Samstagmorgen, halb zehn in Brandenburg und knapp über null Grad Celsius. In der Dorfmitte von VehlefaFnz schieben maskierte Menschen ratternd Einkaufswagen über den Edeka-Parkplatz. Im Aschenbecher vor dem Orient Imbiss schwimmen noch die Kippenstummel von gestern. Im Schaufenster der Ahorn-Apotheke ist zu lesen: „ABNEHMEN: Ihr guter Vorsatz für’s neue Jahr“.
Dann kommen sie endlich, die auf dem Wahlkampfflyer versprochenen Pfannkuchen: Marmelade, Pflaumenmus, kleine Kleckse obendrauf, etwas Farbe gegen das Graue und Triste und gratis dazu. Das Fernsehteam von RTL bringt sich in Stellung, die Kamera läuft. Wo ein Promi in die Politik will, da schauen die Leute hin. Und Action, bitte.
Sie leistete sich keine Fehltritte, fiel im Promialphabet nie unter C
Zu feiern gibt es immerhin Maren Gilzer, die FDP-Bürgermeisterkandidatin für Oberkrämer, rund 12.000 Einwohner, Berlins naher Norden. Eine Frau, die fast alle kennen müssten, die in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten seichte Vorabendunterhaltung im Fernsehen suchten: Die Spielshow „Glücksrad“ bei Sat. 1, wo Gilzer von 1988 bis 1998 die Buchstabenfee war, die Ratewand schmückte, ohne ein einziges Wort sprechen zu dürfen; die Serie „In aller Freundschaft“ in der ARD, wo sie von 1998 bis 2014 die tierliebe und chefarztaffine Krankenschwester Yvonne spielte, froh war, irgendwann keine kurzen Röcke mehr tragen zu müssen; das Ekelformat „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ bei RTL, 2015, neunte Staffel, wo Gilzer ohne sichtbaren Würgereiz einen Krokodilpenis, sechs Schweinerosetten und gequirlte Kakerlaken verspeiste und Australien als Dschungelkönigin verließ; Teleshopping auf QVC, wo sie seit 2009 auch mal selbst entworfene Schmuckstücke anpreist, „Safari Collection“, Giraffen, Zebras, Saphire.
Dazwischen gab es immer irgendwo einen roten Teppich für Maren Gilzer, eine Kamera, ein offenes Mikrofon. Sie leistete sich keine Fehltritte, fiel im Promialphabet nie unter C. Das Schicksal klopfte einfach an, sie musste nur die Tür öffnen, hallo, herein, klar, mache ich gerne, „fließende Übergänge“, so nennt sie das. Einen Tag nach der letzten „Glücksrad“-Aufzeichnung stand sie schon wieder beim Casting für „In aller Freundschaft“. Und als sie auch dort der Jugendwahn des Fernsehens die Rolle kostete, ging sie eben ins Dschungelcamp, obwohl sie es vorher aus Imagegründen abgelehnt hatte. Doch dann dachte sie: „Ich zeige es der Jugend.“ Und jetzt also Kommunalpolitik. Die Mühen der untersten Entscheidungsebene. Die kürzesten Wege zwischen Politik und Verwaltung. Die Probleme direkt vor der Haustür. Manche Verstrickungen ein Rätsel. Maren Gilzer möchte lösen. Sie sagt: „Ich habe hier eine Unzufriedenheit festgestellt.“
Auf der Parkplatzparty vor dem Edeka fehlen nur noch die Gäste. „Ich werde dann erst mal die Konkurrenz begrüßen“, sagt Maren Gilzer und stellt die Pappschachtel auf einen knallgelben Stehtisch.
Sie ist 61 Jahre alt, trägt Strähnchen, Lederjacke, Schuhe ohne Absätze, die Kamera folgt ihr zum Nachbarstand, wo man nach einem Plausch mit einem anderen Bürgermeisterkandidaten ein Schlüsselband bekommt. „Wenn ich berühmt wäre, würde ich die Medien auch für mich nutzen“, wird AfD-Mann Boris Bollert später sagen, fast neidlos.
Mit Pfannkuchen kann man nichts falsch machen. Pfannkuchen sind Geschmackskonsens, parteiübergreifend. Und wer weiß, vielleicht lassen sich sogar Wahlen mit Pfannkuchen gewinnen. An diesem Sonntag will Maren Gilzer ja Bürgermeisterin werden, hauptamtlich, für acht Jahre. Oberkrämer ist eine sieben Dörfer großen Gemeinde, Landkreis Oberhavel. Bei der Bundestagswahl im Herbst lag die SPD vor der CDU, dahinter die AfD, die FDP kam auf 11,3 Prozent.
