IDSTEIN - Zur Diskussion der geplanten Ultranet-Trasse hat die Initiative Bürgerdialog Stromnetz, eine vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Initiative, eine Informationsveranstaltung zum Thema „Elektromagnetische Felder und Gesundheit" angeboten. Sie möchte als Mediator zwischen Stromnetzbetreibern und betroffenen Bürgern fungieren und möglichst frühzeitig über geplante Projekte und Zusammenhänge informieren.
Bürgerbüros vor Ort sollen Meinungsbildung fördern
Neben zwei hessischen Bürgerbüros in Fulda und Kassel gibt es acht weitere in Hessen sowie das „Dialogmobil", dass die Meinungsbildung vor Ort unterstützen soll. In der Stadthalle informierte die Expertin Hannah Heinrich in einem Vortrag mit dem Charakter einer Physikstunde über elektrische und magnetische Felder sowie geltende Grenzwerte. Im Anschluss konnten offengebliebene Fragen diskutiert werden.
Bürgermeister Christian Herfurth und Bundestagsabgeordneter Klaus-Peter Willsch waren anwesend. Hannah Heinrich hat Informatik studiert, leitet ihr eigenes Ingenieurbüro und hat schon bei Studien für medizinische, physiologische und physikalische Fragestellungen mitgewirkt.
Sie erklärte, dass es bei magnetischen Feldern einen Stromfluss gebe und Ladungen sich bewegen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man eine Schreibtischlampe anknipst. Ist die Lampe ausgeschaltet, ihr Stecker aber in der Steckdose, so liegt ein elektrisches Feld vor. Diese Felder kämen auch ganz natürlichen Ursprungs in unserer Umwelt vor: das Erdmagnetfeld oder bei Gewitter zum Beispiel. Ein „normaler Vorgang, dem man tagtäglich ausgesetzt ist" also.
Bei Hochspannungsfreileitungen lägen die höchsten Feldstärken an und zwischen den Leiterseilen, am Erdboden und mit zunehmender Entfernung nehme beides rasch ab. Bei einem Abstand von 100 Metern sei schon der Mittelwert der Feldstärke im deutschen Haushalt erreicht, bei 150 Metern und mehr ist er schon unterschritten. Stimmen aus dem Publikum betonten, dass einige Haushalte aber viel näher an den Leitungen seien und man im Alltag nicht 24 Stunden der gleichen, hohen Feldstärkenbelastung ausgesetzt sei.
„Der Zeitfaktor spielt keine Rolle. Es ist egal, ob eine Sekunde, eine Minute, ein Tag oder ein ganzes Leben. Strom gibt es seit über hundert Jahren. Es ist nicht so, dass wir nicht wissen, was im Körper passiert. Es gibt sehr genaue Daten darüber", versuchte Heinrich die Anwesenden zu beruhigen. Doch zu glauben schienen ihr die wenigsten. Auch Krankheiten wie Alzheimer oder Kinder-Leukämie im Zusammenhang mit ionisierender Strahlung werden von den Betroffenen befürchtet. 23 Studien an Menschen zeigten jedoch keine nennenswerten Auswirkungen, so Heinrich. Auf die Nachfrage nach dem gesetzlichen Mindestabstand, betonte Heinrich: „Diese 400 Meter sind eine politische Entscheidung und haben nichts mit den Feldern zu tun. Da müssen Sie Ihren Bundestagsabgeordneten fragen." Dazu konnte sich Klaus-Peter Willsch jedoch nicht mehr äußern, er hatte die Veranstaltung frühzeitig verlassen.
Teilnehmer bezweifeln Neutralität der Expertin
Die Stimmung heizte sich immer weiter auf, eine geordnete, sachliche Diskussion war irgendwann nicht mehr möglich. Andere Studien, die als Gegenbeweise von den Betroffenen vorgebracht wurden, bezeichnete Heinrich als „physikalisch nicht falsch, aber in einem anderen physiologischen Kontext". „Zu dem Thema gibt es nur eine Meinung und zwar die der Physik."
Die Teilnehmer des Bürgerdialogs bezweifelten die Neutralität der Expertin, vermuteten sogar, sie vertrete die Interessen von Amprion. Edgar Mathis von der Bürgerinitiative Idstein bezeichnete den Bürgerdialog als skandalös, die Veranstalter als „die bösen Jungs". „Frau Dr. Heinrich, sympathischer Profi durch und durch, könnte mir alles verkaufen, wie soll ich auch widersprechen? Ich bin doch ein Laie auf dem Gebiet, wie 90 Prozent der Zuhörer."