Politikwissenschaft, das ist eine empirische Wissenschaft. Diese in Anwesenheit
von wissenschaftlichen Neulingen stets
ermahnend auszusprechende Formel bekamen wir oft zu hören, als ich vor etwa
einem Jahr mit fünf Kommilitonen in
einem Bachelorkolloquium saß. Die Veranstaltung sah vor, dass wir gemeinsam
mit unserem Professor für Politikwissenschaft Themen für unsere Bachelorarbeit
erarbeiteten, diskutierten und die Mitanwesenden regelmäßig über den Stand
unserer Untersuchung informierten. Die
Universität hatte eine bis zum Reduktionismus reichende klare methodische Ausrichtung, so dass von Vornherein feststand, in welchen Bahnen wir uns zu
bewegen hatten. Das nicht so heimliche
triadische Motto unserer Fakultät – analytisch, empirisch, quantitativ – duldete
keine Abweichung. Und wer hätte schon
abweichen können angesichts einer Ausbildung, die nichts anderes in das Curriculum aufnahm?
Also näherten wir uns pflichtbewusst,
das heißt empirisch-analytisch und mit
allen möglichen Quanta im Kopf, unserer jeweiligen Fragestellung. »Ich würde
gerne über den Zusammenhang von politischer Sozialisation und rechtspopulistischen Einstellungen schreiben«, lautete etwa ein Vorschlag. »Haben Sie dafür
einen Datensatz?« lautete die Frage unseres Professors. Bis uns alle Überreste qualitativer oder gar normativer Flausen ausgetrieben waren, vergingen ein oder zwei
Wochen. Als jeder eine empirisch-quantitativ bearbeitbare, streng analytisch interessierte Fragestellung gefunden hatte,
waren wir so weit, eine andere Welt betreten zu dürfen. Sie wurde »Digraph« genannt.
Oliver Weber
Student / Autor, Regensburg
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