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Angst vor Assads Fassbomben

Bild: Baraa Al-Halabi/AFP/Getty Images

Syrien-Krieg Warum fliehen Syrer nach Deutschland? Was sehen sie als die größte Bedrohung in ihrer Heimat? Eine Studie hat 900 Flüchtlinge befragt und gibt erste Antworten


Auch wenn die Medien immer wieder über Einzelschicksale berichten, gibt es doch bisher keine belastbaren Zahlen über die Gründe, warum so viele Menschen gerade jetzt Syrien verlassen. Seit der Islamische Staat (IS) etwa ein Drittel Syriens unter seine Herrschaft brachte und dort furchtbare Bilder von Enthauptungen und Massenerschießungen produzierte, scheint die Fluchtursache klar zu sein. Eine aktuelle Studie zeigt aber nun: Der IS ist nicht der Hauptgrund.

Die Initiative Adopt a Revolution hat Ursachen und Auslöser für die Flucht aus Syrien untersucht. Knapp 900 syrische Flüchtlinge wurden vergangene Woche in fünf deutschen Städten befragt. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat die Umfrage fachlich begleitet. Wer sind die Menschen, die nach Deutschland kommen? Was haben sie für einen Hintergrund? Welche Pläne haben sie für ihre Zukunft? Von wem haben sie sich in Syrien bedroht gefühlt? Und was müsste passieren, damit sie wieder nach Syrien zurückkehren?

Eine Rückkehr nur ohne Assad

Eine Zahl der Umfrage sticht zuerst ins Auge: Nur 8 Prozent der Befragten wollen überhaupt in Deutschland bleiben. Ob sie in ihre Heimat zurückkehren können, hängt für mehr als die Hälfte von ihnen aber davon ab, ob der syrische Diktator Bashar al-Assad an der Macht bleibt. Nur wenn er aus Syrien verschwindet, könnten sie sich eine Rückkehr vorstellen. Denn Assad wird von beinah 70 Prozent als Urheber der lebensgefährlichen Umstände betrachtet, die sie zur Flucht treiben. Ökonomische Gründe spielen nur für 13 Prozent eine Rolle bei der Entscheidung zur Flucht. Der Einsatz von Fassbomben, die Kämpfe und die Angst davor, entführt oder verhaftet zu werden, sind momentan die drängendsten Gründe. 73 Prozent sahen ihr Leben ausschließlich durch die von Assad eingesetzten Fassbomben bedroht.

Die Umfrage ist statistisch gesehen nicht repräsentativ. Trotzdem bildet sie Tendenzen ab und untersucht als erste Studie systematisch die Meinungen und Haltungen von Syrern in Deutschland. Das gibt ihnen eine Stimme in einem Diskurs, bei dem meistens über sie und nicht mit ihnen geredet wird.

Forderung nach einer Flugverbotszone

Die Ergebnisse geben auch Hinweise für geopolitische Ansätze. Der IS ist zweifellos ein grauenhafter Akteur in Syrien und im Irak. Wer aber nur ihn bekämpft, der geht dabei womöglich Koalitionen ein, die die Fluchtursachen nicht aufheben, sondern vielmehr zementieren könnten. Die meisten der befragten Syrer sahen eine Flugverbotszone als ein Mittel, um eine Lebensperspektive in Syrien zu schaffen. Nur gegen den IS-Terror zu kämpfen, kann den Konflikt in Syrien und die Flüchtlingskrise nicht lösen.

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