Das Haus ohne Zukunft
Im zweiten Wiener Gemeindebezirk verfällt ein Wohnhaus. Die Barmherzigen Brüder hatten das ehemaliges Grandhotel vor Jahren gekauft, um ihr Krankenhaus zu erweitern. Die Altmieter würden den Weg freimachen, wollen aber eine finanzielle Entschädigung. Zwei wichtige Fragen scheinen nicht geklärt: Wie viel ist ein Zuhause wert? Und wie schützenswert ist ein Kulturdenkmal?
Von Außen sieht das Wohnhaus noch immer prächtig aus. Die Fassade des Gebäu- des erstrahlt im Habsburger- gelb. Zwischen den Stuckverzierungen unter den Fenstern thronen weibliche Steinskulpturen. Der Eingang ist ein schmaler, unauffäl- liger Korridor, eingezwängt zwischen zwei Geschäften. Er führt zur Haustür von Nummer 18. Vielleicht passt dieser Schlurf ganz gut zu dem vierstöckigen Altbau in der Wiener Taborstraße, das seit Jahren zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Tomka Lucic, 64 Jahre, wartet auf einer Treppe im halb ovalen Stiegenhaus, das durch seine Architektur an die vergange- nen glorreichen Zeiten erinnert. Jetzt bröckelt hier der Putz herunter. Die Wände sind mit roten Zahlen und Buchstaben beschmiert, die Auskunft darüber geben, welche Wand eine Tragende ist. Schwere Eisenstangen versperren fast jeden Woh- nungseingang. Nur der von Tomka Lucic ist notdürftig verschlossen. Die morsche Holztür wird mit neuen Scharnieren zusammengehalten, die nicht passen und deshalb einen Spalt zwischen Tür und Rahmen lassen. „Jetzt muss ich mich dar- um kümmern, dass es repariert wird. Das kann dauern“, sagt sie. Ihre Stimme hallt in den Gängen des Haus, das 1848 als erstes Grandhotel Wiens eröffnete.