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Interview

Marco Baaden: Das sagt der Breaking-Bundestrainer zu den DM-Ergebnissen

Marco, als Bundestrainer hast du die B-Boys und B-Girls bei der German Breaking Championship ganz genau unter die Lupe genommen. Was sagst du zur allgemeinen Leistung?

Insbesondere die Jungs und Mädels aus dem Bundeskader haben im vergangenen Jahr eine Wahnsinns-Entwicklung hingelegt. Bei den Kadermaßnahmen haben mein Team und ich gemeinsam mit den Tänzer*innen geschaut, wo die Defizite liegen und was es noch braucht, um im Hinblick auf die olympischen Spiele einen Deckel auf die jeweiligen Leistungen zu machen. Ich bin schon ein bisschen stolz drauf, was wir trotz Corona und allein durch die Lehrgänge erreicht haben. Aber bei der DM hat sich auch gezeigt, dass insbesondere bei den Mädels viele junge Leute nachkommen, die mutig sind und angreifen – und auch in der Lage sind, jemand anderem den Platz im Kader abzunehmen.

Bei den B-Boys hat Dennis Dressel aka „Double D“ zum dritten Mal den DM-Titel abgeräumt. Was zeichnet ihn aus?

Er hatte einen schweren Start in die Saison, unter anderem aufgrund der fehlenden Trainingsmöglichkeiten wegen der Corona-Pandemie. Ein wenig gutes Zureden hat ihm dabei geholfen, dass er bei der DM die Bombe platzen lassen konnte. Er ist unglaublich kreativ und zeigt sehr spezielle Moves. Viele seiner Bewegungsarten sind abstrakt und selbst kreiert.

Die Silber- und die Bronzemedaille haben mit Bao Chau aka „Chau-Lin“ und Mario Eckel aka „M17“ neue Besitzer gefunden. Wo liegen die Stärken dieser beiden?

Chau verfügt über viel Erfahrung und mentale Stärke. Beim Breaking macht Nervosität eine Menge aus, da unsere Bewegungsarten auch ganz schnell außer Kontrolle geraten können, beispielsweise, wenn jemand die Achse verliert. Wir nennen das crashen. Chau weiß, wie er auch auf einer großen Bühne fokussiert bleibt. Mario hat sich von allen Jungs im vergangenen Jahr am meisten gesteigert. Er war vor kurzem noch im Ausland unterwegs und hat von dort ein unfassbares Bewegungsrepertoire mitgebracht. Er kann seine Moves gut verbinden und sich auch wenn er crasht in neue Bewegungsabläufe retten, so dass es der Jury nicht unbedingt auffällt, dass etwas schief gegangen ist. Unterm Strich kann man sagen, dass auf den ersten drei Plätzen die Leute stehen, die dort auch hingehören.

Bei den B-Girls musste Vorjahressiegerin „Jilou“ verletzungsbedingt auf ihren Start verzichten. Die DM-Krone ging nach 2019 zum zweiten Mal an Pauline Nettesheim aka „Pauline“. Wo liegen ihre speziellen Vorzüge?

„Pauline“ ist eine echte Powerfrau und sehr hungrig. Ihre große Stärke ist tatsächlich ihre Stärke. Sie hat verstanden, dass sie ab und an auch mal Abstand vom Breaking nehmen und sich selbst reflektieren muss. Dadurch setzt sie sich selbst nicht unter Druck, sie geht einfach raus und macht ihr Ding. Und genau das strahlt sie auch aus. Ihre Skills sind genauso beeindruckend: Sie zeigt Sachen, die selbst die Jungs kaum können.

Auch bei den Mädels sind die Plätze zwei und drei neu besetzt. Hier positionierten sich die Zwillinge Naomi und Joelle Karfich aka „Naomi“ und „JoJo“. Wodurch bestechen die Performances dieser beiden Tänzer*innen?

Die beiden sind sich ähnlich, zum einen, weil sie Geschwister sind, zum anderen, weil sie auch zusammen trainieren. Natürlich haben sie unterschiedliche Moves, aber ihre Ausstrahlung ist gleich. Beide sind echt funky und haben das Talent, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wenn sie oben stehen und grinsen, gibt es keinen im Raum, der nicht mitgrinst. Zudem haben sie ein Wahnsinnsgefühl für Musik. Natürlich pushen die beiden sich gegenseitig, bei ihnen geht Geschwisterliebe über alles.

Nachdem die Ranking Battles in Köln und Fürth sowie die DM in Dessau nun über die Bühne gegangen sind, ist die Qualifikationsphase abgeschlossen und die Besetzung des neuen Bundeskaders steht fest. Worauf möchtest du in den kommenden Monaten den Schwerpunkt legen?

Wir werden uns zum einen darauf konzentrieren, neue Skills aufzubauen und die Tänzer*innen körperlich fit zu machen. Das Hauptaugenmerk wird aber auf der mentalen Stärke liegen. Die Jungs und Mädels im Bundeskader stehen unter ziemlichem Druck, weil sie den Ansprüchen gerecht werden wollen und abliefern müssen. Hier würde ich mir wünschen, dass sie sich von den äußeren Zwängen und Erwartungshaltungen etwas besser loslösen können als sie es momentan tun.

Das Interview führte Sandra Schumacher


Interview aus dem "Tanzspiegel"-Magazin (Ausgabe 6/2022)