Wer rauspendelt, nimmt besser das Auto. Wer mit dem Bus ins Nachbardorf fahren will, sollte alle drei Abfahrtszeiten am Tag kennen. Stadt, Land, Flucht. Geschichten, die sich davor fürchten, von Juli Zeh aufgeschrieben zu werden.
Leben in Schlagzeilen, kaum böse Worte
Auf dem Parkplatz in Vehlefanz bricht das Dorfleben aus. Vor dem Edeka-Bäcker hat sich eine Schlange gebildet, im Orient Imbiss dreht der seine ersten Runden, die zwei Vögel da oben könnten vielleicht schon die ersten Störche sein, die zurückkehren. Und wenn der Stromanschluss passt, gibt es bald heißen Glühwein und Apfelpunsch zu den Pfannkuchen. Das zumindest verspricht Gilzers Nachbar und freiwilliger Wahlkampfhelfer, der mit seinem Bus gekommen ist.
Der Fiat Ducato heißt jetzt „Maren-Mobil“ und macht Westerwelles „Guido-Mobil“ keine Konkurrenz, er verliert auch den Größenvergleich mit dem daneben parkenden AfD-Camper. Dafür hat sie einen Aufsteller an der Landstraße postiert: „Maren Gilzer-Kuhlmann, heute Live“. Der wiederum kleiner ist als das Wahlplakat der Kandidatin von der CDU-nahen Gruppierung Bürger für Oberkrämer (BfO). Carolin Schmiel will den aus gesundheitlichen Gründen scheidenden Bürgermeister Peter Leys beerben. Dass der noch im Amt und nicht als Privatperson für sie Werbung gemacht hat, ist ein mittelgroßer Skandal in Oberkrämer.
Seit Sommer 2019 ist Maren Gilzer mit dem Unternehmer Harry Kuhlmann verheiratet. Kennenlerngeschichte, Brautkleidwahl, Trauung auf Schloss Ziethen – alles bei Gala, Bunte oder promiflash.de nachzulesen. Ein Leben in Schlagzeilen, aber kaum böse Worte. Sie war immer vorsichtig, erkannte die Fallen, in die andere traten. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Nacktbilder, als sie noch ein gefragtes Model war, vor ihrer Zeit bei „Glücksrad“ für Wolfgang Joop, Pierre Cardin oder für Karl Lagerfeld lief.
Wenn Männer früher zudringlich wurden, erzählt Maren Gilzer, setzte sie ihren Ellenbogen ein. Und als sie verstand, was Prominenz bedeutet, dass sie plötzlich Fans hatte, die Autogramme von ihr wollten, war sie erst verwirrt, weil sie selbst nie einen Promi angehimmelt hatte. Dann ahnte sie: „Wenn ich diese Vorbildfunktion habe, dann darf ich nicht viel falsch machen.“ Das ist doch mal ein Vorsatz, besser als Abnehmen, kann auch in der Politik nicht schaden.
Sie möchte einen Radiosender für Oberkrämer
„Mein Job ist es, die Wünsche der Bürger einzusammeln“, sagt Gilzer, während sie die ersten neugierigen Blicke der Dorfbewohner erwidert, Hundespaziergänger, Einkaufstaschenträgerinnen, die noch Abstand zum „Maren-Mobil“ halten. „Und dann will ich dafür sorgen, dass diese umgesetzt werden.“ Da ist kein Konjunktiv. Da ist immer Zuversicht, nie Zweifel, nur ein wenig einstudiert klingt es schon. Maren Gilzer glaubt nun mal an ihren Sieg. Daran, dass sie die Menschen überzeugen kann. Dass sie mehr Ideen hat als die anderen sechs Kandidaten. Zwei Frauen, vier Männer, die mal mehr, mal weniger Veränderung wollen, sich vor allem in ihrer Liebe zum Landleben einig sind. Eine Stichwahl in drei Wochen ist wahrscheinlich.
An diesem Samstagmorgen ist Gilzer noch im Wahlkampf, „Bürgerdialog vor Ort“ steht auf ihrem Flyer, ihre Ideen: mehr Busverbindungen, Carsharing, Gewerbe und Vereinsleben fördern, eine Oberschule bauen; nichts Besonderes, im Grunde wollen das alle Kandidaten. Außerdem auf ihrer Liste: Räume für die Jugend, in jedem Ortsteil eine Gaststätte, Bühnen für Tanz und Theater, Bürgerhaushalt, überhaupt mehr Bürgernähe. Gilzer denkt da an einen Radiosender, „um die Leute besser zu informieren, was in den Gemeindeversammlungen besprochen wird“, mehr Transparenz also. Sie vermutet Klüngel, weiß aber nicht, ob das stimmt, was man sich so erzählt. Als Bürgermeisterin werde sie das erst noch herausfinden. Sie glaubt wirklich an ihren Sieg.
