Wie wäre es eigentlich, eine Stadt nur virtuell zu erkunden? Vor dem Rechner zu sitzen und sich zu fragen, wie es hier und dort wohl aussieht? Seit 2007 bietet Google mit seinem Zusatzdienst „Google Street View" eine virtuelle Straßenansicht an. Hier kann sich jeder durch eine x-beliebige Stadt führen lassen, um sich so zum Beispiel einen Eindruck zu verschaffen, wie es wohl auf der Königsallee in Düsseldorf aussieht. Bei „Google Street View" stehen dabei die Straßen und Häuserfassaden im Vordergrund.
Stadtbesuch vom SofaIn Berlin spezialisiert sich eine Agentur auf eine neue virtuelle Stadtansicht. Das Protal durchdiestadt.de bietet seinen Usern zum Beispiel eine virtuelle Stadtführung durch die Hauptstadt, wobei es hier nicht darum geht, durch Straßen zu laufen wie bei Goolge Street View, sondern vielmehr darum, sich Gebäude von innen anzusehen. Geschäftsführer Marco Zuch will mit seinem Portal die Bilder und das Gefühl, das man vor Ort bekommt, virtuell vermitteln: „Die Bilder werden von professionellen Fotografen gemacht, die nicht einfach mit einem Wagen durch die Gegend fahren, sondern wir legen viel Wert auf die Ästhetik der Bilder." Somit sind die Auflösung und die Qualität der Fotos besser als bei Google Street View und die Bilder dadurch detailgenauer. Es wäre also möglich, eine Stadt virtuell zu besuchen, sogar in Geschäfte hineinzugehen und sich das Ambiente anzusehen. Da geht bei vielen, die das Fernweh plagt, ein Traum in Erfüllung, denn auch finanziell ist das ein großer Vorteil. Man könnte also vom Rechner zu Hause seine Lieblingsstadt anklicken und sich dort durch die Geschäfte treiben lassen. Ein Zukunftstrend, den auch schon öffentliche Gebäude wie das Schloss Bellevue und einige Museen in Europa für sich entdeckt haben. Der Louvre in Paris und auch das Folkwang-Museum in Essen lassen sich bereits virtuell besuchen. Aber das gibt es noch nicht für jede Stadt. In Köln gibt es bisher noch keine Möglichkeit, sich virtuell durch die Stadt oder einzelne Gebäude führen zu lassen. Marco Zuch arbeitet mit seiner Agentur auf Hochtouren daran, immer mehr Städte in sein Portal aufzunehmen, doch dies ist sehr aufwendig und kostet viel Geld. „Wir arbeiten momentan in einem Team von acht Mitarbeitern. Aber wenn es keine Unterstützung von der Stadt selbst gibt, ist die Umsetzung sehr schwer." Nicht nur rechtliche Fragen stünden dabei oft im Weg. „Personen müssen unkenntlich gemacht werden und Nummernschilder geschwärzt werden, damit das Foto auch fürs Netz verwendet werden darf."
Kultur virtuell zugänglich machenDas Museum Ludwig in Köln ist auch überregional sehr bekannt, bietet aber bisher keinen virtuellen Zugang. „Unsere Kunst ist zeitgenössisch und dies bedeutet, dass wir fast nur mit noch lebenden Künstlern arbeiten oder Werke beherbergen, deren Urheber noch nicht bzw. noch nicht länger als 70 Jahre tot sind, weshalb die Urheberrechte noch nicht erloschen sind. Eine virtuelle Darstellung der Sammlung wäre deshalb mit hohen Kosten und einem enorm großen logistischen Aufwand verbunden", erläutert Leonie Pfennig, Pressesprecherin des Museums. Abgeneigt ist das Museum nicht, aber es fehlten bisher die Zeit und das Geld für eine Umsetzung.
Der Dom als Vorreiter in der virtuellen StadtDas Wahrzeichen der Stadt, der Kölner Dom, bietet seit Juni 2012 einen virtuellen Rundgang an. Der 3D-Panorama-Künstler Torsten Hemke hat vor drei Jahren die Zusage bekommen, den Dom in seiner ganzen Pracht virtuell darstellen zu dürfen. Dafür verwendete Hemke eine 360-Grad-Panorama-Ansicht, die sehr detailgenau ist. Vom gotischen Bischofsstab bis zum Schmuck aus dem fränkischen Frauengrab, all das kann sich der User ganz genau und hautnah anschauen. Ein Jahr hat Hemke in der Kathedrale fotografiert. Dabei sieht er seine Arbeit nicht als reine Dienstleistung an, „vielmehr sehe ich die 3D-Panoramen und deren Integration in einem 3D-Rundgang als künstlerisches Ausdrucksmittel." Gerade bei seinen Umsetzungen steht der Projektpartner mit seinen Wünschen und Anforderungen immer im Mittelpunkt, nur so kann er die besten und spektakulärsten Ergebnisse erzielen. Und das erforderte Geduld. Acht Jahre hat es gedauert, bis Hemke den Bundespräsidenten im Schloss Bellevue besuchen durfte, aber das Warten hat sich gelohnt. Neben dem Kölner Dom und dem Schloss Bellevue hat Hemke bereits 13 Objekte mit seiner 3D-Kunst virtualisiert und somit jedermann einen Zugang verschafft.
Hemke träumt aber auch noch von einem anderen Projekt, eine Stadt per App zu erkundschaften und sich nicht nur mit Hilfe von virtuellen Karten durch eine Stadt führen zu lassen. Völlig autonom ohne Stadtführungen eine unbekannte Stadt zu erkunden, das kann man bisher nur in Ansätzen. Mit Hilfe von QR-Codes kann man sich bereits über einige Gebäude Informationen einholen, aber bislang kann all das noch keine persönliche Stadtführung ersetzten.
Sabine Bresser