Philipp Woldin

Managing Editor WELT AM SONNTAG/Hamburg

17 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Olympia: Der Mehrkämpfer


Das Buhlen um die Wahlmänner des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), erzählt Nikolas Hill, könne manchmal wie Speeddating aussehen. So war es auch Ende Oktober, als der Geschäftsführer der Hamburger Olympia-Bewerbungsgesellschaft zum Anoc Kongress nach Washington reiste, einem Pflichttermin der Olympiafamilie, 1000 Delegierte zusammengepfercht in Hotels, vom Dreireiherträger bis zum Delegierten aus Tonga in Tracht. Hier treffen die Vertreter von Los Angeles, Paris, Rom, Budapest und Hamburg zum ersten Mal auf viele der IOC-Mitglieder, die 2017 über ihren Olympiatraum entscheiden.

Es ist Balzzeit, ein reges Treiben in fensterlosen Räumen unter der Erde.


Es ist nicht Hills Stil, auf Kontaktmaximierung zu setzen und mit dem Konzept von Tisch zu Tisch zu ziehen - egal, ob ein Funktionär gerade isst oder nicht. Er hat vorab Termine ausgemacht oder verlässt sich auf ein Entree von Claudia Bokel, bestens vernetzte Athletensprecherin und gleichzeitig als Leiterin des Kuratoriums ein Gesicht der Hamburger Bewerbung. Hill will auch auf der internationalen Bühne anders auftreten, so wie auch die Hamburger Bewerbung anders sein will als frühere deutsche Vorstöße: Nachhaltiger, bescheidener, vielleicht hanseatischer. Ob dieser Anspruch am Ende nicht an den harten Realitäten der internationalen Sportpolitik zerschellt, weiß heute keiner.


Während er aus dieser Welt des großen Sports erzählt, steht Hill in Alsterdorf vor der ersten voll behindertengerechten Turnhalle Hamburgs und lauert auf ein Taxi. Er ist wieder spät dran, der nächste Termin hat praktisch schon begonnen. Es ist ein Freitagnachmittag Anfang November, drinnen hat Hill gerade mit paralympischen Sportlern von inklusiven Spielen geschwärmt. Hill ist im Wahlkampfmodus, die Briefwahl ist im vollen Gange, zwei Wochen noch bis zum 29. November, dem Tag, an dem die Hamburger über das Zukunftsprojekt der nächsten Jahrzehnte entscheiden.


Deswegen läuft der 43-Jährige gerademehrere olympische Rennen gleichzeitig: In Alsterdorf, Billstedt und Osdorf versucht er die Bürger in mühevoller Kärrnerarbeit zu überzeugen, dass ein Milliarden-Sportfest trotz der Flüchtlingszahlen drin ist. Auf der großen Bühne zwischen Washington und Lausanne muss Hill abgeklärten IOC-Funktionären vermitteln, dass das beschauliche Hamburg mit den Platzhirschen Paris und L.A. mithalten kann. Ein Wahlkampftag an der Seite von Hill zeigt: Beim ersten Rennen hat Hill noch einige Meter Vorsprung, beim zweiten startet er mit leichtem Rückstand. Am Ende, hinter der Ziellinie kann es zwei Goldmedaillen für Hamburg geben - oder undankbare vierte Plätze.


Zum Original