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Keine Lust auf Sex - Das Querformat Magazin Ausgabe 05

Keine Lust auf Sex

Sowohl für den:die Partner:in als auch für einen selbst kann es frustrierend sein: „Ich habe gerade einfach keine Lust.". Passiert dies das ein oder andere Mal, ist das komplett normal - für manche Personen ist diese Unlust jedoch Dauerzustand. Die negativen Folgen sind zahlreich: Unverständnis vom Sexualpartner* oder der Sexualpartnerin*, der ständige innere Druck, dass es beim nächsten Mal wieder „zu funktionieren" habe und natürlich die eigene Angst vor der Frage: Was ist denn bei mir los?

Aus Scham und Angst vor mangelndem Verständnis wird über dieses Thema wenig gesprochen - doch wie immer führen Tabus nicht dazu, dass die Probleme verschwinden, sondern nur zu einer Verschlechterung. Mit der Sexualmedizinerin Miriam Mottl habe ich mich deshalb darüber unterhalten, was sonst oft nur unter vorgehaltener Hand thematisiert wird: Wie es kommen kann, dass wir keine Lust mehr empfinden und warum das nichts mit den jeweiligen Sexualpartner:innen zu tun haben muss.

Was ist sexuelle Unlust denn genau?

Sexuelle Unlust, in der Fachsprache sexuelle Appetenzstörung oder Hyposexualität, ist eine unwillentliche Reduktion der Libido - also des sogenannten Sex Drive eines Menschen. Während ein gewisses Maß an Unlust normal und sogar gesund ist, kann sie zu einem Dauerzustand werden - leidet die betroffene Person unter dieser Situation, spricht man von einer sexuellen Funktionsstörung. Auch unterscheidet man zwischen sexuellem Verlangen, das nicht an eine bestimmte Person gerichtet ist, und sexuellem Begehren, das die Lust darauf beschreibt, tatsächlich mit einer konkreten Person zu schlafen. Bei einer sexuellen Appetenzstörung ist Letzteres nicht mehr gegeben, wobei sexuelles Verlangen durchaus noch vorhanden sein kann. Was widersprüchlich klingen mag, macht die Unlust für Betroffene zu einer noch größeren Last.

© Christian Lue, unsplash.com Trotz gegenseitiger Anziehung keine Lust - warum?

Sexualität ist - abgesehen von asexuellen Personen - eines der menschlichen Grundbedürfnisse. Um besser zu verstehen, warum wir sie manchmal trotzdem nicht empfinden können, ist es wichtig zu wissen, wo sie entsteht - und zwar nicht in unseren Genitalien, sondern im Gehirn. Folglich sind es nicht die Sexualorgane, bei denen man bei der Problemfindung ansetzen muss. Man könnte sagen, Lust ist eine Kopfsache - und dort werden wir auch fündig, wenn wir nach den Ursachen der sexuellen Unlust suchen.

Mögliche Ursachen für sexuelle Unlust

Prinzipiell werden drei Arten von sexueller Unlust (Hyposexualität) unterschieden: Die hormonell bedingte, medikamentös bedingte und psychisch bedingte Hyposexualität. Auch körperliche Faktoren wie physische Müdigkeit oder etwa Harninkontinenz können eine Rolle spielen.

Wenn die Hormone verrückt spielen

Hormonelle Störungen können mit Problemen der Schilddrüse oder anderen hormonellen Umstellungen wie etwa der Menopause, in welcher der Spiegel an Sexualhormonen sinkt, einhergehen. Besonders der sinkende Testosteronspiegel sorgt dafür, dass das Lustempfinden abnimmt. Von Testosteronpräparaten ist in einem solchen Fall dringend abzuraten - ein Tipp von Miriam Mottl diesbezüglich: „Zwei- bis dreimal die Woche Kraftsport erhöht den Testosteronspiegel auf natürliche Weise und sorgt effektiver für eine Rückkehr des Lustempfindens." Übrigens: Dass die hormonelle Verhütung für Frauen* zu sexueller Unlust führt, ist bis heute noch nicht eindeutig wissenschaftlich bewiesen!

Psychische Probleme drängen sexuelles Begehren in den Hintergrund

Der häufigste psychische Einflussfaktor, der zu sexueller Unlust führen kann, ist Stress. Und dieser hat bekanntlich viele Gesichter: Ob von der Arbeit, aus der eigenen Beziehung kommend, oder aus anderen Gründen - „wichtig ist es, wieder Wege zu finden, sich selbst zur Ruhe kommen zu lassen und einen neuen Zugang zu dem zu finden, was den Stress ausgelöst hat", meint Miriam Mottl. Häufig sind die Gründe für ein verringertes Lustempfinden auch Unsicherheiten und das Gefühl, nicht begehrt zu werden. Hier ist es wichtig, sich eben diese Unsicherheiten oder Ängste einzugestehen und über sie zu sprechen - denn nur so kann man sie am Ende auch überwinden. Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden, sind zudem häufig gleichzeitig von einer sexuellen Appetenzstörung betroffen. Hier sind neben Depressionen und Angststörungen vor allem Essstörungen hervorzuheben, die bekanntlich auch mit einer gestörten Körperwahrnehmung einhergehen. Das verzerrte Selbstbild, das die Betroffenen haben, führt zu Komplexen, die eine sexuelle Befriedigung beinahe unmöglich machen.

Medikamente als „Lustdämpfer"

Vor allem Psychopharmaka führen häufig zu verringerter Libido, am häufigsten die sogenannten SSRI-Antidepressiva. Die Einnahme muss keineswegs bedeuten, dass man sich zwischen Depressionen und Sex zu entscheiden hat. Es gibt verschiedene Präparate, die bei jedem Menschen unterschiedlich wirken können. Das richtige zu finden, braucht oft Zeit. Doch es ist definitiv möglich, auch während der Einnahme von Antidepressiva ein erfülltes Sexualleben zu führen.

© Mahrael Boutros, unsplash.com Wie sieht es bei Transmännern und Transfrauen aus?

Nach der Hormontherapie bei Transmännern und Transfrauen kann es ebenso wie bei anderen hormonellen Umschwüngen für einige Zeit zu sexueller Unlust kommen. Vor allem Transfrauen erleben dies häufig bis zu sechs Monate ab Beginn der Therapie. Dies darf jedoch kein Grund zur Resignation sein, denn die Lust stellt sich danach Schritt für Schritt wieder ein. Bei Transmännern äußert sich das sexuelle Verlangen in den ersten Wochen und Monaten gelegentlich durch ein Aggressionsgefühl. Auch dieses schwindet und macht dem gesunden Lustempfinden Platz - meistens sogar stärker als vor Beginn der Hormontherapie!

Was also tun, wenn die Lust fehlt?

Zuallererst ist es wichtig, sich selbst nicht unter Druck zu setzen und sich stressbefreit mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Gründe hinter der eigenen Unlust stecken könnten. In einer Beziehung kann es für den:die Partner:in wichtig sein zu hören, dass der Grund nicht bei ihm;ihr liegt. Auf alle Fälle ist sexuelle Unlust kein Grund zur Verzweiflung oder für Schuldgefühle. Im Gegenteil kann sie eine Chance darstellen, sich selbst besser kennenzulernen, mehr auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu achten und sich mit mehr Respekt zu begegnen.

Titelbild: Symbolbild | © Annie Spratt, unsplash.com
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