Paula Lochte

Journalistin | Radio, Print & Podcasts, München

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Adeles Mega-Konzerte: Gut für die Wirtschaft – schlecht für Newcomer

Adele kommt für 10 Konzerte nach München | Bild: picture alliance / empics | Yui Mok

Superstar Adele kommt im August für zehn Konzerte nach München. Fans in ganz Europa freuen sich – doch die Konzerte werfen auch Fragen auf: nach umstrittenen Veranstaltern, Ticketwahnsinn und Exklusivverträgen der Messe München.


„Hello“, singt die britische Musikerin Adele in ihrem gleichnamigen Song. Im August kommt sie nach München. Und die Münchner Stadtgesellschaft antwortet: „Hello from the other side!“ Die Nachfrage ist so groß, dass Adele nicht, wie zunächst geplant, vier Konzerte in der Münchner Messe spielen wird, sondern satte zehn. Es ist das erste Mal seit 2016, das sie auf dem europäischen Festland auftritt – und es sind laut den Veranstaltern die einzigen Shows, die Adele in diesem Jahr in Europa spielt.

„Adele ist genial!"

Das löst Begeisterung aus: „Adele ist genial! Ich gehe natürlich zum Konzert, wenn ich eine Karte kriege", sagt ein Fan. Und selbst ein Gelegenheitshörer findet: „Ich höre sehr selten Adele, aber die Lieder, die ich kenne, wie 'Skyfall', finde ich cool." Nicht so cool: Eine Karte zu ergattern, ist gar nicht so leicht. BR24 hat die Wege zum Ziel zusammengetragen:

"Über die Webseite der Künstlerin war die Registrierung für den Vorverkauf bis zum 5. Februar um 18 Uhr möglich. Am Dienstag (6. Februar) erhalten alle, die sich registriert haben, einen Link. Darüber können die Tickets dann ab Mittwoch (7. Februar) um 10 Uhr für die Termine am 2., 3., 9. und 10. August gekauft werden. Um 14 Uhr beginnt der Vorverkauf für den 14., 16., 23. und 24. August. Für die letzten beiden Termine am 30. und 31. August können Fans ab 18 Uhr Karten kaufen. Der Veranstalter weist darauf hin, dass die Registrierung nicht automatisch ein Ticket garantiert. Wer Kunde oder Kundin bei Telekom oder RTL+ ist, kann ab dem 8. Februar um 10 Uhr Tickets kaufen. Auf dem Portal Ticketmaster beginnt der Vorverkauf am selben Tag um 14 Uhr. Der allgemeine Vorverkauf startet am 9. Februar um 10 Uhr."

BR24

Von Taylor Swift bis Adele: Ticketwahnsinn und Konzertkapitalismus

Sich registrieren, um vielleicht eventuell möglicherweise an Karten zu kommen, bevor sie alle ausverkauft sind: Das war auch bei Taylor Swift soBei ColdplayOder bei der kommenden Fußball-EM. Aber auch wer keine Stadien füllt, wie etwa Romy von The XX, setzt mittlerweile auf die Registrierung für die Option ein Ticket zu kaufen, bevor andere ein Ticket kaufen.

Das ist eine der Blüten, die der Konzertkapitalismus aktuell treibt. Eine andere: Ticketpreise, die bei rund 75 Euro losgehen – und bei über 400 Euro aufhören. So beziffert der Veranstalter die Kosten für einen Adele-Konzertbesuch in München, je nach Kategorie. „Das ist leider zu teuer“, sagt nun der eine Fan. „Immerhin günstiger als Taylor Swift“ ein anderer.

