Roland Peters

Journalist, Korrespondent und Reporter

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Über diesen Mann könnte Trump stürzen

Unter Hausarrest: Paul Manafort (Foto: AP)

Die Schlinge in der Russland-Affäre zieht sich zu: Chefermittler Mueller will US-Präsident Trump wegen möglicher Absprachen mit Moskau befragen. Potenzieller Kronzeuge gegen den Präsidenten ist der Lobbyist Manafort. Warum ist er so wichtig?

Von Roland Peters

Im Unterschlupf in Arlington wird es laut: "Iiihhh ... iiihhh ... iiihhh!" Steve Bannon heult auf wie eine Sirene. Der Chefberater von US-Präsident Donald Trump sitzt mit seiner Assistentin und anderen beim Abendessen in seiner Privatwohnung, 15 Minuten von Washingtons Zentrum entfernt. Es gibt Chinesisch vom Imbiss, hunderte Geschichtsbücher sind an der Wand gestapelt. Bannon regt sich über ein Interview auf, das Trump der "New York Times" gegeben hat. "Nicht hierhin gucken! Wir sagen dem Ermittler, was er sich nicht angucken soll!", ruft er ironisch.

Es ist Juli 2017, seit rund zwei Monaten sucht Chefermittler Robert Mueller nach möglichen Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam zu Russlands Regierung. Der Präsident sagt in dem Interview, sollte Mueller in den Finanzen seiner Familie wühlen, überschreite er seine Kompetenzen, eine rote Linie. Damit macht er genau das, was der dümmste Kriminelle bei einer Wohnungsdurchsuchung unterlassen würde: Er weist die Ermittler darauf hin, sich dies oder das bitte nicht anzusehen. Es ist dieser Dilettantismus, der Bannon die Decke hochgehen lässt. Trump könnte Mueller zwar rauswerfen, aber damit würde er sich noch verdächtiger machen. "Falls er Mueller feuert, kommt die Amtsenthebung nur eher", sagt Bannon.

Die Szene stammt aus Michael Wolffs Enthüllungsbuch "Fire and Fury", das Mueller interessiert gelesen haben dürfte. Es bringt Details darüber ans Licht, für wie gefährlich Trumps engstes Umfeld die Russland-Affäre hält.

Hat es tatsächlich Absprachen über Wahlbeeinflussung zwischen Trump und Moskau gegeben? Die Schlüsselperson und ein möglicher Kronzeuge gegen den Präsidenten ist sein ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort. Eine Woche nach der Veröffentlichung des Interviews mit Trump stürmen zwölf FBI-Agenten Manaforts Wohnung und nehmen ihn fest. Wer ist er und warum ist er so wichtig?

Geld statt Skrupel

Manafort ist ein alter Bekannter des Politikbetriebs in Washington. Vier Wochen nach seiner Festnahme, im August 2017, klagt Mueller den 68-jährigen Lobbyisten an. Die insgesamt zwölf Vorwürfe wiegen schwer: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, Geldwäsche und Falschaussage sind darunter. Manafort ist zwar derzeit gegen zehn Millionen Dollar Kaution auf freiem Fuß, steht aber unter Hausarrest und muss eine GPS-Fußfessel tragen. Er könnte bis zu 20 Jahre hinter Gittern verbringen.

Mueller geht knallhart mit dem Lobbyisten um, weil er um dessen Vorgeschichte weiß. Ein Blick auf das politische Netzwerk, das der Lobbyist in der Vergangenheit gespannt hat, zeigt keinerlei Skrupel, wenn es ums Finanzielle geht. Der Spur des Geldes zu folgen, das ist bei Ermittlungen in Politik- und Lobbykreisen häufig eine effektive Methode.

In Muellers Anklageschrift ist zu lesen, wie Manafort Geld gewaschen haben soll: unter anderem über ein Haus im New Yorker Stadtteil Brooklyn, 2,9 Millionen Dollar teuer und mittels eines Offshore-Kontos auf Zypern gekauft. Das Geld kam demnach von seinem für lange Zeit wichtigsten Kunden, dem kremlfreundlichen ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch. In den USA ist es nicht illegal, Geld über Lobbyarbeit aus dem Ausland zu erhalten - aber es muss angemeldet und versteuert werden, was Manafort nicht tat. Nach dem Kauf nahm Manafort Hypotheken für das Haus auf. Das Geld, das er so bekam, war nun sauber. Eine der auszahlenden Banken, die Federal Savings Bank in Chicago, wird von Steve Calk geleitet. Calk gehörte während Manaforts Zeit als Wahlkampfmanager zu Trumps Wirtschaftsberatern. Insgesamt 75 Millionen Dollar soll Manafort über Auslandskonten an den Behörden vorbeigeschleust haben.

