Paula Lochte

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Russland verbietet „die LGBT-Bewegung"

Der Oberste Gerichtshof in Russland hat die „LGBT-Bewegung“ als „extremistische Organisation“ eingestuft. Unklar ist, wer oder was damit gemeint ist, aber am Wochenende folgten bereits Razzien. Betroffene fürchten nun Gefängnisstrafen.


Von Paula Lochte

5.12.2023 - Der Oberste Gerichtshof in Russland hat am Donnerstag auf Antrag des Justizministeriums die „LGBT-Bewegung" als „extremistisch" eingestuft und ihre Aktivitäten auf russischem Territorium verboten. Am Wochenende folgten Razzien in mehreren Homo-Bars und -Clubs in Moskau. Die Polizisten sollen Fotos von Ausweispapieren gemacht haben. Laut Medienberichten soll es auch zu Festnahmen gekommen sein. Offiziell dienten die Durchsuchungen der Drogenfahndung.

Einer der ältesten russischen Gay-Clubs, die „Hauptstation" in St. Petersburg, kündigte zudem kurz nach dem Urteil an zu schließen. Der Vermieter wolle den Mietvertrag nun nicht mehr verlängern.

Wer ist mit „LGBT-Bewegung" gemeint?

Zwar handelt es sich bei „der internationalen LGBT-Bewegung" nicht um eine einzelne Organisation mit klarer Leitung und Mitgliedern. Das Oberste Gericht ließ in seinem Urteil jedoch offen, gegen welche Personen oder Organisationen genau es sich richtet - möglicherweise, um gezielt Unsicherheit unter queeren Menschen zu schüren und diese einzuschüchtern.

Offen ist auch, wie sich das Urteil im Alltag auswirkt. Zwar versicherte der Gerichtshof, das Recht auf Privatsphäre bleibe gewahrt. Dennoch ist unklar, ob beispielsweise Händchenhalten, private Partys oder das Zeigen von Regenbogenfarben bereits als Verstoß geahndet werden.

5.000 Euro Strafe für Musikvideo mit einem Frauenpaar

Bereits vor dem „Extremismus"-Urteil wurde der Bewegungsraum für queere Menschen und Organisationen in Russland immer kleiner. Seit 2011 stellen Gesetze die „Propaganda" von Homosexualität unter Strafe - zunächst gegenüber Minderjährigen, mittlerweile auch gegenüber Erwachsenen. Als „Propaganda" gilt dabei jegliche positive Darstellung von LGBT, etwa in Filmen, Büchern, Werbung oder Medien. Bei Verstößen drohen Geldstrafen.

So verurteilte ein Gericht in St. Petersburg auf Grundlage des „Propaganda"-Verbots am Freitag einen Musikfernsehsender zu einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 5.000 Euro, weil dieser ein Video des russischen Popstars Sergej Lasarew gezeigt hatte. In dem Musikvideo von 2017 tauschen neben heterosexuellen Paaren auch zwei Frauen Zärtlichkeiten aus: Sie umarmen sich, halten Händchen und deuten einen Kuss an. „Tak krassiwo", heißt der Song - „So schön".

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