Senioren-Tanzweltmeister: Nach 30 Jahren in den Olymp aufgestiegen
Gert Faustmann und Alexandra
Kley dominieren die Senioren III Standard bei der WM in Rotterdam
Es ist vollbracht: In ihrem ersten Senioren-III-Jahr haben Gert Faustmann und Alexandra Kley sich bei den Holland Masters in Rotterdam endlich die lang ersehnte WM-Krone aufgesetzt. Die Tanzspiegel-Redaktion hat die beiden auf der letzten Etappe ihres im Jahr 2003 eingeschlagenen Wegs an die Weltspitze begleitet und dabei nicht nur tiefe emotionale Einblicke erhalten, sondern auch den rührenden Zusammenhalt der deutschen Tanzsportfamilie in der niederländischen Hafenstadt festgehalten.
Donnerstag, 21 Uhr, ein Hotelzimmer mitten in Rotterdam
Ein gelbes Standardkleid liegt ausgebreitet auf dem Hotelbett, damit sich auch die letzten Knautschfalten, die sich während der langen Autofahrt von Berlin hierher gebildet haben, glätten. Auf dem Bügel an der Schranktür hängt ein zweites – ein Traum in Schwarz und Rot – und glitzert fröhlich vor sich hin. Auf dem Boden kullert ein kleiner Massageball für die Füße hin und her, während auf dem Koffer in der rechten Zimmerecke ein Päckchen Schokolade bereitliegt. Für morgen, wenn Gert Faustmann und Alexandra Kley bei der Weltmeisterschaft der Senioren III Standard nach dem Titel greifen wollen.
„Auch nach fast zwanzig Jahren im Tanzsportgeschäft bin ich immer noch nervös vor großen Turnieren. Und es wird nicht besser“,
gibt Alexandra Kley schmunzelnd zu. Gerade erst ist sie von ihrem Termin bei einer Stylistin zurückgekehrt, die ein wahres Kunstwerk in das Haar der Berlinerin gezaubert hat. Kleine silberne Strasskugeln stecken in den aufwendig hochgesteckten Locken und blitzen und funkeln bei jeder Bewegung. Alles soll perfekt sein, wenn das Turnier in gut elf Stunden beginnt.
Die Favoriten-Jagd beginnt
Sechsmal stand das Berliner Spitzenpaar in den vergangenen
acht Jahren schon auf dem WM-Parkett, damals allerdings bei den Senioren II.
Fünfmal sicherten sich Gert und Sascha, wie die beiden von ihren Fans und
Freunden genannt werden, einen Platz im Finale und nahmen bislang zwei Silber-
und eine Bronzemedaille mit nach Hause. 2021 hätte es fast schon einmal für
Gold gereicht, nur ganz knapp hatten sie sich am Ende Gatis Simsons und Julija
Simsone aus Lettland geschlagen geben müssen. Nach ihrem Wechsel in die
nächsthöhere Altersgruppe Anfang dieses Jahres soll es morgen endlich klappen
mit dem Platz ganz oben auf dem Siegertreppchen.
„Viele haben uns im Vorfeld gesagt, dass es jetzt bei den Senioren III schon funktionieren wird“,
erzählt
Gert Faustmann.
„Aber es sind ja viele gute Paare mit uns gewechselt.“
So auch
Slawek Lukawczyk und seine Partnerin Janine-Nicole Desai. Die direkte
Konkurrenz aus England war bei den letzten Begegnungen auf dem Parkett, beispielsweise
bei einem der beiden Stuttgarter GOC-Turniere oder bei der Wuppertaler
danceComp, immer an dem Berliner Paar vorbeigezogen. Morgen sind sie die absoluten
Top-Favoriten. Faustmann/Kley brennen darauf, sie in ihre Schranke zu weisen.
„Auf dem Parkett kämpfen wir mit harten Bandagen“,
kündigt Gert Faustmann an. Neben der Fläche herrscht hingegen Frieden zwischen den Kontrahenten.
Damit das Unterfangen gelingen kann, haben die beiden in den
letzten Wochen und Monaten hart an sich gearbeitet.
„Wir waren schon immer sportlich, wir sind ja auch ein kleines Paar“,
sagt Alexandra Kley.
„Aber wir hatten oft das Problem, dass wir nicht künstlerisch genug waren.“
Auf diesen
Aspekt hätten sie sich während der WM-Vorbereitung besonders konzentriert.
„Unser Ziel ist es immer, die Musik gut zu vertanzen“,
ergänzt Gert Faustmann.
„Es liegt so viel Potential darin, wenn man mit der Musik tanzt und die verschiedenen Details mit unterschiedlichen Bewegungen füllt. Uns geht es nicht um das Höher, Schneller, Weiter. Das Tanzen soll sich leicht und weich anfühlen, ohne Spannung. All das gelingt uns immer besser.“
Was die beiden
morgen unter Beweis stellen wollen.
Ganzer Bericht im "Tanzspiegel"-Magazin (Ausgabe 12/2022).