Als Maren Gilzer im November ankündigte, für das Amt zu kandidieren, gab es gleich Kommentare auf Facebook: „Die wohnt in Hennigsdorf, die ist doch keine von uns.“ Oder: „Die ganze Sache ist nur PR.“ Und: „Bestimmt braucht sie Geld.“ Ein Dorf ist wie eine große Familie, nach innen mag es viel Streit geben, aber nach außen, da hält man zusammen, gehen erst mal die Verteidigungsmauern hoch.
Eine Frage, die viele in Oberkrämer umtreibt: Wie viel Zuzug wollen wir? Und jetzt eben auch: Was will eigentlich diese Frau, die man aus dem Fernsehen kennt, aber vielleicht nur einmal vom Edeka-Parkplatz? Die zwar immer so freundlich lächelt – aber was steckt dahinter?
Eine Sache ist ihr wichtig: "Ich bin kein Opfertyp"
So begann Maren Gilzers Wahlkampf, der gleich ein Wettkampf gegen Vorurteile war. Dass Hennigsdorf, wo sie wohnt, gut zehn Kilometer von Oberkrämer entfernt ist, das weiß man hier natürlich. Dass Gilzer Freunde und Bekannte in der Gemeinde hat, das hat man schon mal gehört. Und dass ihr Bruder über zwölf Jahre im Ortsteil Schwante gelebt hat, damals, DDR, und sie deswegen auf die Pfannkuchen vom Bäcker Plentz schwört, das muss ja nichts heißen. Es ist nicht gerade so, dass Oberkrämer auf Maren Gilzer gewartet hat.
Das Gefühl, eine Außenseiterin zu sein, das kennt sie schon. Sie lernte früh, sich zu behaupten. Eine Sache ist ihr wichtig: „Ich bin kein Opfertyp.“
Maren Gilzer wurde 1960, ein Jahr vor dem Mauerbau, in Treptow geboren, Ostberlin. Die Mutter arbeitete im Westen der Stadt und schaffte es rechtzeitig mit der Tochter in den Wedding. Der Vater blieb, wollte nicht mitkommen, die Eltern ließen sich scheiden, nach der Wende scheiterte auch ihre zweite Ehe. Diese Geschichte erzählte Maren Gilzer erstmals vor zwei Jahren in der MDR-Talkshow „Riverboat“. Der Boulevard machte gleich ein Familiendrama daraus.
Als Kind wurde sie oft gehänselt wegen ihres Aussehens. Sie war groß, dünn, trug andere Klamotten, „Tischlers Tochter – vorne platt, hinten gehobelt“, sagten die Jungs auf dem Schulhof. Schubsten sie herum, rissen ihre Mappe herunter, es gab auch mal Schläge. Sie hatte eine beste Freundin damals, „mein persönlicher Bodyguard“, die riet ihr: „Wehr dich!“ Und irgendwann schubste und schlug Maren Gilzer zurück. Heute sagt sie: „Dann hieß es: Oh, die wehrt sich wirklich. Und ich: Aha, freundlich sein ist gut, aber wenn es drauf ankommt, musst du Eier in der Hose haben.“ Die Kommentare auf Facebook sind inzwischen freundlicher geworden. Die beste Freundin war ihre Trauzeugin.
Seit 2017 ist Gilzer Mitglied bei der FDP. In die Politik trieb sie ein allgemeiner Verwaltungsärger und besonders Enttäuschung darüber, dass der Flughafen Tegel geschlossen wurde, trotz Mehrheit beim Volksentscheid, den auch sie unterstützt hatte. Nach einer Parteitagsrede von Christian Lindner in Potsdam spürte sie erstmals Entschlossenheit, selbst politisch aktiv zu werden.