Der Lobbyist beriet mit seiner Kanzlei seit Anfang der 1980er-Jahre Unternehmer und Politiker, darunter Donald Trump und die republikanischen Ex-Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior. Auch internationale Autokraten und Diktatoren waren potenzielle und tatsächliche Partner, solange sie prowestlich eingestellt waren. Manafort warb in der US-Politik unter anderen für Somalias Militärherrscher Siad Barre, Zaires Mobutu Sese Seko und Ferdinand Marcos von den Philippinen. Er brachte den US-Kongress dazu, den angolanischen Rebellen Jonas Savimbi finanziell zu unterstützen, der dann einen Bürgerkrieg mitentfachte. Manaforts Name tauchte bei Waffengeschäften zwischen Frankreich und Pakistan auf, aber etwas strafrechtlich Relevantes wurde ihm nie nachgewiesen. Heute besitzt Manafort neben dem Haus in Brooklyn noch weitere Immobilien, darunter eine Villa in der Nähe von Trumps Golfklub Mar-a-Lago in Florida.

Zehn Jahre lang war er an der Seite von Janukowitsch und dessen Partei, die von Moskau unterstützt wurden. Der russische Industrielle Oleg Deripaska und der Ukrainer Rinat Achmetow beauftragten Manafort, Putins Gegner in der Ukraine mit einer Desinformationskampagne und weiteren Maßnahmen gezielt zu schwächen. Bis Ende 2015 reiste er regelmäßig nach Kiew und hatte dort zwischenzeitlich auch eine Wohnung.

Treffen im Trump Tower

Als der Lobbyist statt seiner Aktivitäten in der Ukraine ab März 2016 zu Trumps Wahlkampfteam stößt, kennt er den Unternehmer schon seit mehr als drei Jahrzehnten. Im Juni 2016 treffen Manafort, Trump junior und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner im New Yorker Trump Tower eine russische Rechtsanwältin, die möglicherweise im Auftrag des russischen Geheimdienstes unterwegs ist, einen russischen Lobbyisten sowie Partner des russischen Oligarchen Aras Agalarow. Es ist diese Zusammenkunft, die Bannon in Wolffs Buch als "Verrat" und "unpatriotisch" bezeichnet: "Die drei ranghohen Herren hielten es für eine gute Idee, in einem Konferenzraum im 25. Stock des Trump Towers eine Vertreterin einer ausländischen Regierung zu treffen - ohne Anwälte. (...) Jemand hätte sofort das FBI rufen sollen." Bannon geht davon aus, dass auch Donald Trump die Russen traf.

Kurz darauf werden Janukowitschs Geldflüsse zu Manafort bekannt, der zwischenzeitlich zum Wahlkampfmanager beförderte Lobbyist muss im August 2016 gehen - bleibt Trump aber eng verbunden, wie US-Medien schreiben. Während seiner Zeit im Wahlkampfteam wurde Manafort nicht bezahlt, er verzichtete. Dies legt die Fragen nahe, was er mit seiner Tätigkeit für den künftigen Präsidenten bezweckte und, falls er von anderer Stelle Geld erhielt, für was und von wem.

Warum auch Chefermittler Mueller diesen Fragen nachgeht, ist Bannon zufolge klar: "Alles dreht sich um Geldwäsche." Die Ermittler würden den Finanzspuren durch Manafort, Flynn, Trumps Anwalt Michael Cohen und Jared Kushner bis zum Präsidenten folgen, befürchtete er, als er noch Chefberater im Weißen Haus war. "Ich sehe keinen Plan, wie man das überstehen könnte", wird Bannon zitiert. Schon Trumps Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn war vor Mueller eingeknickt und gab zu, gelogen zu haben.

Weiß Manafort etwas, das den Präsidenten sein Amt kosten kann? Einen möglichen Hinweis darauf gibt der juristische Gegenangriff des Lobbyisten: Manafort hatte sich zwar im Hinblick auf die Vorwürfe gegen sich in allen Punkten für unschuldig erklärt. Doch vor wenigen Tagen verklagte er plötzlich Chefermittler Mueller wegen Überschreitung von Kompetenzen. Möglicherweise will Manafort mit dem Schritt nicht nur seine eigene Haut retten, sondern auch verhindern, dass Mueller der Spur des Geldes zu Trump folgt. Ein letzter Versuch, dem Präsidenten die Treue zu halten und ihn nicht ans Messer liefern zu müssen?

Die Ermittlungen über die mögliche Beeinflussung des US-Wahlkampfes aus Moskau gehen ihrem Höhepunkt entgegen. Schon im Dezember hatte Mueller Trumps Anwälte wissen lassen, dass er den Präsidenten direkt befragen will. Sollte Trump die Aussage verweigern, könnte Mueller ihn vor eine Grand Jury laden. Womöglich mit einer Aussage von Manafort und Beweisen in der Tasche, über die Trump stürzen könnte.


Quelle: n-tv.de


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