Robert Schwaß

Journalist, Frankfurt (Oder)

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Artikel

Große Scharrnstraße in Frankfurt (Oder) - DDR-Architektur

Die mittelalterliche Innenstadt von Frankfurt (Oder) wurde im Zweiten Weltkrieg weitestgehend zerstört. So auch die Gebäude in der Großen Scharrnstraße mit ihren über 180 Läden, Gaststätten und Schneiderein. Ab den mittleren 1950er Jahren baute man das Stadtzentrum sozialistischer Bauweise entlang der neuen Hauptverkehrsachse, der „Magistrale" (Karl-Marx-Straße) wieder auf. Doch durch die augelockerte Bebauung verlor Frankfurt seinen urbanen Charakter. Abseits der Magistrale wurde die ehemalige Innenstadt größtenteils mit Wohnbauten ohne Geschäfte wieder aufgebaut. Ende der 1980er wurde die Innenstadt dann mit Plattenbauten verdichtet, die Große Scharrnstraße sollte als Flaniermeile im Stile der spätmodernen DDR-Architektur belebt werden.

Die Fertigstellung erfolgte pünktlich zu den 22. Arbeiterfestspielen, welche im Juni 1988 in Frankfurt stattfanden. Die Bezirksstadt wollte sich als guter und attraktiver Gastgeber präsentieren. Die Große Scharrnstraße sollte zum Verweilen einladen. Sie verband Teile der ehemaligen Altstadt: Rathaus und Marienkirche mit der Friedenskirche und der heutigen Konzerthalle. In die Fußgängerpassage zogen auch Geschäfte ein: Frankfurts erste Pizzeria oder das zu damaligen Zeiten sehr angesagte Cafe „Frankfurter Kranz".

Ein echter Anziehungspunkt blieb die Straße jedoch nur kurz. Nach der Wende verließen viele Einwohner Frankfurt und in der Großen Scharrnstraße schlossen viele Geschäfte. Vom ehemaligen Glanz zeugen noch die vielen Kunstwerke, welche die Fußgängerpassage oder die Hausfassaden der Großen Scharrnstraße zieren. Unter der Planung des damaligen Stadtarchitekten Manfred Vogler wurden zahlreiche Künstler zur Gestaltung beauftragt. Von Dora Kleemanns Aluminiumtafeln „Geschichte von Frankfurt Oder" bis hin zu Harald Schulzes Acrylgemälde „Boulevardpassagen" zeigen sich die Kunstwerke dabei sehr vielfältig und teilweise auch sozialkritisch. Einige befinden sich aufgrund von Witterung oder Vandalismus leider nicht mehr im besten Zustand.

Architektonisch bleibt die Große Scharrnstraße dennoch ein interessantes Beispiel für Nachverdichtungen der Innenstädte zu DDR-Zeiten. Immer wieder gab es in den letzten Jahren Initiativen, die sich für die Wiederbelebung einsetzen, beispielsweise Studenten der Europa-Universität Viadrina. Derzeit werden die Gebäude in der Großen Scharrnstraße denkmalgerecht saniert und bekommen so etwas vom Glanz vergangener Tage zurück.

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Text und Bilder: Robert Schwaß

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