Herr Otto, wie haben Sie es damals geschafft, als junger Schauspieler eine große Rolle bei James Bond zu ergattern? Das war eine verrückte Geschichte. Ich stand einige Monate zuvor bei einer deutsch-englischen Co-Produktion namens „The Wanderer" vor der Kamera. Ich hatte eigentlich nur eine ganz kleine Rolle. Aber die Casterin Debbie McWilliams, die bei dieser Produktion für die englische Besetzung zuständig war, erinnerte sich zwei, drei Jahre später an mich. Das war mein großes Glück. Ich wurde dann zum Casting für James Bond eingeladen.
Das klingt aufregend... Ich hatte mir angewöhnt, das alles entspannt anzugehen. Kurz zuvor war ich auch für eine Rolle bei einem Film mit Arnold Schwarzenegger im Gespräch, der damals zu den größten Stars der Welt zählte. Plötzlich wurde der ganze Film abgesagt. Mit diesen Unsicherheiten muss ein Schauspieler umgehen. Mir war klar: Auch wenn ich ein Casting für James Bond habe, bedeutet das noch gar nichts. Denn die Chance, dass ich die Rolle bekomme, schien sehr klein zu sein. In unserem Beruf, gerade bei Castings, ist die Akzeptanz einer Niederlage sehr wichtig. Das entspannt einen ungemein. Ich hatte beim Casting ein Gespräch mit dem Regisseur Roger Spottiswoode, der mich fragte, was ich bislang so gedreht hätte. Ich antwortete, dass ich bislang hauptsächlich Theater gespielt habe. Viel gedreht hatte ich noch nicht. Ich war mir sicher, er würde mich doof finden. Dann ging es weiter zur Produzentin Barbara Broccoli. Sie gab mir 20 Sekunden für eine Bewerbungsrede. Ich sagte dann nur: „I'm big, I'm bad, I'm bald, I'm German. Five seconds, keep the rest". Ich hatte eben nichts zu verlieren. Offenbar hinterließ ich dennoch einen guten Eindruck. Später gab es noch ein zweites Casting. Aber ich war der einzige, der für diese Rolle vorgesehen war.
Wie haben Sie erfahren, dass Sie die Rolle spielen dürfen? Ich bekam den Anruf, als ich im Fußball-Stadion das Münchner Derby zwischen 1860 München und dem anderen Verein aus dieser Stadt verfolgte. Ich wusste, dass ich bald einen Anruf bekommen und eine Zu- oder Absage erhalten würde. Aber aufgrund der Erfahrung mit dem Schwarzenegger-Film blieb ich dennoch entspannt. Die Dreharbeiten begannen für mich etwas merkwürdig. Ich war die ersten drei Tage komplett mit Kostüm und Maske am Set, wurde aber nicht gebraucht. Ich hatte schon befürchtet, dass das vielleicht so bleiben würde. Aber dann ging es am vierten Tag los. Ich stand insgesamt 16 Wochen vor der Kamera.
Waren die Dreharbeiten eine völlig andere Welt als Ihre Erfahrungen in Deutschland? Absolut. Ich sage immer: Die kochen auch nur mit Wasser, aber der Topf ist viel, viel größer! Ob man so ein hohes Budget benötigt und dadurch einen besseren Film macht, weiß ich nicht. Aber es ist schon ein extremer Unterschied. Ein Beispiel: Weil ich bei dieser Produktion auf der Cast-Liste an Nummer 4 stand, bekam ich eine Suite in einem gefühlten 28-Sterne-Hotel. Das wollte ich gar nicht haben. Mir wäre ein ganz normales Apartment lieber gewesen. Viele andere wurden schließlich auch in einem kleinen Apartment untergebracht. Als ich sagte, mir würde ein Apartment ebenfalls genügen, bekam ich das auch. Allerdings war das in meinem Fall ein Mega-Apartment mit einer 130-Quadratmeter-Dachterrasse in bester Lage. So etwas würde einem in Deutschland nicht passieren (lacht). Die Dreharbeiten verliefen natürlich auch anders, weil die technischen Aspekte und die Stunts eine wichtige Rolle einnehmen. Wir hatten weniger Zeit zum Proben als bei vielen anderen Produktionen.
Waren Sie durch Ihre Rolle in James Bond dann plötzlich ein etablierter Schauspieler, der sich die Rollen praktisch aussuchen kann? Nein, nicht so wie ich gedacht hätte. Ich habe schon das eine oder andere Filmangebot bekommen und drehte zum Beispiel mit Christopher Lambert den Film Beowulf. Aber es ist nicht so, dass mir ein Blockbuster nach dem anderen angeboten wurde. Gerade aus Deutschland bekam ich nur wenig anfragen. Ich war froh, dass ich international drehen konnte. Dabei waren und sind meine Sprachkenntnisse ein großer Vorteil. Ich spreche neben Deutsch und Englisch auch Französisch relativ fließend, weil meine Eltern dort leben. Ich habe auch schon in Russisch, Spanisch und Norwegisch gedreht, obwohl ich diese Sprachen selber gar nicht spreche. Ich habe diese Rollen dann mit einem Dialogue-Coach erarbeitet.
