Sarah Stein

Head of Search Experience, SWR, Mainz

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Bistümer in der Region kritisieren "Weihnachten im Schuhkarton"

Die Hilfsaktion "Weihnachten im Schuhkarton" ist in die Kritik geraten. Das Bistum Mainz und andere Bistümer in der Region distanzieren sich von der Hilfsaktion. Die Deutsche Bischofskonferenz äußert sich öffentlich nicht klar.

Eine Barbie im Minirock wird in einen Schuhkarton gepackt, ein Spielzeug-Ferrari in einen anderen. In den dritten Karton kommt eine bunte Haarbürste. Die Schuhschachteln sind mit Geschenkpapier beklebt. "Weihnachten im Schuhkarton" ist eine Initiative von "Geschenke der Hoffnung e. V.". Dieser Verein ist ein christliches Missions- und Hilfswerk, das auf "die Weitergabe der Hoffnung des Evangeliums und die Unterstützung Bedürftiger" (Selbstauskunft des Vereins) zielt. Der SWR hatte bereits über die Aktion berichtet.

Die Aktion wird kontrovers diskutiert. Viele Diözesen haben sich von der Initiative distanziert, die zur Weihnachtszeit Päckchen mit Spielsachen und Hygieneartikeln aus unserem westlichen Kulturkreis zu Kinder in Not nach Osteuropa und Asien verschickt.

Dr. Eckhard Türk ist Beauftragter für Religion- und Weltanschauungsfragen des Bistums Mainz. Er sagt: "Die Kinder, die die Päckchen bekommen, leben teilweise auch in Ländern, in denen mehrheitlich oder fast ausschließlich Buddhisten, Hindus oder Muslime leben. Und da fragt man sich dann, was eine Barbie im Minirock oder ein roter Ferrari in völlig fremden Kulturen zu suchen haben." Und genau das sei das Problem, so der Theologe, der stellvertretend für das Bistum Mainz spricht und den Standpunkt der katholischen Kirche erklärt:

Bildung und medizinische Versorgung statt Barbie-Puppen

"Die Kinder dort brauchen keine kostenlosen Spielsachen, die Kinder brauchen was ganz anderes: Bildung und Zugang zu ärztlicher Versorgung." Er kritisiert, dass wir unsere westliche Wertvorstellungen transportieren, ohne wirklich zu wissen, an was es dort wirklich mangelt. "Man kann sich nicht anmaßen, in Kulturkreise, die vom Islam geprägt sind, mit Barbies in Miniröcken einzugreifen", sagt der Theologe.

Einfluss nehmen auf fremde Kulturen ist der eine Kritikpunkt. Zum anderen die wirtschaftliche Dimension. "Wenn ganze Regionen mit Spielsachen und Hygieneartikeln überschwemmt werden, wie Haarbürsten und Haarspangen, leidet die eh schon marode Wirtschaft, die diese Produkte auch vor Ort herstellt", erklärt Türk. Das sei nicht die Art von Entwicklungshilfe, die die katholische Kirche vertritt: nämlich Hilfe zur Selbsthilfe. Auf der Internetseite des Bistums Triers steht dazu:

""Weihnachten im Schuhkarton" leistet keine nachhaltige Entwicklungshilfe für Kinder in Not. Die Aktion bewirkt keine langfristige Verbesserung der Lebensbedingungen notleidender Kinder. Diese Aktion verbessert die Lebensbedingungen der Kinder in Not nicht; weder verändert sich die Ernährungssituation nachhaltig noch entwickeln sich die medizinische Versorgung, die Wohnverhältnisse oder die Möglichkeiten weiter, eine Schul- oder Berufsausbildung zu erhalten. Auch die Wirtschaft in den Empfängerländern profitiert nicht von der Aktion. Der weltweite Transport der Kartons über Tausende von Kilometern ist auch aus ökologischen Gründen problematisch."

Deutsche Bischofskonferenz äußert sich nicht klar

Auch die katholische Diözese Rottenburg-Stuttgart hat ihren Einrichtungen eine Mitwirkung verboten.

Die Deutsche Bischofskonferenz hingegen kann sich nicht dazu durchringen, zur Aktion öffentlich klar Stellung zu beziehen. Auf Anfrage des SWR teilte uns Matthias Kopp, Pressesprecher der deutschen Bischofskonferenz schriftlich mit: "Die Deutsche Bischofskonferenz empfiehlt die Aktion 'Weihnachten weltweit' unserer katholischen Hilfswerke. Eine Empfehlung für 'Weihnachten im Schuhkarton' sprechen wir nicht aus."

Geschenke der Hoffnung e.V. äußert sich zur Kritik

Von der Pressestelle des Vereins "Weihnachten im Schuhkarton" kam folgendes Statement zu der Kritik von Seiten der katholischen Kirche. "Die Erfahrung des gelebten christlichen Miteinanders in vielen Ländern, in denen christliche Gemeinden die Aktion 'Weihnachten im Schuhkarton' zu ihrer eigenen Aktion machen, steht im Gegensatz zu einer kirchlichen Anweisung, sich nicht an der Aktion zu beteiligen und erzeugt bei vielen Ehrenamtlichen - auch und gerade aus der römisch-katholischen Kirche - Unverständnis, gerade in einer kulturellen und gesellschaftlichen Situation, wo Kirche jeder Konfession darum bemüht ist, Glauben 'greifbar' und persönlich relevant zu vermitteln." Weiterhin wird vorgebracht, dass die Aktion auch von Kirchenvertretern unterstützt würde.

Gar nicht spenden ist auch keine Lösung

Eckhard Türk vom Bistum Mainz empfiehlt Spendenwilligen generell, Geld zu spenden. Damit könne die Wirtschaft in ärmeren Ländern angekurbelt werden. Türk weiß aber auch, dass vielen Menschen Geldspenden zu Weihnachten zu unpersönlich sind. Hierzlande verbindet man Geschenkepäckchen und Weihnachten mit strahlenden Kinderaugen.

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