MAINZ - „Es sind tolle, junge Leute. Wir sind immer wieder überrascht von ihren Ideen, ihrem Engagement und ihrer Darbietung", schwärmt Richard Weber, Dozent an der Schauspielschule. Gemeinsam mit Ute Faust leitet er den Jugendclub der Schauspielschule Mainz, der jetzt in der Scheune der Alten Ziegelei in Bretzenheim sein neues Stück „Kollision - ich kann den Eisberg schon riechen" präsentierte.
Der Jugendclub der Schauspielschule trifft sich zweimal im Monat, die Teilnahme ist kostenlos. Einige der Schauspieler sind schon lange dabei. Richard betont, dass alle Texte von den Jugendlichen selbst geschrieben sind, dass gemeinsam Ansätze der Jugendlichen in fertige Szenen umgesetzt werden. Acht Tage arbeitete die Gruppe jeweils sechs Stunden daran. „Ich verstehe das Stück wie eines dieser Bilder, die aus ganz vielen kleinen bestehen, die im Ganzen betrachtet aber ein anderes ergeben", erklärt Richard Weber. Er betont, dass im Jugendclub meist dieselben Strategien und Methoden angewendet werden, die auch Teil des Studiums an der Schauspielschule sind.
Das zentrale Thema ist die Kollision, das Zusammentreffen in den verschiedensten Arten. Anfangs ein Autounfall, die beiden Schauspieler auf der Bühne geben zusammenhanglos Gedankenfetzen und Empfindungen von sich, splitterndes Glas, Schmerz, Reue. Dann das Zusammentreffen von Liebenden, Kindern im Schulbus, zwei Menschen, die den Regen auf der Haut genießen. Die Monologe erzählen von Einsamkeit, Magerwahn, Zukunftsangst und Erwartungsdruck und kritisieren die Gesellschaft.
Besonders intensiv bleiben zwei Szenen im Gedächtnis: Das neunzehnjährige Mädchen mit dem Hakenkreuz-Tattoo im Nacken, das in einem Sessel einen Orgasmus spielt, während im Hintergrund AfD-Parolen gebrüllt werden - sowie der einzige Junge im Ensemble, der mit Akzent spricht und dem Publikum schwer atmend und mit Tränen in den Augen minutenlang einen deutschen Pass entgegenhält.
„Das ist das Stück der Jugendlichen, das ist alles ihre Energie, da ist ganz viel von ihnen selbst drin", betont Weber. Unterbrochen werden die selbstverfassten Dialoge und Monologe von Nachstellungen bekannter Filmszenen, die teilweise parodiert werden: „Herr der Ringe", „Findet Nemo", „Forrest Gump" und immer wieder „Titanic".
Der rote Faden des Stücks ist eigentlich ein blauer, einer der Schauspieler, der unter einem blauen Kostüm steckt. Immer wieder betritt dieses undefinierte Geschöpf die Bühne, spricht nicht. Am Ende wird aufgelöst, was es damit auf sich hat, und eine ungewöhnliche Erklärung für den Untergang der „Titanic" wird dargestellt: Das blaue Geschöpf stellt den Eisberg dar, der einsam im Meer nach seiner großen Liebe, dem rosafarbenen Eisberg sucht. Im Lichtschimmer der „Titanic" am Horizont glaubt er, sie gefunden zu haben, und im Sturm seiner Umarmung reißt er die „Titanic" in den Meeresabgrund. Die letzte Pointe des Abends ist der rosafarbene Eisberg, der zur Tür hereinkommt, nachdem der blaue Eisberg geschmolzen ist. Dann folgt Lachen und tosender Applaus aus dem Publikum.