Sebastian Großert

Onlineredakteur, Erfurt | Weimar

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Wie das Thema Leitstelle die Kommunalpolitik an der Saale spaltet

Die Rettungsleitstelle der Berufsfeuerwehr in Jena.

Das Thema Rettungsleitstelle entwickelt sich zum Zankapfel zwischen den Kreisen Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla. Die Mehrheit im Kreistag von Saalfeld-Rudolstadt will sich nicht damit abfinden, dass der Saale-Orla-Kreis Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsätze ab Mitte 2020 von der Leitstelle in Gera koordinieren lassen will. Bisher erledigt die Saalfelder Leitstelle diese Aufgabe für den eigenen und den Nachbarkreis. Das Landratsamt Saale-Orla in Schleiz wiederum hat klargestellt, dass es von seinen Plänen nicht abrücken will. Kreistag folgt Landrat nicht


Saalfeld-Rudolstadts Landrat Marko Wolfram (SPD) sitzt zwischen den Stühlen: Er hält eine eigene Leitstelle seines Kreises ohne Saale-Orla für nicht finanzierbar. Deswegen sollte Saalfeld-Rudolstadt auf eine Leitstelle verzichten und die Aufgabe an die Leitstelle in Jena übertragen. Mit seiner Position hat sich Wolfram im eigenen Kreistag aber nicht durchsetzen können.


Saale-Orla-Kreis will "Prozess nicht rückgängig machen"


Aus Sicht des Landratsamts in Schleiz ist die Sache eindeutig: Der erste Beigeordnete Jürgen Hauck verweist auf den Beschluss des Saale-Orla-Kreistages vom Dezember 2018, dem Rettungszweckverband Ostthüringen beizutreten und einen Leitstellen-Vertrag mit der Stadt Gera zu schließen. Hauck sagte MDR THÜRINGEN am Freitag: "Ich denke, dass es keinen Schritt zurück gibt. Wir sind inzwischen dem Verband beigetreten. Die Datenabstimmung läuft, der Zeitplan ist aufgestellt. Es ist nicht gewollt, diesen Prozess rückgängig zu machen." Hauck sagt, sein Kreis sei weiter daran interessiert, den Leitstellen-Vertrag mit Saalfeld-Rudolstadt einvernehmlich zu beenden. Komme eine solche Einigung nicht zustande, werde der Saale-Orla-Kreis den Vertrag zu Mitte 2020 einseitig kündigen.


"21.000 Unterschriften sind für uns eine Verpflichtung"


Die Kreistagsmehrheit von Saalfeld-Rudolstadt will sich mit der Scheidungsabsicht des Saale-Orla-Kreises nicht abfinden: In der Sitzung am Dienstag trugen die Kreisräte ihrem Landrat Wolfram auf, noch einmal das Gespräch mit Saale-Orla zu suchen. CDU-Kreistagsmitglied Maik Kowalleck, der auch Landtagsabgeordneter ist, sagte dazu am Freitag: "Der Auftrag geht ganz klar an die Landkreisverwaltung, die Gespräche fortzuführen. Wir haben 21.000 Unterschriften für den Erhalt der eigenen Leitstelle gesammelt. Das ist für uns auch eine Verpflichtung. Wir setzen darauf, dass das Signal aus dem Saale-Orla-Kreis nicht das letzte Wort ist."


Zuschussbedarf der jeweiligen Varianten umstritten


Nach Ansicht von Werner Thomas, der ebenfalls für die CDU im Kreistag von Saalfeld-Rudolstadt sitzt, hat der Kreistag von Saale-Orla seine Entscheidung auf der Basis falscher Zahlen gefällt. Die Argumentation, der jährliche Zuschuss des Kreises für die Leitstelle in Gera wäre geringer als der für die Leitstelle von Saalfeld-Rudolstadt, sei eine "schlimme Irreführung". Das Gegenteil sei richtig.


Eine Behauptung, die wiederum vom Saale-Orla-Kreis bestritten wird. Beigeordneter Hauck verweist darauf, dass die Leitstelle in Gera in das Leitstellenkonzept des Thüringer Innenministeriums passt. Das Land hat vorgeschlagen, die Zahl der landesweit 13 Rettungsleitstellen auf sechs zu reduzieren. Gera und Jena sind zwei Standorte, die das Innenministerium für zukunftsfähig hält. Für notwendige Investitionen in die Leitstelle Gera winke daher eine 70-Prozent-Landesförderung. Eine eigene Leitstelle im Kreis Saalfeld-Rudolstadt sieht das Landeskonzept nicht vor - und damit auch keine Landesförderung von Investitionen.


Landrat Wolfram spricht von einer "sehr unbefriedigenden Situation". Es handele sich um eine wichtige Infrastruktur, die Frage müsse entschieden werden. Wolfram argumentiert, eine eigene Leitstelle käme Saalfeld-Rudolstadt sehr teuer, zumal die vorhandene Einsatzzentrale in Saalfeld dringend modernisiert werden müsse. Jena, warb Wolfram, habe ein faires Angebot gemacht: Auf dem Tisch liege ein Vertragsentwurf, wonach Saalfeld-Rudolstadt dafür pro Jahr ungefähr 400.000 Euro an Jena zahlen müsse. Dieser Entwurf sei aber inzwischen überholt, weil Jena zwischenzeitlich mit den Krankenkassen höhere Zuschüsse ausgehandelt habe. Es sei daher realistisch, dass Saalfeld-Rudolstadt für die Leitstelle in Jena jährlich nur 100.000 bis 200.000 Euro überweisen müsse.


Landrat an Kreistagsbeschluss gebunden


Doch Wolfram ist an den Beschluss seines eigenen Kreistages gebunden. Er muss jetzt nochmals das Gespräch mit dem Saale-Orla-Kreis führen, der dafür keinen Bedarf sieht. Und Wolfram muss einen Alleingang vorbereiten: Auf Geheiß des Kreistages muss der Landrat im Haushaltsentwurf für 2020 einen Posten für eine neue, eigene Leitstelle in Unterwellenborn vorsehen, die die Saalfelder Leitstelle ersetzen würde - und deren Aufbau Saalfeld-Rudolstadt ohne Landesförderung stemmen müsste.


Hintergrund: Was ist eine Rettungsleitstelle?

Eine Rettungsleitstelle nimmt 112-Notrufe entgegen und koordiniert die Einsätze der "Blaulichtorganisationen" Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Für die Rettungsleitstellen in Thüringen sind Kreise und kreisfreie Städte zuständig. Finanziert werden sie gemeinsam von den Kommunen und den Krankenkassen.


Zuletzt aktualisiert: 15. März 2019, 14:26 Uhr

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