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Am Anfang steht das Wort - und das Wort ist falsch!

Macht und Risiko der Sprache war auch für Richard von Weizsäcker ein Thema

Stadttheater, Opernhäuser und Bibliotheken in Deutschland erhalten keine „Subventionen". Die permanente Behauptung des Gegenteils in den Medien der Republik zeigt nur, wie wenig Journalismus oft im Feuilleton steckt.

„Wer wie viel bekommt - und was die Karten ohne Subventionen kosten würden", so leitet Dominik Hutter einen in der Süddeutschen Zeitung vom letzten Wochenende ein (Sorry, schon wieder ist die SZ Ausgangspunkt eines Blogbeitrags, aber besser auf die Großen als auf die Kleinen). Dann listet er auf, welcher Kulturbetrieb in der bayerischen Landeshauptstadt in welcher Höhe vom Staat bezuschusst wird: Pinakotheken und Kammerspiele, die Oper und die Philharmoniker. „Spitzenreiter im städtischen Subventionszirkus ist die Stadtbibliothek", lässt Hutter den Artikel dann nicht nur in ein bemerkenswert schräges Bild abdriften, sondern auch vollends in die neoliberale Propaganda.

„Kultur" ist in der Bundesrepublik Deutschland laut Grundgesetz . Zu denen gehören im Staatskonstrukt formaljuristisch auch die Kommunen. Beide Ebenen zusammen sind - in unterschiedlichen Körperschaftsformen und Anteilsgrößen - Eigentümer der rund 140 Staatlichen Bühnen im Land, ihrer Orchester und Ballette, von mehr als 4000 Museen und gut ebenso vielen Bibliotheken (es gibt noch mehr, aber die sind nicht staatlich). Diese Einrichtungen betreibt und finanziert die Öffentliche Hand, meist auf Grundlage der jeweiligen Länderverfassungen. In Nordrhein-Westfalen ist es §18 der Landesverfassung , der die Pflege und Förderung von Kultur, Kunst und Wissenschaft aufträgt.

„Subventionen" sollen privatwirtschaftliche Unternehmen in einem Markt etablieren oder stützen. Die Empfänger gehören dem Staat nicht. Sie bekommen jedoch Hilfen aus den öffentlichen Haushalten, weil damit ein politisches oder gesellschaftliches Ziel verfolgt wird: Die Energiewende zum Beispiel oder die Erhaltung des Bergbaus. Der Export kann unterstützt werden oder die Landwirtschaft, um dauerhafte Versorgungssicherheit herzustellen oder sozioökonomische Landschaften zu erhalten. Aber weder betreibt der Staat die Energieversorger und Bauernhöfe, noch sind sie in öffentlicher Hand.

Die in Hutters SZ-Artikel wie an vielen anderen Orten als „subventioniert" beschriebenen kulturellen Angebote werden hingegen von Ländern, Städten und Gemeinden selbst oder in Tochtergesellschaften betrieben. Ihre Etats sind - bis auf einen mehr oder minder geringen Anteil aus Ticketerlösen und Spenden - durch Steuergelder finanziert. Diese Einrichtungen haben in unserem Gemeinwesen de facto (nicht de jure, weil sie keine Pflichtaufgaben sind - anderes Thema) den gleichen Status wie Polizei, Schulen oder Kindertagesstätten: Sie nehmen Aufgaben im Rahmen der Landesverfassung wahr. Doch käme wohl niemand auf die Idee zu behaupten, Kommissariate oder Grundschulen würden „subventioniert". Sie werden „öffentlich finanziert" - und das gilt auch für städtische Theater, Museen und Büchereien.

Woher stammt die Mär von der „Subvention" dieser Angebote? Ich weiß es nicht, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass ich einen Urheber und eine erste Erwähnung ausmachen könnte. Ich weiß aber, dass die Ersetzung des Begriffs „Finanzierung" durch „Subvention" ein beliebter Kniff derjenigen ist, für die nicht das Primat der Politik, sondern das der Ökonomie gelten soll. Zuende gedacht heißt das immer, dass ein im Sinne der Allgemeinheit ordnender Staat überflüssig ist, weil der Markt alle Dinge regelt; zumindest jene, für die man zahlt. Und das stimmt auch: Der Markt würde in der Kultur sofort regeln, dass es Opernaufführungen, Faust-Inszenierungen oder die umjubelten deutschen Tanztheater nicht mehr gäbe. Zwar könnte sich ein sehr zahlungskräftiges Publikum - die gegenwärtige Gesamtkalkulation für ein Opernticket beginnt bei ca. 200 Euro - einen Besuch von „Tannhäuser" oder „Fliegendem Holländer" auf den ersten Blick weiter leisten ... aber nicht auf den zweiten: Denn die Aufführungsorte und die einzelnen Inszenierungen müssten dazu ja auch dauerhaft rentabel sein. Das ist schon beim Blick auf die deutlich populäreren und trotzdem immer hart an der Pleite entlang segelnden Musicals schlicht ausgeschlossen. Das heißt: Keine Opernkultur mehr, so wie wir sie kennen. Auch nicht in Berlin, Hamburg, Köln oder Stuttgart. Und Stadtbüchereien schon mal gar nicht: Jede einzelne Ausleihe würde in München 2,86 Euro extra kosten, hat Hutter (richtig) ausgerechnet. Das wäre das Ende der Allgemeinzugänglichkeit von Literatur, für Grundschüler, Hartz-IV-Empfänger oder Studenten. Nur, damit das auch wirklich allen klar ist.

Übrigens: Auch in der FAS, in der ZEIT oder ( das sind nur drei spontan herbei gegoogelte Beispiele für eine ganze Armada von Artikeln und sicher auch Rundfunkbeiträgen) tuten mit Hutter ins „Subventions"-Horn. Doch die Finanzierung von Kulturangeboten durch die Öffentliche Hand so zu nennen ist mehr als nur Stuss und außerdem natürlich sachlich, sprich: journalistisch, falsch. Es ist auch ein Spiel mit dem Feuer - vor allem und gerade für das Feuilleton.

Es heißt nämlich, ausgerechnet den Gegnern des Kulturstaates bisheriger Prägung in die Karten zu spielen, indem man ihre Terminologie übernimmt. Doch das Sein bestimmt das Bewusstsein, und über die Worte der Kulturfinanzierungsgegner landet man zwangsläufig auch in ihrer Logik. Nach der sind Droste-Hülshoff, Schiller und Palucca, Anne Lepper, Ewald Palmetshofer und Sasha Waltz nur Marktteilnehmer wie Joanne K. Rowling und Ashton Kutcher. Bis sich das eines Tages auch für Jederfrau und -mann als spürbar falsch herausstellt, wird es allerdings zu spät sein. Unique Selling Point „Kulturstaat"? Leider ausverkauft!

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