Dass Ticketpreise sich in schwindelerregende Höhen aufschwingen, das liegt auch daran, dass vor einigen Jahren die beiden größten Ticketanbieter der USA miteinander verschmolzen: Ticketmaster und Live Nation. Laut Medienberichten drohen Kartellklagen des US-Justizministeriums. Live Nation veranstaltet nun auch, gemeinsam mit der Leutgeb Entertainment Group, die Adele-Konzerte in München. Wie singt Adele? „We could have had it all!“

„Kleinere Bühnen sterben aus"

Dieses Spiel nicht mitspielen wird Patrick Oginski. Lieber verzichtet er auf den Konzertbesuch auf dem Messegelände. Oginski veranstaltet seit 25 Jahren Konzerte in München und ist im Vorstand des Verbandes der Münchner Kulturveranstaltenden. „Die Adele-Konzerte sind natürlich ein Riesenwirtschaftsfaktor für die Stadt München, vor allem für die Hotellerie, Gastronomie", sagt er. „Aber die Schere zwischen beginnender Newcomer-Kultur und solchen Blockbustern geht immer weiter auseinander." Das mache ihm und dem Verband insbesondere mit Blick auf die Stadt München Sorgen, da hier kleinere Bühnen fehlten: „Orte, wo Bands beginnen können, sterben aus - und das wird ein Riesenproblem sein in den nächsten Jahren."

Und da ist noch ein anderes Problem, sagt Oginski. In München gebe es kaum Flächen für Open-Air-Konzerte. Neben dem Olympiastadion könnte die Messe ein solcher Ort sein. Doch dort hat Adele-Veranstalter Leutgeb, bzw. die sogenannte Global Event & Entertainment GmbH, Exklusivrecht für solche Konzerte. Und zwar noch bis 2025. Das geht aus der Antwort des Münchner Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner auf eine Anfrage mehrerer Stadtratsmitglieder hervor. Patrick Oginski. vom Verband der Münchner Kulturveranstaltenden sagt dazu: „Für einen Verband wie uns, der über 100 Mitglieder vertritt, ist das natürlich schade, wenn ein österreichischer Veranstalter einen Exklusivvertrag hat für ein Gelände, das für alle etwas bieten könnte."

Exklusivvertrag mit umstrittenem Veranstalter

Wie kommt es zu diesem Exklusivvertrag? Das Münchner Referat für Arbeit und Wirtschaft verweist auf Zündfunk-Nachfrage auf die Messe München GmbH. Zu deren Gesellschaftern zählen zwar auch der Freistaat und die Stadt, sie ist aber kein öffentlicher Auftraggeber. Und muss die Vergabe von Großveranstaltungen deshalb nicht ausschreiben.

Trotzdem profitiere die Öffentlichkeit, sagt Münchens Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner: „Die Veranstalter bezahlen ja auch fürs Messegelände“, sagt er. Das Messegelände stehe normalerweise im Juni und August leer. „Das heißt, ein Gelände, das normalerweise der öffentlichen Hand keine Miete bringt, dieses Gelände bringt nun wieder Miete.“

Allerdings machten bisherige Veranstaltungen von Leutgeb und Live Nation auf dem Messegelände Negativschlagzeilen: Die Sicherheitskonzepte des Veranstalters wurden als mangelhaft kritisiert. Beim Hip-Hop-Festival Rolling Loud gab es Ausschreitungen. Bei Helene Fischer stand das Regenwasser knöchelhoch. Nach kritischen Berichten zu eben jenem Konzert wurden dem Münchner Merkur und der tz laut Bayerischem Journalistenverband die Akkreditierung für das darauffolgende Konzert von Robbie Williams entzogen. Also, Wirtschaftsreferent Baumgärtner?

„Adele steht außerhalb jeglicher Kritik"

„Für mich kommt es darauf an, dass wir eine Großveranstaltung nach München geholt haben", sagt er. „Und zwar mit einer Künstlerin, die völlig außerhalb jeglicher Kritik steht, ob jetzt Rolling Loud oder was man von den Künstlern halten will." Deshalb träfen alle Befürchtungen nicht auf die Adele-Konzerte 2024 in der Messe zu, so der Wirtschaftsreferent. Und: „Wir haben ein perfekt funktionierendes Kreisverwaltungsreferat, das genauso wie für das Oktoberfest, für das ich auch verantwortlich bin, jedes Jahr absolut gute Sicherheitsplanungen bereitstellt, und das wird auf der Messe genauso sein", so Baumgärtner.

Und was würde Adele selbst wohl zu alldem sagen? Vielleicht würde sie auf ihren Song „Someone Like You" zurückgreifen, in dem sie singt: „Who would have known how bittersweet this would taste."

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