Philipp Fritz

Journalist, Warschau, Berlin

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Artikel

Polen: Warschaus Kulturszene ist in Sorge

Unruhe in Warschau. Hier zu sehen die Skyline der Stadt. | Kacper Pempel / Reuters

Es ist nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar, warum die Warschauer stolz auf David Bowie sind. Und warum im Stadtteil Zoliborz kürzlich ein riesenhaftes Bowie-Gemälde auf einer Hauswand geschaffen wurde. Tatsächlich ist der Sänger einmal durch Warschau gefahren. Das war 1976, David Bowies Zug stoppte damals am Danziger Bahnhof in Zoliborz. Kurzerhand entschloss er sich zu einem Spaziergang. In einem Musikladen kaufte er eine Platte des staatlichen Tanz- und Gesangsensembles „Slask". Später in Berlin schrieb er dann den Song „Warszawa".

Mehrere Hundert Menschen haben sich 40 Jahre danach vor dem Haus in der Marii-Kazimiery-Straße eingefunden. Bowie-Songs schallen aus den Boxen, Dawid Celek, der Künstler, verantwortlich für das Gemälde damals, ist auch anwesend. Über sechs Stockwerke erstreckt sich ein Bowie in Ziggy-Stardust-Look, ein Auge wird von der Fassade des Warschauer Kulturpalastes bedeckt. In jenem „Geschenk Stalins", wie die Warschauer den Bau immer noch mit bitterem Witz bezeichnen, wird am Abend das Gemälde gefeiert. In der „Bar Studio" treffen sich Kulturschaffende, es gibt Wodka. Doch Veranstaltungen wie diese, die vom Staat gefördert werden, könnten bald seltener werden, wenn sie nicht den kulturpolitischen Vorstellungen der Regierenden entsprechen.

„Natürlich mache ich mir Sorgen", sagt eine Frau, die in Warschaus Kulturleben arbeitet und lieber ungenannt bleiben möchte. „Unsere Regierung wird versuchen, Einfluss auszuüben, gut kann das nicht sein." Seit November 2015 regiert in Polen die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski mit absoluter Mehrheit. Seitdem sie sich daran gemacht hat, den Staat umzubauen, tobt ein Streit um Einschränkungen in die Arbeit des Verfassungsgerichts. Auch gibt es ein neues Mediengesetz; etliche Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden entlassen.

Und wie steht es um die Kulturförderung? Regierungsangehörige sprechen gerne davon, ein „patriotisches Kino" zu unterstützen. Vor allem der oscarprämierte Film „Ida" kam in der Partei nicht gut an, laut Premierministerin Beata Szydlo setze er ihr Land in kein gutes Licht. Filme wie „Ida" dürften in Zukunft seltener gefördert werden.

Museum für den Papst

Ganz anders der Kinofilm „Historia Roja": Ein Heldenepos, das sich um die „zolnierzy wykleci" dreht, eine Gruppe antikommunistischer Untergrundsoldaten. Dass die historischen Vorbilder dieser Kämpfer auch Juden und orthodoxe Christen ermordet haben, scheint dem PiS-Patriotismus nicht abträglich zu sein. Der Films sei ganz nach dem Geschmack von Kulturminister Piotr Glinski, schrieb die Zeitung „Gazeta Wyborcza".

Auch in Museen bekommt man den Änderungswillen der PiS zu spüren. Konrad Schiller, Kurator im Zamek Ujazdowski, Warschaus Museum für zeitgenössische Kunst, blickt mit Sorge in die Zukunft. „Wir sind auf staatliche Gelder angewiesen", sagt er. „Über den Eintritt alleine können wir uns nicht finanzieren." Für das Jahr 2017 soll dem Museum ein Großteil der Zuschusses gestrichen werden. Gerüchte unter Kulturschaffenden besagen, dass das Geld aus dem Topf für das Zamek Ujazdowski in den Aufbau eines Museums mit Porträts von Papst Johannes Paul II. fließen soll. Glinskis (vergeblicher) Versuch, im November 2015 ein Stück von Elfriede Jelinek am Polnischen Theater in Breslau abzusetzen, wurde als erstes Zeichen verstanden, dass PiS kulturpolitisch Druck machen wird. Bisher haben viele Kulturschaffende dagegengehalten.

Gegenüber von Stalins Kulturpalasts ragt der Zlota 44 mehr als 190 Meter in den Himmel. Der segelförmige Wohnturm wurde von dem Architekten Daniel Libeskind entworfen und ist ein Symbol für das neue Warschau, eine turbokapitalistische Stadt, die sich an sich selbst berauscht. In einer Wohnung, die für Veranstaltungen reserviert ist, blickt man aus bodentiefen Fenstern auf die Metropole, es gibt Sekt. Über die Quadratmeterpreise möchte der Makler nicht sprechen, aber der Käufer habe das höchste Schlafzimmer Europas, sagt er. Viele Wohnungen sind immer noch erhältlich. Das verrät viel über Warschau: Nur wenige haben vom wirtschaftlichen Erfolg Polens profitiert, die Löhne wurden kaum angehoben, die Preise hingegen sind gestiegen. Ein Angestellter in einem Café verdient zwei Euro die Stunde.

Gerade von den Glastürmen aus hat Warschau das Gesicht einer dynamischen Stadt: Anzugträger hasten über die Straßen, der Verkehr pulsiert. Es gibt 30 Schauspielbühnen, etliche Museen. Stiftungen setzen sich mit Stadtkultur und -entwicklung auseinander, populär sind Stacja Muranow oder Bec Zmiana. Sie regen Initiativen an, wie etwa die Belebung des Weichselufers. Am Stadtstrand auf der Ostseite des Flusses finden nun Konzerte statt, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass seit der Machtübernahme von PiS eine andere Richtung vorgegeben wird.

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