Haben Sie auch einmal echte Durststrecken erlebt? Absolut. Ich bin mit meinen 1,98 Metern relativ groß. Und allzu viele Rollen gibt es für große Menschen nicht. Umso wichtiger ist es für mich, auch im Ausland drehen zu können. Durststrecken gehören in diesem Beruf einfach dazu. Ich denke, das haben 99,9 Prozent aller Schauspieler erlebt. Ich würde sagen, dass die zwei, drei Jahre nach James Bond sogar die schwierigsten waren. Ich konnte selber nicht verstehen, warum aus Deutschland keine Rollenangebote kamen und selbst aus dem Ausland nur wenig. Das genügte nicht, um wirklich gut davon zu leben. Und ich hatte als Vater Verantwortung. Ich bin vierfacher Vater. Als ich James Bond drehte, hatte ich auch bereits zwei Kinder. Mein erstes Kind bekam ich bereits als Schauspielschüler.
Das klingt nach einem ungünstigen Timing. Als Schauspielschüler weiß man schließlich nicht, ob und wann man Geld verdient... Das Kind war nicht geplant. Aber ich war noch zu jung, um mir über diese Verantwortung wirklich Gedanken zu machen. Ich hatte als Schauspielschüler überhaupt keine Ahnung, wie es danach weitergehen würde. Ich glaube, es ist in diesem Beruf auch gar nicht möglich, sich spezielle Ziele zu setzen. Wie soll das gehen? In der Karriere eines Schauspielers ist Glück die große Triebfeder. Natürlich braucht man auch Talent, natürlich muss man gute Arbeit leisten. Aber das Wichtigste ist das Glück, dass einen jemand haben will. Wir haben in unserem Beruf den Nachteil, dass wir keine Akquise betreiben können. Man kann nicht einen Regisseur anrufen und erzählen, wie begabt man sei und dass man gerne besetzt werden würde. Das funktioniert nicht. Wir sind darauf angewiesen, dass man uns haben möchte.
Noch bevor Sie die Rolle bei James Bond bekamen, ergatterten Sie eine kleine Rolle bei Schindlers Liste von Steven Spielberg. Wie sind Sie damals als junger Schauspielschüler im letzten Ausbildungsjahr bei dieser Produktion untergekommen? Das war sehr schräg. Ich kam von der Schauspielschule nach Hause und bekam eine Nachricht, dass ein Herr Fleischhacker aus Wien angerufen hätte.
Der Casting-Direktor Fritz Fleischhacker... Genau. Aber damals wusste ich nicht, wer das sein sollte. Mir war nicht klar, dass das ein Casting-Direktor war. Fleischhacker aus Wien klang für mich irgendwie komisch. Ich habe erst zwei Wochen später dort angerufen. Erst dann erfuhr ich, dass er einen Film von Steven Spielberg besetzt. Die Rolle, für die er mich anfragen wollte, war allerdings schon besetzt. Zwei Wochen später rief er allerdings erneut bei mir an und fragte, ob ich Zeit hätte, für drei Wochen nach Krakau zu fahren und zu drehen. Das habe ich gemacht. Meine Rolle war eine gehobene Statisterie. Trotzdem war es total abgefahren, bei einer großen Hollywood-Produktion mitzuspielen und dann auch noch mit Steven Spielberg zu arbeiten.
Zurück zur Gegenwart: Im Gegensatz zu vielen anderen bekannten Schauspielern lassen Sie sich nicht von einer Privatagentur vertreten, sondern von der ZAV. Was ist der Grund dafür? Ich wurde früher von einer privaten Agentur vertreten, habe mich später aber dagegen entschieden.
Was war der Grund dafür? (überlegt lange) Wenn man bei einer privaten Agentur ist, wäre es schön, wenn sie einem das Gefühl gibt, man wäre das beste Pferd im Stall. Ob das wirklich der Fall ist, ist dabei gar nicht so wichtig. Aber eine Agentur kann einem Schauspieler das Gefühl geben, dass sie an ihn glaubt. Unser Beruf ist so volatil und das Einzige, was uns diesbezüglich beruhigt, ist die Bestätigung von Anderen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn du eine Agentur hinter dir hast, die daran glaubt, dass du Arbeit bekommen wirst - selbst wenn du diese gerade nicht hast. Letztendlich aber ist das für mich Augenwischerei.
Inwiefern? Die Qualität eines Schauspielers hat nichts mit seiner Agentur zu tun. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland eine Agentur für einen Schauspieler die Karriere richtig anschubsen kann. Mir ist jedenfalls niemand bekannt. Die großen Agenturen haben oft die Schauspieler unter Vertrag, die bereits zuvor eine tolle Rolle gespielt haben oder bekannt geworden sind. Das ist jedenfalls mein Eindruck. Daher brauche ich keine vermeintliche Sicherheit, die eine Agentur in der Realität ohnehin nicht bieten kann. Man muss einfach mit dieser Unsicherheit leben. Ich habe keine Ahnung, wie es nächste Woche oder nächsten Monat weitergeht. Dies auszuhalten, ist die größte Schwierigkeit in unserem Beruf - ob nun mit oder ohne Privatagentur.
Interview: Oliver Jensen