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"Viel schlechter geht's ja nicht"

Ein Trauerspiel: Das Quizduell mit Jörg Pilawa (Foto: ARD/ Uwe Ernst)


Aller Anfang ist schwer. So schwer wie Jörg Pilawas Einstand bei der Show-gewordenen Smartphone-App "Quizduell" ist aber nur selten etwas. Bei der ersten Sendung, die am Montagabend live ausgestrahlt wurde, klappte einfach gar nichts: Ein Hacker hatte angeblich die Studiotechnik sabotiert. Die TV-Zuschauer, die sich per Smartphone an dem Quiz beteiligen sollten, konnten deshalb nicht wie geplant gegen die Studiokandidaten spielen.

Das interaktive Konzept der Show war damit ruiniert. "Wir machen jetzt eben wieder Fernsehen der 80er-Jahre", improvisierte Moderator Pilawa und ließ das Studiopublikum gegen seine vier Kandidaten antreten.


Spätestens da war klar: Die angekündigte "Verschmelzung" von Internet und Fernsehen war missglückt, die ARD sah älter aus denn je. Die Unkenrufe auf Twitter ließen nicht lange auf sich warten: "Ene mene häck, Quizduell war weg", schrieb ein User. "Morgen wollen sie dann 'Verbotene Liebe' senden und stellen fest, dass die neuen Folgen noch nicht fertig sind", scherzte ein anderer und spielte darauf an, dass das Quiz der Daily Soap den Sendeplatz im Vorabendprogramm weggenommen hatte.


Durch das Chaos bekam die erste Ausgabe des Ratespiels allerdings auch einen gewissen Charme. Man hatte eingeschaltet, um ein neues, innovatives Showkonzept zu sehen, und bekam stattdessen eine knapp einstündige Spezialausgabe von "Pleiten, Pech und Pannen" geboten. Unterhaltsam war das allemal, und Pilawa - das betonte die ARD gern - meisterte die Lage routiniert und sympathisch.


ARD fahndet "auf Hochtouren" nach Fehlern

Während die Suche nach dem Grund für das technische Debakel laut ARD "auf Hochtouren" lief, brachte "heise.de" schon die nächste Hiobsbotschaft: Durch ein Datenleck sei es möglich, auf persönliche Daten wie Namen, Wohnort, Geburtsdatum und E-Mail-Adressen von rund 50.000 der registrierten App-Nutzer zuzugreifen. Dies hatte ein technisch versierter Leser des Onlineportals gemeldet. Die ARD versprach, sich auch diesem Problem mit "Hochdruck" zu widmen.


Der Druck bei der zweiten Sendung war also enorm. Diesmal durfte einfach nichts schiefgehen. "Wenn die technischen Probleme nicht gelöst werden, dann ist das Experiment gescheitert", gab auch Pilawa zu. Zumindest auf einer Metaebene war damit Spannung garantiert: Mehr als das Wissen der Kandidaten stand diesmal die technische Kompetenz der ARD auf dem Prüfstand.


Pilawa ließ sich keinen Druck anmerken. Betont lässig betrat er das Studio, wie ein Mann, der schon auf halbem Weg in den Urlaub ist: die obersten zwei Knöpfe des Hemds geöffnet, ein blitzendes Kettchen um den Hals. "Einmal hab ich mich noch getraut", witzelte er zur Begrüßung. Überhaupt war offenbar alles sehr lustig. Das Scheitern der vorangegangenen Sendung bezeichnete der Moderator grinsend als "mediales Desaster", "viel schlechter geht's ja nicht".


Die wahre Bankrotterklärung kam dann schleichend: Die Kandidaten - vier Studenten aus Mainz - würden wieder nicht gegen ganz Deutschland antreten, sondern gegen einen "repräsentativen Querschnitt", erklärte Pilawa. Gemeint war: das Studiopublikum. Die ARD hatte es also auch beim zweiten Versuch nicht geschafft, die Sendung interaktiv zu gestalten. Die Server lagen immer noch lahm.


So wurde die zweite Sendung zu einer Wiederholung der ersten: Man beobachtete fremde Menschen dabei, wie sie gegeneinander "Quizduell" spielten. "Sie zu Hause spielen auch mit. Zettelchen und dann geht's los", lud Pilawa die wohl letzten verbleibenden TV-Zuseher ein. Auf diese Weise könnte die ARD demnächst auch andere Apps ins Fernsehen bringen: "Schalten Sie ein, wenn vier Kandidaten mit dem Studiopublikum tindern!" Oder: "Sehen Sie, wer sich mit Google Maps schneller ans Ziel navigieren kann!"


Das Experiment ist gescheitert

Halbherzig versuchte Pilawa, dem Ganzen etwas Leben einzuhauchen: zwischen den Quizfragen machte er sich über Studiogäste lustig, die falsche Antworten gaben, oder stellte unter Beweis, wie schlecht er vorbereitet war. "Ach, man sieht ja auch, was ihr drückt", rief er an einer Stelle überrascht, als er auf die Drücker eines Zusehers blickte. "Die Frage hab ich schon mal in einer anderen Sendung gespielt. Quiz-Onkel halt", sagte er dann wieder fast gelangweilt.


Am bemerkenswertesten an den quälend langsam verstreichenden 50 Minuten war noch der Ausgang des Spiels: Am Ende gewannen die vier jungen Kandidaten gegen das zahlenmäßig überlegene Publikum. Während sich die Sprachstudenten über 30.000 Euro Preisgeld freuten, verabschiedete Pilawa sich mit den Worten: "Ich weiß nicht, was morgen hier los ist."


Es fragt sich, wie viele Zuseher das nach der gestrigen Sendung überhaupt noch interessiert. Pilawa, der in Interviews zuletzt so wirkte, als wolle er sich seine eigenen vernichtenden TV-Kritiken schreiben, stellte selbst fest: "Jetzt sind wir da angekommen, wo wir immer hinwollten: in einer guten alten Quizsendung." Eine solche Sendung gehört nicht an diesen Sendeplatz. Auch nicht in dieses Jahrzehnt. Wenn man sich als Zuseher die Rückkehr von "Verbotene Liebe" wünscht, dann ist das Experiment "Quizduell" wohl wirklich gescheitert.

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