An der Schnittstelle zwischen Philosophie, Kunst und Technologie operieren Monochrom und Shifz. Jedes Jahr veranstalten die künstlerischen Kollektive gemeinsam die Roboexotica - ein Festival für und mit Cocktails mixenden Robotern. Ein Index für die Integration von technologischer Innovation in unsere Lebenswelt will sie sein. Mit den unterschiedlichsten Zugängen und viel, sehr viel Alkohol. Schließlich wollen die Leute ja auch eine gute Party haben. Vom 18. bis zum 20. Dezember findet die Roboexotica bereits zum 18. Mal statt.
Johannes Grenzfurthner hat mit the Gap über Robomojis und die große Furcht vor der Technik gesprochen.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen Roboter als Bartender einzusetzen?
Losgegangen ist das ja 1999. Sowohl bei Shifz, als auch bei Monochrom sind sehr technofine Leute. Aber 1999 war das noch nicht so einfach, man konnte sich die digitale Landschaft heutzutage gar nicht vorstellen.Trotzdem gab es so eine Aufbruchstimmung, das Internet war schon einige Jahre da und langsam ist das an die Öffentlichkeit durchgesickert. Gleichzeitig dachten wir uns "Hey, seit 40 Jahren werden uns die wunderlichsten Sachen für die Jahrtausendwende versprochen." Wenn man sich so 50er, 60er-Jahre Zukunftsvorstellungen anschaut für die Wende, da gibt es Robots, fliegende Autos und sowas. Die Zukunft ist dann anders dahergekommen. Man hat sich nie gedacht, dass solche Dinge wie ein tragbares Telefon und vernetzte Computer alles revolutionieren würden. Aber das was man uns als Kinder versprochen hat, ist nie eingetreten. Und eine von diesen Vorstellungen waren eben Robots, die uns im Haushalt helfen, das Bier zum Fernseher bringen, sowas. Wir haben dann gesagt, wir hätten trotzdem gerne die Robots, die uns Drinks mixen. So ist dann die Roboexotica ausgerufen worden. Wir wollten Leute dazu bringen, über dieses Problem nachzudenken. Natürlich sind wir nicht Siemens oder Google, da geht es nicht um Effizienz. Es geht darum, dass man sich mit der einfachen und einleuchtenden Idee auseinander setzt und ganz unterschiedliche Ansätze entwickelt. Da gibt es besonders effiziente Roboter, besonders außergewöhnliche, oder solche, die interaktiv bedient werden müssen. Es ist selten vorgekommen, dass sich Ideen wiederholt haben. Auch nach 18 Jahren ist es schön zu sehen, dass es jährlich zwischen 10 und 20 Maschinen gibt und Leute, die aus der ganzen Welt kommen und sich an unser ironisches Problem heranwagen.
Was ist das Seltsamste, was auf der Roboexotica passiert ist?
Wir hatten einmal einen ganz wunderbaren crazy Russen, der hat einen Absinth Inhalator gebaut. Dieser hat Absinth in gasförmigen Zustand gebracht und dann konnte man das einatmen. Diese Maschine sah sehr 19.-Jahrhundert-mäßig aus, da war so eine Glasröhre eingebaut, in der ein Lammgehirn schwebte und wenn man daran gezogen hat, haben sich Luftblasen gebildet und es sah echt so aus, als würde man durch dieses Schafsgehirn inhalieren. Ich glaube aber, das war ein optischer Effekt.
Es gibt ganz unterschiedliche Ansätze, wir hatten auch öfter einen Roboter dabei, der 2000 Drinks in drei Tagen schafft, also sehr effizient ist. Dieses Jahr ist auch wieder der Robomoji mit dabei, das ist so eine riesige industrielle Maschine, das ist schwer und laut, man braucht auch einen Druckluftkompressor, um es zu betreiben. Also eigentlich furchteinflößend, macht aber einen sehr guten Mojito. Robert Martin, der Erfinder, ist glaube ich seit zehn Jahren dabei und baut daran immer weiter. Der Robomoji ist aber sehr ineffizient (lacht), der braucht für einen Mojito immer noch so fünf Minuten, dafür ist er sehr schön.
