronavirus, auf einen verstärkten Bedarf nach Desinfektionsmittel, Mundschutz und FFP-Masken eingestellt. Aber ich hätte nie gedacht, wie groß die Belastung für uns Apotheker wirklich werden würde: An manchen Tagen haben wir etwa dreimal so viele Kunden wie vor der Coronakrise. Die Kunden legen sich Medikamentenvorräte an. Hauptsächlich an Vitamin-C-Tabletten und Paracetamol.

Normalerweise ist Ibuprofen das am häufigsten verkaufte Schmerzmittel. Aber es gab Berichte, dieses könne den Verlauf von Covid-19 verschlimmern, weil es blutverdünnend wirkt. Die WHO hat das mittlerweile widerrufen. Im Moment steigt auch die Nachfrage nach Vitamin D, weil wohl irgendjemand verbreitet, bei den Corona-Toten sei Vitamin-D-Mangel festgestellt worden. Manche Arzneien und Mittel wurden von unseren Großhändlern bereits rationiert, das heißt konkret, wir können davon immer nur eine gewisse Stückzahl bestellen. Weil wir seit Anfang März nicht mehr mit Desinfektionsmittel beliefert werden können, stellen wir das in der Apotheke jetzt selbst her. Nur sind die Rohstoffe dafür entweder knapp oder extrem überteuert. Einige Schnapsbrennereien stellen den Apotheken deshalb ihr Ethanol zu Verfügung.

Auch die Nachfrage nach unserem Medikamenten-Lieferservice ist stark gestiegen. Die Bestellungen übergeben wir an der Haustür in einem Schmetterlingsfangnetz, damit auch dort der empfohlene Mindestabstand eingehalten wird, man muss kreativ sein in Zeiten von Corona.

Von den Kunden bekommen wir meist sehr positives Feedback. Ich habe stärker als je zuvor das Gefühl, gebraucht zu werden und spüre aber auch, wie groß die Verantwortung ist, die man in meinem Beruf hat, zum Beispiel wenn Leute fragen, wie sie sich am besten verhalten sollen, damit sie sich nicht anstecken.

Früher habe ich dagegen öfter gehört, wir Apotheker seien bloß "bessere Verkäufer".

Natürlich gibt es auch ab und zu negative Erlebnisse: Neulich kam ein Mann in die Apotheke, der wollte was für seine Frau holen. Er gab an, sie leide unter Fieber, Niedergeschlagenheit und trockenem Husten. Ich empfahl ihm daraufhin, seine Frau solle sich besser auf Corona testen lassen. Da wurde er ausfallend und bezeichnete die Pandemie als Panikmache, mit der wir alle bloß Geld scheffeln wollen. Aber solche Situationen sind zum Glück die Ausnahme."

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