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Politisierter Ramadan

Im September ist Nationalratswahl und die beiden Großparteien haben die muslimischen Migrantenstimmen im Visier. Dadurch gerät auch der Ramadan und die traditionellen Iftar-Essen ins Blickfeld die Realpolitik

"Tief verletzt" fühlte sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) Fuat Sanac kurz nachdem die Polizei, die ins Servitenkloster umgesiedelten "Refugees" in Schubhaft genommen hatte. In der Aussendung forderte er mehr "Menschlichkeit" von den Behörden und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, es könnte eine Lösung ohne Abschiebung geben. Doch die Abschiebung war nach den negativen Asylbescheiden beschlossene Sache.

Die IGGIÖ war bis dato kaum in der Asyldebatte als Wortführer aufgefallen. Der Grund, warum es dieses Mal anders war, kann mit dem religiösen Bekenntnis der Pakistanis und ihrem Fasten im islamischen Monat Ramadan erklärt werden. Für diese spontane Form der Solidarität innerhalb der aktiven Basis der Glaubensgemeinschaft konnte auch der Präsident Sanac schnell gewonnen werden. Anfang August istein Solidaritäts-Iftar-Essen der IGGIÖ geplant. Wie viele der pakistanischen Flüchtlinge dieses Iftar-Essen besuchen werden können, ist allerdings ungewiss.

Differenzen um Solidarität mit Flüchtlingen

Doch nicht alle Muslime sehen diesen Solidaritätsakt mit den pakistanischen Glaubensbrüdern unproblematisch. Überraschend meldete sich der praktizierende Muslim und ÖVP-Nationalratskandidat Asdin el-Habbassi via "News“ zu Wort: "In den Fällen der Pakistani sind nach Prüfung der Einzelfälle in allen Instanzen negative Bescheide ausgestellt worden. Das ist anzuerkennen.“ Das wurde umgehend vom ebenfalls praktizierenden Muslim und Wiener SP-Gemeinderat Omar al-Rawi aufgenommen. Auf seinem Facebook Profil teilte al-Rawi den Gastkommentar des ÖVP-Jungpolitikers und kommentierte lakonisch, er wünsche dem jungen Kollegen persönlich ja nur das Beste und als zukünftiger Nationalratsabgeordneter (Anm., al Habbassi kandidiert auf einem quasi-sicheren Bundeslistenplatz der ÖVP) könne er sich ja für eine Novellierung der Asylgesetze stark machen.

Großparteien buhlen um konservative MuslimInnen

Die Großparteien SPÖ und ÖVP buhlen offenbar beide um die Stimmen konservativer MuslimInnen. Die SPÖ mit Resul Ekrem Gönültas, der der Islamischen Föderation Wien (IFW) und damit der Milli Görüs Bewegung zuzuordnen ist und die ÖVP mit Hasan Vural aus AKP-nahem Umfeld. Damit schicken beide Parteien zwei Schwergewichte aus der muslimischen Community ins Rennen.So verwundert es auch nicht, dass auch ihre jeweiligen Anhänger im aktuellen Wahlkampf zusehends aktiv sind: Sowohl in den sozialen Netzwerken wie auch bei den zahlreichen Iftar-Essen, die dieser Tage in Wien veranstaltet werden, bilden diese ideale Möglichkeiten für muslimische KandidatInnen, für sich und ihre jeweiligen Parteien zu werben.

So bekämpfen sich auch die beiden muslimischen Gruppen der Großparteien auf der Pinnwand des Gemeinderats und unterstellten sich gegenseitig unlautere Motive. Ein anonym geführter Facebook-Account namens "AKP Avusturya" (AKP Österreich),  auf dem die Wahlkampfauftritte des ÖVP-Kandidaten Vural auffallend oft geteilt werden, unterstellte dem SP-Gemeinderat al-Rawi die Muslime zu spalten. Ein anderer muslimischer User wiederum attestierte dem ÖVP-Kandidaten el-Habbassi hingegen im Hinblick auf die pakistanischen Asylwerber fehlende Solidarität mit den "hilfesuchenden Glaubensbrüdern".

Die österreichische Parteipolitik zieht somit ungehindert in die traditionellen Ramadan-Zusammenkünfte ein. Kein Iftar-Essen findet mehr ohne muslimische Kandidaten oder einheimische Vertreter der Großparteien statt, die ganz ungeniert werben. (Rusen Timur Aksak, daStandard.at, 3.8.2013)

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