Bei Lindner gerät sie ins Schwärmen. Er spreche ihr aus der Seele, bringe die Dinge auf den Punkt: rückständige Technologie, bürokratische Hürden, schlechte Bildung. Maren Gilzer glaubt: „Wir wären vielleicht woanders, wenn Merkel ihn ernster genommen hätte.“ Andere politische Vorbilder? Franz Josef Strauß, den mochte sie, als sie noch in München lebte. Der sei zwar ein „kleiner Mafioso“ gewesen, habe aber die Stadt aus dem Dornröschenschlaf befreit. Feminismus? „Um Himmels Willen!“
Seit etwa einem Jahr ist Maren Gilzer stellvertretende Vorsitzende des FDP-Ortsverbandes Hennigsdorf, wo sie sich für Hundeauslaufgebiete einsetzt, die Petition „Weg mit der generellen Leinenpflicht“ gestartet hat, die abgeschmettert wurde, sie klagt jetzt dagegen. Im Bundestagswahlkampf hat sie regelmäßig Schulen besucht, gefragt, zugehört. Doch die Sache mit der Kandidatur, die brachte erst der Vorsitzende Uwe Münchow auf; über Maren Gilzer sagt er: „Sie ist unglaublich engagiert, sie steht für Aufbruch.“
Drei Wünsche: Sie wollte berühmt werden, ein Haus und einen Hund haben
Auf dem Parkplatz in Vehlefanz ist Münchow ein geduldiger Blitzableiter. „Schon mal mitgelaufen auf so einer Demo?“, fragt ein Passant, ohne die Antwort abzuwarten. „Da wird gleich von den Regierenden gesagt: Nazis, Querdenker. So ein Quatsch! Die Einzigen, die noch die Wahrheit sagen“, er zeigt zum AfD-Stand, „sind die da, ja, tut mir leid, dass ich das sagen muss.“ Münchow erkundigt sich lieber nicht, ob der Mann mit der FDP-Kandidatin sprechen will.
Die unterhält sich gerade mit einem Ehepaar über die Möglichkeit, Oberkrämer in eine Pilotgemeinde für Elektromobilität zu verwandeln. „Was will Oberkrämer? Weiter wie bisher? Nein, wir müssen Druck aufbauen“, sagt der Mann am Ende. Einen Pfannkuchen will er nicht. Dafür nimmt die Frau einen „Multishot“ mit, den Maren Gilzer, die Start-up-Gründerin, im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrem Mann auf den Markt gebracht hat. In der Bild der Frau stand über das scharfe Getränk aus Ingwer und Aronia: „Das Geheimnis ihrer Power und Ausstrahlung.“ Als sie noch regelmäßig Videos für „Maren Gilzer TV“ auf YouTube drehte, ging es um Promis, Schminktipps und eine mehrtägige Kohlsuppendiät. Zuletzt zeigte sie, wie man Masken aus alten T-Shirts näht. Zu Beginn ihrer Schauspielkarriere notierte Maren Gilzer drei Wünsche auf einen Zettel: Sie wollte berühmt werden, ein Haus und einen Hund haben. Steht so in „Alles für den Ruhm – Wie auch du es schaffen kannst, prominent zu werden“, ihrem Buch, das halb Autobiografie, halb Ratgeber ist, kluge Karrieretipps – beim Casting darauf achten, dass auch Frauen im Raum sind – mit Glückskeksbanalitäten vermischt: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Alle drei Wünsche gingen in Erfüllung. Maren Gilzer scheint ohnehin ein glückliches Leben zu führen. Ihren 60. Geburtstag einen Monat vor dem ersten Lockdown feierte sie unter dem Motto „sweet sixty“.
Wenn man sie anruft, ist sie meistens auf einer Baustelle, zwei Projekte begleitet sie zurzeit. Gilzer, die Bauzeichnerin gelernt und bis 1984 am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Charlottenburg gearbeitet hat, besitzt nicht nur ein Haus, sie saniert und renoviert auch andere Immobilien. Kauft, verkauft, seit der Wende schon, mit einer Eigentumswohnung in Tiergarten fing alles an. Geldsorgen sind nicht der Grund für ihre Kandidatur.
In einer Onlinerunde mit allen sieben Bürgermeisterkandidaten sagte sie: „Ich kann einen Bauplan lesen. Ich weiß, welche Schraube in welchen Dübel gehört.“ Die anderen sprachen über ein klimaneutrales Oberkrämer, eine Energiegenossenschaft, sie wussten, welcher Radweg wo fertiggestellt werden muss und aus eigener Erfahrung, worüber der Kitaausschuss zurzeit berät. Maren Gilzer blieb engagiert, aber vage, war schlechter vorbereitet, wirkte nervös, manchmal fahrig, sagte „Fernsehsender“, obwohl sie doch einen Radiosender gründen will. Das ärgert sie. Sie gibt es auch zu. Und wischt den Gedanken daran gleich wieder weg. Ihr sei aber schon aufgefallen, dass sie mehr Ideen habe als die anderen.
