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Ehe für Alle: Tanja und Tina sagen Ja Rebecca Röhrich Heute heiraten Tanja und Tina als eines der ersten homosexuellen Paare im Rhein-Main-Gebiet. Warum es nicht mehr als ein Wohnmobil, zwei Hunde und zwei Kinder, Gott und die große Liebe im Leben braucht, erzählen sie in ihrer bewegenden Geschichte. Foto: Hans NietnerTina (Links) und Tanja haben ja gesagt. Kelkheim. Bennet* kommt im August 2017 auf die Welt. Er ist ein absolutes Wunschkind. Gezeugt wurde das Baby mit den feuerroten Haaren bei einem gemütlichen Abend mit Sekt und Pizza. Seine Eltern waren mit dem Wohnmobil zu Besuch bei ihrem Freund Torben* in Norddeutschland. Dort ist es passiert, in dem Wohnmobil, das sie an diesem Freitag im November in einem beliebten Szeneviertel in der Großstadt geparkt hatten, gleich neben einem Kiosk. Es war ein milder Novemberabend, die Menschen tummelten sich auf den Straßen. Stimmengewirr, Gläserklirren und Gelächter drang von außen durch die dünnen Wände des mobilen Heims. Nach dem Schäferstündchen sind sie mit Torben noch um die Häuser gezogen. Ein schmaler Strich Zehn Tage später zurück im Rhein-Main-Gebiet: Tanja stürmt am Morgen mit einem Schwangerschaftstest in der Hand in das gemeinsame Schlafzimmer. „Siehst du den Strich?", ruft sie. Und tatsächlich: Tanja ist schwanger. Ein zweiter schmaler Strich erscheint auf dem Teststreifen. Bennet ist auf dem Weg. Was nach einer klassischen Familiengründung klingt, ist eigentlich viel mehr als das. Denn Bennets Eltern sind zwei Frauen. Tanja-Mama und Tina-Mama. Tanja ist eine ruhige und überlegte Frau. Braune Locken, herzliches Lächeln, gemütliches Wesen. Wenn sie spricht, dann ruhig und unaufgeregt. Sie ist Pädagogin und arbeitet in einer Sozialeinrichtung. Tina ist groß, blond und direkt. Sie spricht gerne, ist impulsiv, ergreift das Wort. Sie arbeitet als Analystin an der Deutschen Börse. Sie sagt „nice" anstatt „nett", Frankfurter Business-Sprech eben. Beide glauben an Gott, sind praktizierende Christinnen. „Der Glaube ist ein riesengroßes Thema", sagt Tina. Und ohne ihn, davon sind die beiden Frauen überzeugt, hätten sie sich nie für ein gemeinsames Kind entschieden. Echte Spießer Tina und Tanja sind echte Spießer - das sagen sie selbst. Sie wünschen sich ein geruhsames Leben im Grünen, ein Reihenhäuschen, sonntags in die Kirche, Familienhund und Kinder. Aber sie machen auch ihr Ding: Als am Freitag, 30. Juni 2017, der Deutsche Bundestag der Ehe auch für homosexuelle Paare mehrheitlich zustimmte, war Tanja bereits hochschwanger. Denn Tanja und Tina hatten sich schon längst für dieses gemeinsame Leben entschieden. Trotzdem war das ein emotionaler Moment für die beiden, erinnert sich Tina. Denn es bedeutet, dass die beiden tatsächlich heiraten können. Und das ist ihnen als Christinnen wichtig. Und für die Zukunft des kleinen Bennet. Denn auch die Adoption von Bennet sollte sich mit einer Ehe beschleunigen können. 27. September 2017: Tina sitzt mit Tanja und deren Tochter Josefine* in ihrem Reihenhäuschen in Liederbach. Die Zwölfjährige stammt aus einer früheren Beziehung. Tanja teilt sich mit dem Kindsvater das Sorgerecht. Bennet schläft bei Tina auf dem Arm. Gleich beim zweiten Date hatten sie über Gott gesprochen, erzählt Tina und schaut zu Tanja. Die lächelt zurück. Das war im Januar 2016. Schnell war Beiden klar: Das passt. Im Februar 2017 sind sie zusammengezogen. Tanja kommt aus dem Westerwald, war dort eng mit ihrer evangelischen Gemeinde verbunden, hat Konfi-Freizeiten mit organisiert. Für sie bedeutet der Glaube: Gesang, Gemeinschaft, Liebe und Vergebung. Ein geschützter, behüteter Ort. Als sie sich dann mit 30 Jahren das erste Mal in eine Frau verliebte, war das kein Problem - zumindest nicht, was ihre Konfession betrifft. Ein Krieg gegen sich selbst Tina indes hat jahrelang einen Krieg gegen sich selbst geführt. Sie wuchs im erzkatholischen Seligenstadt