Sarah Stein

Head of Search Experience, SWR, Mainz

1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

„Anti-Flag“ lockte die Massen an 1700 Jugendliche strömten zum Primsrock-Open-Air-Festival nach Primstal – Rekordzahlen erreicht

Von SARAH KERN 

Offensichtlich spricht sich die fetzige Musik und die ausgelassene Stimmung der Primsrock-Open-Air-Festivals herum. Nur so ist es zu erklären, dass die Besucherzahlen diesmal Rekordniveau erreichten. 

Primstal. Etwas ungeschickt zerrt der Junge eine zerknautschte Zigarettenschachtel aus der Hosentasche seiner verwaschenen Jeans. Es knistert, als er kurz und heftig daran zieht. Er wirkt wie James Dean, zart und zerbrechlich und zugleich so lässig. „Wir von Anti-Flag sind nicht gegen die Gesellschaft, wie man vielleicht meint, wenn man nur unseren Bandnamen hört“, sagt er. 

Anti-Flag, das ist der Headliner, eine von insgesamt acht Bands, die die Jugendlichen beim Primsrock-Festival auf dem Primstaler Waldsportplatz zu Begeisterungsstürmen hinriss. 

Chris kniet auf dem harten Kieselboden im Backstage-Bereich. Seine Finger gleiten langsam über die Saiten seines Basses, er bläst Zigarettenqualm in die Luft. „Wir wollen die Zuhörer mit unserer Musik aufrütteln und zeigen, dass es auch anders geht, ohne Krieg und ohne Gewalt auf dieser Welt.“ Sein Englisch klingt so untypisch amerikanisch wie auch die Parolen, die die amerikanische Band Anti-Flag in ihren Songs vertritt. „Die Politik von Präsident George Bush darf sich nicht in den Köpfen der Menschen festsetzen. Die will nur Konformität und Duckmäusertum“, schimpft er. 

Szenenwechsel. Krachend sausen die schmalen Holz-Sticks übers High-Head und die Bass-Drums. „Ist es nicht so, dass wir das, was wir sagen, nie wirklich so meinen?“, brüllt der schlaksige Junge mit den verwuschelten blonden Haaren ins Mikrofon. Harte Gitarrenriffs vermischen sich mit dumpfen Bass-Drum-Schlägen. Dann bellt der Sänger der Punkband „Six Reasons To Kill“ der Primsrock-Meute unverständliche Worte entgegen. Metal-Core eben. 

Bunt leuchtet die von der Sonne verbrannte Rasenfläche des Primstaler Waldsportplatz. Auf Wolldecken räkeln sich plaudernde Mädchen mit roten Haarreifen und knalligen Hello-Kitty-Plastiktaschen. Markus Gramlich, einer der Organisatoren des Primsrock-Festivals, düst in einem Affentempo über den Waldsportplatz. Ein Fotoapparat baumelt um den Hals, eine breitkrempige Leinenmütze schützt ihn vor der Sonne. „Wir können in diesem Jahr mehr als zufrieden sein, denn es sind bereits im Vorverkauf so viele Karten wie noch nie verkauft worden“, erklärt er Freude strahlend. Darauf kann er auch wirklich stolz sein. Denn mit 1700 Besuchern war das Primsrock-Festival in diesem Jahr so gut besucht wie noch nie. Die Fans kamen sogar aus Mannheim, Luxemburg und Belgien, viele haben ihre Zelte unweit des Waldsportplatzes aufgeschlagen. 

„Wir wollen mit unserer Musik zeigen wie verlogen die Welt doch eigentlich ist. Etwa, wenn man sich mit nett unterhält, der im nächsten Moment hinter Deinem Rücken über dich herzieht. Das ist doch verdammt verlogen“, empört sich Christian, Frontman der vierköpfigen Hardcore-Band „Six Reasons to kill“ und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche. „Sechs Gründe zu töten“, so die wörtliche Übersetzung des Bandnamens, „hat eigentlich jeder“, erklärt Christian Sinn und Unsinn des Bandnamens. 

„Erklären kann ich es nicht, aber wahrscheinlich sind es die Jungs von ‚Anti-Flag‘, die die Leute angelockt haben“, meint Edwin Rausch, Leiter des Nohfeldener Jugendbüros „Was geht?!“. 

Bald funklen auch die Sterne über der Bühne, bis gegen drei Uhr morgens auch der letzte Gast den Sportplatz verlässt.