Manche Maschinen sind auch sehr spielerisch. Heuer werden wir auch wieder interaktive Sachen haben. Bei einem muss man so eine Worms-Adaption spielen. Die Leute ziehen da so ein Wurmkostüm an und spielen mit Fußcontrollern gegeneinander. Sie müssen rumwackeln und steuern so den Wurm am Computer. Man muss dann verschiedene Zutaten für den Cocktail sammeln. Und derjenige, der am Ende den längeren Wurm hat, der bekommt den Drink.
Viele Leute gehen in Bars, weil sie ein Kommunikationsbedürfnis haben. Das hört sich aber so an, als ob man mit den Robotern eine eigene Art von Kommunikation hat.
Absolut. Wir wollen auch den Barkeepern ihren Job nicht wegnehmen, wie gesagt, wir sind nicht auf Effizienz aus. Wir glauben, es gibt heutzutage viel zu viele wichtige und interessante Themen, aber niemand will drüber reden, weil es den Leuten einfach nicht schmackhaft gemacht wird. Die Leute glauben, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen und wissen alles. Menschen für etwas zu begeistern und zu interessieren ist ganz schwierig geworden. Aber mit so einer simplen Idee wie "Wir haben Robots und die servieren Alkohol", kriegt man auf einmal im Schnitt zwischen 1500 und 3000 Besucher.
Wir haben seit zwei Jahren einen kleineren Veranstaltungsort, dadurch wird's bisschen dichter. Das sind natürlich nicht alles Leute, die per se an Technik interessiert sind. Das sind Leute, die auf Parties gehen, sich unterhalten, die eine gute Zeit haben wollen. Die finden Robots natürlich auch cool, weil es ein popkulturelles Thema ist. Und die Leute saufen halt auch gerne. Und auf einmal hat man Menschen dort, die sich sonst überhaupt nicht für die ganzen technischen Aspekte interessieren.
Die Erfinder, die die Roboter gebaut haben sind natürlich auch dort, und da gibt es dann die schönsten Gespräche. „Wie hast du das gemacht?" und "Wie bist du auf die Idee gekommen?" Daraus entstehen die philosophischsten Gespräche, das ist ein angenehmer Nebeneffekt. Man muss Leute mit was hinlocken und dann hat man sie (lacht).
Viele Leute finden Roboter ja einfach unheimlich, Stichwort Uncanny Valley. Was hältst du denn von humanoiden Robotern?
Ja, da gibt es ja viel, monochrom veranstaltet ja auch ein anderes Festival in San Francisco. Wir haben beschlossen, dass wir das Sauf-Festival hier machen, in San Francisco geht es um Sextechnologie. Die Arse Elektronika ist mehr eine Konferenz, die Roboexotica ist ja eher eine Party. Im Bereich der Sextechnologie gibt es ja schon seit Ewigkeiten die Diskussion über humanoide Roboter. Prinzipiell ist es so, dass 99% aller Roboter, die es da draußen gibt, nicht humanoid sind. Jeder Bankomat, jeder Geldautomat ist ein Roboter mit einer spezifischen Funktion. Manche Ubahnsysteme funktionieren ohne Fahrer, das sind auch Roboter. Viele Leute haben da irgendeine Vorstellung, die wenigsten Roboter sind jedoch überhaupt auf Mensch-Maschine Kommunikation ausgerichtet.
Ein Hauptproblem bei den humanoiden Robotern war ja immer, dass die Materialien für Haut sich beispielsweise unecht anfühlen. Man merkt das und da haben die Leute natürlich Angst. Da kommt das biologische Vertrauen nicht ganz mit. Es sieht realistisch aus, aber man ahnt, da ist etwas falsch und deshalb hat man Furcht davor.
