An einem perfekten Tag, sang Lou Reed, trinkt man Sangría im Park. Füttert die Tiere im Zoo. Geht später noch ins Kino und dann nach Hause. Aber der Tag, den Rogueish Mambrú (Benicio del Toro) und sein Team von Helfern erleben, ist alles andere als perfekt. Die Geschichte spielt "irgendwo auf dem Balkan" zur Zeit der Jugoslawienkriege. Einen Zoo gibt es nicht. Nur ausgebrannte Häuser und verlassene Grenzposten. An den Wänden steht "Welcome to Hell", und Lou Reed singt nicht vom "Perfect Day", sondern von der Zeit, die langsam knapp wird: "This is no time for optimism, this is no time for endless thought."
Mambrú ist keiner, der ewig nachdenkt. Als Mitarbeiter der NGO Aid without Borders ist er hier, um anzupacken, wenn es Probleme gibt - und die gibt es zuhauf. Ein Mann ist in einen tiefen Brunnen gefallen. Wie er dorthin geraten ist, weiß niemand so genau. Vielleicht hat ihn jemand hineingeworfen, um den Brunnen zu vergiften und dann Wasser zu Wucherpreisen zu verkaufen. Jedenfalls treibt der Mann schon zwölf Stunden da unten. Ihm kann es egal sein. Den Menschen, die das Wasser brauchen, aber nicht. Die Leiche muss weg. Mit einer Seilwinde will Mambrú den aufgeblähten Kadaver aus dem Loch ziehen. Doch dann reißt der Strick, und damit beginnt der Schlamassel. Innerhalb von 24 Stunden muss Mambrú mit seinem Team ein neues Seil auftreiben, bevor die Leiche das Wasser verseucht - und das wird hier im Niemandsland zwischen Soldaten, bewaffneten Zivilisten und den bürokratischen Hürden der UN zur Herkulesaufgabe.
Der spanische Regisseur Fernando León de Aranoa war bislang für Sozialdramen wie "Montags in der Sonne" (2002) oder "Princesas" (2005) bekannt. Die Geschichte seines neuen Films basiert auf dem Roman "Dejarse llover" von Paula Farias, die für "Ärzte ohne Grenzen" unter anderem im Kosovo im Einsatz war. Die Verfilmung ist humorvoll, aber keine leichte Kost, eher eine schwarze Komödie in der Tradition von Robert Altmans "MASH".
Die Menschen aus der Gegend haben einen ganz eigenen Humor: In einem Laden finden die Helfer ein Seil, doch das wird ihnen nicht verkauft. "Wenn man einen Mann in einen Brunnen wirft, war er bestimmt kein Heiliger, und es ist besser, ihn dort zu lassen", erklärt der Ladenbesitzer. Außerdem werde das Seil gebraucht, um Leute aufzuknüpfen. Galgenhumor im Wortsinn. Allerdings verzieht dabei niemand eine Miene.
Mambrú denkt darüber nach, das alles hinter sich zu lassen, ein bürgerliches Leben zu beginnen. Aber wahrscheinlich wäre das gar keine Option für ihn. Der Krieg ist für ihn zur Heimat geworden, genau wie für seinen Kollegen B (Tim Robbins). Der trotzt dem Chaos, indem er versucht, selbst noch verrückter zu sein. Die Bandana um den Kopf gewickelt sieht er aus wie Robert De Niro beim Russischen Roulette in "Die durch die Hölle gehen". Ausgerechnet bei B muss Sophie (Mélanie Thierry) an ihrem ersten Tag mitfahren. Sie glaubt noch daran, etwas bewirken zu können. Man ahnt aber, dass ihr der Idealismus bald abhanden kommen wird. Der Anblick des lila Leichnams im Brunnen hebt ihr fast den Magen aus. Es ist der erste Tote, den Sophie je gesehen hat, und es wird an diesem Tag nicht der Letzte bleiben.
Der Krieg ist in de Aranoas Film nur Kulisse. Den eigentlichen Kampf tragen die Helfer mit sich selbst aus. Im Bemühen nicht abzustumpfen, weiterzumachen, auch wenn die meisten Anstrengungen völlig sinnlos bleiben. Am Ende weiß man, dass dieser eine "perfekte" Tag nur einer von vielen war. Der nächste wird folgen. Und dann wieder einer. Und noch einer.