Breckerfeld. Denise Reumschüssel aus Altenbreckerfeld reitet im klassisch-barocken Stil. Ausbildung der Pferde soll den Tieren zu einem langen Leben verhelfen.
Es erinnert etwas an Bilder aus vergangenen Jahrhunderten, wenn Denise Reumschüssel mit ihrem Pferd durch die lichtdurchflutete Reithalle trabt. Nicht etwa, weil das Reiten aus der Mode gekommen ist. Vielmehr weil die Kleidung, die die 33-Jährige trägt, nicht üblich ist für eine Reiterin, wie man sie auf einem Hof bei Altenbreckerfeld vermuten würde. Die Barockjacke sitzt perfekt, die Feder an ihrem Dreispitz wippt zum Takt der Reitschritte. Mit „Hoppe, hoppe Reiter“ hat das nicht mehr viel zu tun.
Denise Reumschüssel ist Reiterin im klassisch-barocken Stil, einem Stil, der diese Bilder vergangener Jahrhunderte bewusst in Erinnerung rufen soll. „Manche Menschen können nicht ohne Handy. Ich kann nicht ohne Pferde in meiner Nähe", sagt sie, während sie elegant durch die Halle trabt. Als sie die Spanische Hofreitschule als junges Mädchen im Fernsehen sah, stand für sie fest: „Ich werd' Reiterin". Sechs Jahre verbrachte sie am Hof von Richard Hinrichs in Hannover, einem der bekanntesten Vertreter der klassischen Reitkunst in Deutschland. Im vergangenen Oktober ließ sie sich dann auf einem Hof in Altenbreckerfeld nieder.
Der Unterschied zur Sportreiterei ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Die unübliche Kleidung ist nicht das einzige, was den klassisch-barocken Reitstil auszeichnet. „Die Ausbildung in der klassisch-barocken Reiterei soll das Pferd mit seinen individuellen Stärken fördern. Wir sehen das Tier nicht als Sportgerät an", sagt Denise Reumschüssel. Das höchste Ziel sei, das Tier bestmöglich auszubilden: „Ab dem Zeitpunkt, an dem wir die Pferde einstallen, sind sie uns ausgeliefert. Deshalb sind wir Reiter dazu verpflichtet, ihnen mit einer guten Ausbildung zu einem langen Leben zu verhelfen." Dazu gehört auch, dass nicht geritten wird, wenn Pferd oder Reiter keine Lust dazu haben, „denn das Reiten bringt mit sich, dass man geistig klar sein muss".
Ein klarer Geist ist bei beiden zu erkennen. Es sieht nach Vergnügen aus, aber was Denise Reumschüssel und Alecrim de Homero, ein 12-jähriger Lusitano, tun, ist Arbeit. Sie sind ein eingespieltes Team. Doch Talent fällt auch in der Reiterei nicht vom Himmel. Fünf bis acht Jahre dauert es, um ein Pferd bis zur „Hohen Schule", der Pferdedressur im höchsten Schwierigkeitsgrad, auszubilden. Gutes braucht seine Zeit. Die Barockzeit selbst markierte einen Wendepunkt für die Reiterei. Pferde mussten nicht mehr als Kriegsmittel eingesetzt werden, Reiterei war Kunst. Die Ausbildung der Pferde, die im klassisch-barocken Stil im Mittelpunkt steht, geht zurück auf Francois Robinchon de la Guérinière. Der Reitmeister am Hof des französischen Königs Ludwig XV. hat die Grundlagen für die klassische Reitkunst geschaffen. In seinem 1733 erschienenen Buch „Ecole de Cavalerie" beschrieb er als Erster die systematische, gewaltfreie und individuelle Ausbildung des Pferdes. Auch Reitersitz und Pritschensattel, wie sie noch heute Verwendung finden, gehen auf den Hofmeister zurück. Heute sind es Reiter wie Denise Reumschüssel, die die altehrwürdigen Lehren weitervermitteln. Neben zwei eigenen und sieben weiteren Pferden bildet sie 20 Reitschüler aus - hauptberuflich.
Zurück in die Reithalle: Für das Auge eines Laien gelingen Alecrim de Homero die Piaffe und die Traverse - zwei Übungen der klassischen Reitkunst, die man als Gelegenheitsfan aus dem TV kennt - ohne Probleme. Sein Fell ist auf Hochglanz gebürstet, die Haare am Scheitel geflochten. Ab und zu macht der Lusitano Fehler, „aber das darf er, wir üben ja noch", sagt Reumschüssel. Doch ganz so locker wie seine Reiterin sieht es das Pferd augenscheinlich nicht: „Er macht nicht gerne Fehler." Wenn er einen macht, dann bleibt er stehen und senkt den Kopf. Wie ein kleines Kind, bedröppelt von einer Niederlage. Positiver Zuspruch hilft, um den Lusitano wieder in Bewegung zu bringen. Es braucht eben ein bisschen Zeit bis zur Hohen Schule, wo Alecrim eben noch nicht angekommen ist, „aber die Geduld hat man. Das Schöne ist ja auch das Miteinander", sagt die Reiterin. Ihr Lusitano sieht das bestimmt nicht anders. Die beiden traben auf einem guten Weg.
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