Oliver Burgard

Journalist, Redakteur, Redaktionsleitung, Berlin

1 Abo und 1 Abonnent
Interview

Kann sich jeder ein Studium leisten?

Interview mit einer Expertin für Finanzberatung beim Studentenwerk Hannover für ZEIT-Studienführer und ZEIT-Campus


ZEIT Campus: Frau Tepel, Studieren ist ganz schön teuer. Kann trotzdem jeder an die Uni?

Karen Tepel: Niemand sollte aus finanziellen Gründen auf ein Studium verzichten. Das muss auch gar nicht sein, denn es gibt viele verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten: Unterstützung durch die Eltern ist nur eine davon. Weitere sind Jobs, Stipendien, Kindergeld und vor allem Bafög.

ZEIT Campus: Bafög muss man zurückzahlen. Was, wenn man später arbeitslos ist oder wenig verdient?

Tepel: Zunächst einmal muss man nicht alles zurückzahlen. Bafög ist nur zur Hälfte ein Darlehen. Zur Hälfte ist es ein Zuschuss, dieser Anteil ist also quasi geschenkt. Der Darlehensanteil ist überdies zinsfrei und damit günstiger als ein Bankkredit. Mit der Rückzahlung muss man erst fünf Jahre nach dem Förderungsende beginnen. Wer dann noch unter eine Mindesteinkommensgrenze fällt, kann die Rückzahlung verschieben.

ZEIT Campus: Bafög beantragen bedeutet Papierkrieg.

Tepel: Der Aufwand ist wirklich überschaubar. Die Formulare für den Antrag kann man in einer guten Stunde ausfüllen. Zusätzlich braucht man noch einige Nachweise, zum Beispiel eine Einkommensbescheinigung der Eltern.

ZEIT Campus: Lohnt sich der Antrag auch, wenn man dann vielleicht nur 20 Euro bekommt?

Tepel: Auf jeden Fall! Warum sollte man auf den geschenkten Anteil verzichten? Außerdem kann man als Bafög-Empfänger Vergünstigungen nutzen, etwa die Befreiung vom Rundfunkbeitrag.

ZEIT Campus: Welche Geldquellen kann man anzapfen, wenn man wenig oder kein Bafög bekommt?

Tepel: Zunächst sollte man mit seinen Eltern sprechen. Verdienen sie genug, sind sie gesetzlich verpflichtet, die Ausbildung ihrer Kinder bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss zu finanzieren, also mindestens bis zum Bachelor. Beginnt das Masterstudium direkt danach, gilt dies in der Regel auch bis zum Masterabschluss. Zahlen die Eltern keinen Unterhalt, kann man einen Antrag bei der Familienkasse stellen, um das Kindergeld selbst zu erhalten.

ZEIT Campus: Man kann ein Studium auch mit speziellen Studienkrediten oder mit Bildungsfonds finanzieren. Ist das eine gute Idee?

Tepel: Das kommt drauf an. Studienkredite sollte man möglichst nicht als alleinige Finanzierung nutzen, sondern nur als Ergänzung. Und das auch nur dann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Viele Studenten übersehen zum Beispiel, dass sie ein Stipendium bekommen könnten oder Sozialleistungen wie Wohngeld. Wenn nichts anderes geht, kann ein Kredit durchaus sinnvoll sein – etwa in der Examensphase, wenn man sich ohne Geldsorgen auf die Uni konzentrieren möchte.

ZEIT Campus: Wo liegen Risiken?

Tepel: Studienkredite haben flexible Zinssätze. Wenn die Zinsen später steigen, kann die Rückzahlung teuer werden. Auch bei Bildungsfonds rate ich zur Vorsicht, weil man sich dabei verpflichtet, einen bestimmten Anteil vom Einkommen zurückzuzahlen. Verdient man sehr gut, kann es passieren, dass man insgesamt deutlich mehr zurückzahlt, als man vorher für das Studium bekommen hat. Bildungsfonds haben in der Regel ähnlich leistungsorientierte Vergabekriterien wie Stipendien. Wer dort also eine Finanzierung erhalten kann, sollte prüfen, ob er nicht auch für einen Stipendiengeber förderungswürdig ist.

ZEIT Campus: Ist es besser, auf Kredite zu verzichten und stattdessen mehr zu jobben?

Tepel: Ein Studentenjob kann neben dem Verdienst den Vorteil haben, dass man praxisbezogene Erfahrungen sammelt und Kontakte knüpfen kann, die für den Berufseinstieg später nützlich sein können. Das Studium sollte aber nicht durch das Jobben an den Rand gedrängt werden. Wer zum Beispiel anfängt, Prüfungen zu verschieben, weil er keine Zeit zum Lernen findet, sollte prüfen, ob er mehr als nötig arbeitet.

ZEIT Campus: Aber viele Studenten müssen intensiv jobben, weil sonst das Geld nicht reicht.

Tepel: Deshalb rate ich dazu, von Anfang an die eigenen Ausgaben und Verträge zu überprüfen. Statt ins Fitness-Studio zu gehen, kann man beim Uni-Sport mitmachen, und einen teuren Handyvertrag braucht man auch nicht. Mehr als 20 Euro monatlich sollte das Handy nicht kosten. Am besten legt man ein Haushaltsbuch an und notiert alle Ausgaben. Das ist besonders empfehlenswert, wenn man das erste Mal einen eigenen Haushalt führt oder sehr knapp bei Kasse ist. So erkennt man leicht, wo es Sparpotenzial gibt.