auf. Homosexualität war für den christdemokratisch geprägten Teil ihrer Familie keine Option. Und für Tina als gläubige Katholikin und Familienmensch blieb keine Wahl als sich selbst zu verleugnen. Aber sie liebt das „Spektakel bei den Katholiken", wie sie sagt. Dass sie auch Frauen liebt, wollte und konnte sie nicht wahrhaben. Dann stirbt ihre Mutter. Da ist Tina 24 Jahre alt. Der Boden war weg und der Moment gekommen, ihrem Wesen zu folgen, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen und aus der Kirche auszutreten. „Die wollen mich nicht, also zahle ich ihnen auch kein Geld." In die Kirche geht sie sonntags trotzdem noch. „Ich mag diese Interaktion. Ich mag die Verse in Latein", sagt sie und schaukelt das Baby auf ihrem Arm. „Ich will auch Buße tun, ich will mich als Sünderin fühlen dürfen." Sie meint das ernst, aber sie lacht dabei. Sie liebt das Sakrale und auch das Unterwürfige. Darüber schüttelt Tanja lächelnd den Kopf. Vater mit Onkelfunktion Die beiden Frauen haben zwar nicht lange, aber sehr intensiv darüber nachgedacht, wie sich der Kinderwunsch am besten erfüllen lässt und welche Rolle der Samenspender in ihrem Familienleben spielen soll. Sie stöberten im Internet nach den Optionen. Und stießen dabei auch auf bizarre Aussagen: „Da schrieb zum Beispiel einer, dass eine Zeugung durch Sex für Kind und Mutter immer noch am besten sei", erzählt Tina. Der war dann natürlich raus aus dem Rennen. Schließlich entschieden sie sich für den Vater mit Onkelfunktionen. „Bennet hat keinen Papa, aber dafür zwei Mamas", erklärt Tanja. Aber der Kleine soll seinen Vater kennen und auch eine Beziehung zu ihm haben, nur eben keine väterliche. Für die Zeugung brauchte es nicht mehr als einen Becher, ein Handtuch zum Warmhalten und eine Aufziehspritze. Und natürlich einen Torben, ihren Freund im Norden. Keinen Arzt, kein Haarnetz, keinen Krankenhauskittel. Und, dass Torben vorher ein sorgsam eingewickeltes Becherchen zum Wohnmobil brachte. Sie hatten Glück. Es hat beim ersten Versuch geklappt. 12. Oktober 2017: Tanja und Tina beim Brautkleider-Shoppen. Sie wollen kein „Lesben-Klischee" sein. Keine von beiden möchte einen Anzug tragen, sie wollen nur optisch zueinanderpassen. Während Tanja Kleider anprobiert, steht Tina vor den Umkleiden. Ihr gefällt alles, was ihre Freundin anprobiert. Begeistert spaziert sie um sie herum, zupft und bewundert. Tanja ist skeptisch. „Viele homosexuelle Frauen wollen unter sich bleiben, sich bewusst abgrenzen", erzählt Tina, während Tanja wieder in der Umkleide verschwindet. „Sie sind deshalb zum Beispiel in Lesben-Sportvereinen." Das wollen die beiden nicht. Im Gegenteil. Sie wollen dazugehören. Sie wollen ein glückliches konservatives Leben führen. Und mit der „Ehe für alle" dürfen sie das auch offiziell. 27. Oktober 2017: Tanja und Tina stehen im Kelkheimer Trauzimmer. Tanja trägt ein weißes Hochzeitskleid. Das war eigentlich nicht der Plan, aber als sie mit dem Prinzessinnenkleid auf dem Podest im Brautgeschäft stand und Tina anstrahlte, war die Sache entschieden. Tina trägt ein bordeauxrotes, langes Abendkleid. Anschließend geht es in den Rettershof zum Essen. Im Juli 2018, wenn Bennet fast ein Jahr alt ist, werden sie kirchlich heiraten. Mit „allem Drum und Dran", sagt Tina - natürlich in einer evangelischen Kirche. „Die Entscheidung nehmen uns die Katholiken ja ab", sagt sie. Und die guten Wünsche für ihr gemeinsames Leben gehen an ihre Kinder: „Ich wünsche mir, dass sie leben und lieben können, wen sie möchten. Dass die Unterschiede der Menschen künftig nicht unbedingt unterschiedliche Rechte generieren", sagt Tanja. Helmut Kohl als Trauzeuge bei Homoehe Im Jahr 2013 war CDU-Altkanzler Helmut Kohl, damals 83-jährig, Trauzeuge, als ein homosexueller Freund von ihm heiratete. „Ich habe es sehr gern getan", sagte er damals. Der Wunsch von Tanja und Tina ist also vielleicht gar nicht so unrealistisch. * Die Namen sind von der Redaktion geändert.