Maren Gilzer will das Große erreichen, darf gleichzeitig nicht die Kleinigkeiten vergessen, die Details der Gemeindearbeit, das weiß sie selbst. Sie sagt: „Viele sehen den Diamanten am Horizont und sehen die kleinen Edelsteinchen am Wegesrand nicht.“ Sie hat früher bestimmt schöne Einträge in Poesiealben geschrieben.
Eine gute Verkäuferin ist sie auch. Eine Macherin, Menschenfängerin. Sie kommt zackig in einen vertraulichen Plaudermodus, erzählt gerne von früher, weil das Früher die Leute interessiert, immer noch. Aus Gilzer haben schon viele „Glitzer“ gemacht, mit lieben Grüßen aus der Wortspielhölle.
„Wir bewundern hier die Buchstabenfee und Dschungelkönigin“, sagt eine Frau, die sich noch nicht traut, näher an den Wahlkampfstand zu treten. „Im Dschungelcamp war sie auch?“, fragt ihre Begleiterin. Ein paar Minuten und einen Pfannkuchen später sagt die eine: „Nett ist sie schon mal.“ Und die andere: „Sehr nett.“
Aale, Maden und Schlammkrebse
Sie sei immer so kindisch und albern, sagen ihre Freunde manchmal. Maren Gilzer kann aber auch mal laut werden, wenn ein Bauarbeiter sie nicht ernst nimmt, ihr kein Baustellenwissen zutraut. In ihrem Buch steht: „Ich hatte immer ein Problem damit, nicht für klug gehalten zu werden.“ Sie hat das immer weggelächelt. Auf dem Laufsteg. Vor der Ratewand. Im Dschungelcamp.
Dort musste ausgerechnet die frühere „Buchstabenfee“ bei einer Prüfung namens „Un-Glücksrad“ Wörter buchstabieren, durch Schleim rotierend, während Aale, Maden und Schlammkrebse auf sie einprasselten. Bei „Python“ kam sie bis zum O, das H allerdings fehlte. In einer Vorabmeldung schrieb RTL, Gilzer hätte „Pytos“ aus „Python“ gemacht. Was nicht stimmte. Die Bild am Sonntag titelte: „Maren versagt beim Buchstabieren.“ Sie selbst sagte: „Beim Glücksrad damals waren die Buchstaben ja beleuchtet." Und lächelte unverdrossen in die Kamera.
Heute sagt sie: „Selbst wenn ich mich blamiere, kann ich darüber lachen.“ Im Dschungelcamp habe ihr das sehr geholfen. Als die anderen Kandidaten sich anstrengten, irgendeine Rolle zu spielen, um den Zuschauern zu gefallen, spielte sie einfach nur sich selbst. Freundlich, ehrlich, zupackend, sie nahm die Jüngeren in den Arm, tröstete. Diese Staffel gilt als die langweiligste in der Dschungelcampgeschichte. Am Ende hatte sie gewonnen. Und wer das schafft, kann alles schaffen, so denkt sie darüber. „Geht nicht, gibt’s nicht“ ist ihr Lebensmotto und ihr Wahlkampfslogan zugleich. Sie will es beweisen. Falls man sie lässt.
An drei Wochenenden stand das „Maren-Mobil“ in Oberkrämer, vor Supermärkten, Kirchen und Turnhallen, eine Sache sei ihr nach den vielen Gesprächen besonders aufgefallen, sagt Maren Gilzer. Die Gesellschaft sei hier gespalten. „Die einen finden es toll, wie es läuft, sie sind zufrieden mit der Regierung, die sie auch beschützen und verteidigen. Die anderen sagen: So kann es nicht weitergehen, wir wollen einen Wandel.“ Sie habe noch kein Gefühl dafür, in welche Richtung das Pendel ausschlagen wird. Genauso wenig, wie Oberkrämer in diesem kurzen Wahlkampf ein Gefühl dafür haben kann, ob sie die Richtige ist.
Kurz vor ein Uhr mittags in Vehlefanz, kein Fetzen Blau am Himmel, zwei Männer sitzen rauchend vor dem Orient Imbiss, die Bürgermeisterkandidatin spricht noch einmal mit RTL, friert unter der Lederjacke. In einer Stunde geht es im Nachbardorf weiter, die Pfannkuchen werden sicherlich reichen. Maren Gilzer sucht ein abschließendes Bild, das ihre Ausgangslage hier in Oberkrämer beschreibt und noch einmal ihren Willen, diese Wahl gewinnen zu wollen, dann sagt sie etwas, das nicht gerade nach Hoffnung klingt: „Ich bin halt Don Quijote, ich werde gegen Windmühlen kämpfen.“
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