Als der grüne Bundesrat Efgani Dönmez im Vorfeld der Wiener Pro-Erdogan-Demo den AKP-Sympathisanten die Heimreise nahelegte, goss er viel Öl ins Feuer. Denn mit den Gezipark-Protesten und den Solidaritätskundgebungen in europäischen Großstädten wurden auch die AKP-nahen Kreise und Organisationen aktiv. Während in Deutschland Pro-Erdogan-Demonstrationen etwa direkt von der UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten) organisiert worden waren, entschied sich die hiesige UETD-Stelle in Wien und auch der konservative Wiener Unternehmerverband mit Hauptsitz in Ankara MÜSIAD für die indirekte Unterstützung. Ein junger Austro-Türke namens Fatih Köse und seine "New Vienna Turks" durften daher als die "Organisatoren" der Demo herhalten.
Doch unabhängig davon zeigten die Pro- und Anti-Erdogan Demonstrationen den anhaltenden Konflikt innerhalb der türkischen Community klar auf. Die Konfliktlinien aus der alten Heimat, leben in unterschiedlicher Form weiter. So haben die wertkonservativen und eher verbandsorientierten Türken und türkischen Kurden die Politik für sich (neu-)entdeckt und haben mit der Kandidatur des Milli Görüs-nahen SPÖ-Kandidaten Resul Ekrem Gönültas wie auch der Kandidatur des AKP-affinen ÖVP-Kandidaten Hasan Vural zwei "Schwergewichte" im Rennen um den Nationalrat.
So ist etwa auch die Kandidatur Hasan Vurals für die ÖVP in einem besonderen Licht zu sehen. Der kurdischstämmige Vural ist der ehemalige Intimus des im Augenblick inhaftierten UETD-Vizechefs Sami Akpinar, der in seiner Zeit als ethnischer Beauftragter der WKO intensive Kontakte zur ÖVP pflegte und ein Naheverhältnis zu Josef Pröll hatte. Daher ist die Kandidatur Vurals auch als Versuch zu werten, AKP-nahe Kreise und Wählerströme an die ÖVP zu binden.
Das Dilemma eher wertkonservativ orientierte Migranten an sich zu binden, zeigt die Kandidatur des Milli Görüs-nahen SPÖ Kandidaten Gönültas auf. Die SPÖ hatte in den letzten Wiener Gemeinderatswahlen mit Gülsüm Namaldi den Spagat gewagt, doch Namaldi trotz vieler Vorzugsstimmen nicht vorgereiht. Diesmal versucht man es mit Gönültas, der schlecht gereiht, auf die Vorzugstimmen konservativer Austro-Türken setzt. Doch die SPÖ setzt ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, wenn Gönültas am Ende so wie Namaldi lediglich Stimmen lukrieren durfte.
Währenddessen setzte der ÖVP-Kandidat Vural ganz auf die konservative Karte, als er zu seiner Wahlkampfveranstaltung am vergangenen Sonntag geladen hatte. Im Beisein des ÖVP-Landesparteiobmanns Juraczka sprach Vural von Kondom-Verteilaktionen der Grünen, die er verurteilte. Er warnte außerdem von der drohenden Abschaffung des verpflichtenden Religionsunterrichtes durch die SPÖ und belächelte die "Nervosität der SPÖ", weil die Muslime sie angeblich durchschaut hätten. (Rusen Timur Aksak, 21.9.2013, daStandard.at)