Ich empfinde große Freude an der Eva-Figur. Ich fand sie schon immer unheimlich spannend, weil sie eine sehr tragische Figur ist, ein Opfer ihrer Zeit. Sie wird zu einer Ehe gezwungen mit einem viel zu alten Mann, mit dem sie überhaupt nichts verbindet. Und sie hat eine gewisse emotionale Abgeklärtheit - was sich in den Staffeln schon daran zeigt, dass sie als Krankenschwester in einer forensischen Klinik arbeitet. Dieser Mangel an Empathie bringt sie dazu, dass sie sich lieber prostituiert als weiterhin in Abhängigkeit von ihrem Mann zu leben. Ich bin froh, dass sie in der dritten Staffel neue Abgründe erfährt und letztendlich aus der Not heraus ihren Mann erpresst.
Inwiefern können Sie sich selbst mit der Figur identifizieren?Es gibt an der Figur wenig, mit dem ich mich selbst verbinden kann. Das Gefühl, mit dem ich mich noch am ehesten identifizieren kann, ist das, als ich noch unter den Fittichen meiner Eltern stand und deswegen in familiären Machtstrukturen feststeckte. Jetzt bin ich ja zum Glück erwachsen, aber da kann ich aus dem Verhältnis zwischen Eva und ihrer Mutter Caterina Verbindungen ziehen.
In welcher Hinsicht?Da ich deutsch-russisch erzogen wurde und meine Eltern immer großen Respekt eingefordert haben, musste ich gewisse Machtwörter akzeptieren. Aber es war definitiv noch etwas harmloser als bei „Ku'Damm".
In der Serie geht es um die Unterdrückung der Frau in den 50er- und 60er-Jahren. Inwiefern hat „Ku'Damm" Ihren Blick auf die Frau in der Gesellschaft verändert?„Ku'damm" hat es geschafft, die Stellung der Frau nochmal in den Fokus zu rücken. Ich hatte mich vorher noch nie so sehr mit dem Frau-Sein auseinandergesetzt, und wie anders die Welt vor gerade einmal 50 Jahren noch war. Die „Metoo"-Debatte 2017 war für mich bereits ein Augenöffner, weil sie in eine interessante Zeit meines Frau-Seins gefallen ist. Ich war da Mitte Zwanzig, und hatte ehrlich gesagt noch nicht so sehr reflektiert, wie ich als Frau in der Gesellschaft agiere. Ich bin sehr froh, dass diese Debatte aufgekommen ist, um zu überprüfen: Was ist noch zu tun, wo gibt es noch toxische Männlichkeit, wo gibt es noch strukturelle Probleme in der Gleichberechtigung, wo können wir noch anpacken?
Was hat sich seit der Metoo-Debatte in der Filmbranche getan?
Es passiert zwar etwas, es gibt einen Wandel. Dennoch sitze ich manchmal auf der Couch und möchte mal wieder einen Film mit einer Frau ansehen, weil mir klar wird: Ich habe jetzt 14 Tage lang Filme mit Männern in den Hauptrollen geschaut. Deshalb glaube ich, ist da noch Luft nach oben. Ich beobachte durchaus mit einer gewissen Frustration, dass es sehr viel mehr Rollen für Männer gibt und es sehr viel mehr Klischees gibt, die wir Frauen in Filmen bedienen.
Welche Klischees meinen Sie?Es gibt diesen berühmten Test, den Bechdel-Test, mit dem man Stereotypisierungen von Frauen in Filmen überprüfen kann. Unter anderem stellt der Test die Frage, ob die Figur, die ich spiele, nicht über Männer redet. Und da fällt eigentlich fast jede weibliche Figur durch. Und das finde ich erschreckend. Darauf basierend habe ich mal überprüft, wie viele Figuren ich schon gespielt habe, die sich nicht über Männer definieren - und das war eine ziemlich mickrige Anzahl.
Wären Sie gerne in den 50er- und 60er-Jahren eine junge Frau gewesen?Ich wäre bestimmt gerne mal in die Zeit eingetaucht. Aber hätte ganz sicher nicht als Frau in dieser Zeit leben wollen, einfach, weil eine so große Abhängigkeit von Männern bestand und die Möglichkeiten für Frauen damals sehr begrenzt waren. Ich empfinde große Demut, in die heutige Zeit hineingeboren zu sein; in der eine Frau in der westlichen Welt jede Möglichkeit und gleichberechtigten Zugang zu Bildung und zu gesellschaftlicher Mitsprache hat. Trotzdem glaube ich, dass neue Schwierigkeiten hinzugekommen sind. Nun muss eine Frau noch mehr Rollen bedienen können und wird dafür wieder gesellschaftlich beäugt. Jetzt muss eine Frau Karriere machen, aber auch Mutter und Ehefrau sein. Da würde ich mir eine größere Lockerheit wünschen.
Womit haben Sie als Schauspielerin an Filmsets zu kämpfen?Dazu kann ich nicht so viel sagen. Ich kann nur allgemein als Filmschaffende sagen: Wir haben immer wieder mit knappen Budgets oder langen Drehtagen zu tun und mit sehr viel Druck. Und auch die Massenproduktion, die wir ja auch von der Couch aus auf Streamingdiensten genießen, färbt auf die Produktionsweise ab - das empfinde ich häufig als anstrengend. Aber das Problem würde ich branchenübergreifend sehen, und auch nicht nur in Bezug auf Frauen.
Das Gespräch führte Patricia Friedek.Emilia Schüle
ist eine deutsche Schauspielerin. Sie wurde 1992 in Blagoweschtschensk, Russland geboren. Ihren Durchbruch hatte sie 2008 mit dem Kinofilm „Freche Mädchen".
„Ku'Damm" im ZDF
„Ku'damm 63" ist die dritte Staffel einer neunteiligen Serie im ZDF, nach den beiden Staffeln Ku'Damm 56 und Ku'Damm 59. Die Serie behandelt die Geschichten der Familie Schöllack und ihrer Tanzschule am Kurfürstendamm, die exemplarisch für zahlreiche Biografien der 50er- und 60er-Jahre in Berlin stehen. Sie sollen darstellen, wie in dieser Zeit das Leben und der Wert einer Frau über den Platz an der Seite ihres Ehemannes bestimmt wurden. Die drei Filme werden am 21., 22. und 24. März jeweils um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Ab Samstag, 20. März um 10 Uhr ist die dritte Staffel in der ZDF Mediathek zu sehen. Die beiden alten Staffeln werden derzeit Freitags um 20.15 Uhr auf 3Sat wiederholt und sind in der 3Sat Mediathek abrufbar.