Die meisten Forscher, die an Androiden bauen, arbeiten gezielt an fast comic-haften Figuren, also das Robots jetzt so ausschauen wie der Gizmo in den Gremlins oder so, da geht man schon den anderen Weg. Es ist viel leichter für die Menschen etwas zu akzeptieren, was fast schon eine Art Spielzeug-Charakter hat. Das ist angenehmer. Etwas, das nicht wie ein Mensch aussieht. Außer im Bereich der Sextechologie, da muss es natürlich sehr realistisch sein, sonst nehmen die Leute es ja nicht an.
Ihr sagt in eurer Veranstaltung die Cocktailroboter wären eine gute Möglichkeit das ansteigende Vorkommen von radikalem Hedonismus in der Mensch-Maschine Kommunikation zu dokumentieren. Was meint ihr damit?
Es gibt diesen alten Witz aus den 80er-Jahren: Eine neue Technologie wird eingeführt und in unterschiedlichen Firmen in verschiedenen Ländern vorgestellt. Der Amerikaner sagt: Aha. Das ist ja großartig! Die neue Technologie können wir einsetzen für die Rüstungs- und Unterhaltungsindustrie. Die Japaner sagen: Ausgezeichnet, das Ding können wir noch effizienter und kleiner und billiger machen. Und der Deutsche schaut es sich an und sagt: Hilfe, Hilfe, es wird uns alle umbringen! (lacht). Es ist interessant, weil Deutschland ist eigentlich ein Hochtechnologieland, wenn man von VW und seinen Dieselproblemen absieht. Aber vor der Idee von Technologie gibt es so eine Furcht. In Österreich auch ein bisschen. Aber gerade in Deutschland sehe ich beispielsweise wie die meisten Leute sich gegen Google wehren und nicht wollen, dass ihre Häuser auf Google Street View gezeigt werden oder so. Da gibt es so einen ganz eigenartigen Stolz, sich gegen Technologie wehren zu müssen. Kann natürlich sein, dass das noch aus dem 2.Weltkrieg kommt, da gibt es auch Studien darüber. Aber unsere Herangehensweise ist, dass man Technologie als Lebenswelt darstellen muss. Es ist um uns herum. Wer immer eine Brille oder Kontaktlinsen trägt, hat Technologie an sich. Wir sind alle Cyborgs. Diese komische Vorstellung einer Barriere zwischen uns und der Technologie, die stimmt einfach nicht. Alle schimpfen darüber, dass jeder in sein Smartphone reinschaut – ja, das mag sein, aber das ist ja auch ein persönlicher Umgang, ich bau ja auch eine Beziehung zu diesen Dingen auf. Und diese Beziehung ist etwas Kommunikatives. Die Leute würden ja nicht in ihre Smartphones schauen, wenn sie sich nur mit sich selbst beschäftigen, die beschäftigen sich ja mit anderen durch ein Kommunikationsinterface.
Technologie ist immer Schnittstelle, hilft immer dabei etwas zu tun, egal ob das ein Hammer ist, mit dem man einen Nagel reinschlägt, oder ob man Tinder nutzt, wenn man daten gehen will oder so. Das ist ja im Wesentlichen das Gleiche, nur das Problem ist ein anderes. Und die Grundidee ein unterhaltsames, erfülltes Leben zu wollen, ist ja eine sehr hedonistische. Auch da kann Technik helfen. Technik und Hedonismus, Technik und sich wohlfühlen, das sind keine Gegensatzpaare. Sich von Robots Cocktails servieren zu lassen hilft quasi uns, weil wir Alkohol bekommen und es hilft auch den Robots als Ding ein bisschen sympathischer zu werden.
Steht die diesjährige Roboexotica unter einem bestimmten Motto?
Nein, wir haben eigentlich nie wirklich Mottos. Wir hatten schon zum Teil Konferenzen, zu denen wir Leute eingeladen haben, um Vorträge über bestimmte Themen zu halten. Wir dachten auch, dass wir die Roboexotica immer noch erweitern müssten. Letztendlich haben wir damit wieder aufgehört. Es hat sich schnell heraus gestelllt, dass die Leute wegen der Maschinen und der Party an sich kommen, und dass alles andere nur ein Beiwerk ist, das es eigentlich nicht braucht.
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