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Was Gazprom den Geburtstag verdirbt

Im Zentrum von Moskau hängen seit kurzem große Plakate: Blau und weiß, ein großes G für Gazprom, daneben eine Flamme und die Zahl 20. Russlands Gasriese feiert Geburtstag. Heute Abend steigt eine große Gala im Kreml, die laut „Interfax“ zwei Millionen Dollar kosten soll. Höhepunkt ist der Auftritt von Rockstar Sting und dem italienischen Tenor Andrea Bocelli. Präsident Wladimir Putin wird erwartet. Es soll ein rauschendes Fest werden.

An anderen Tagen kommt bei Gazprom momentan weniger Feierlaune auf.

In letzter Zeit ist die Kritik an Russlands wichtigstem Unternehmen gewachsen Gazprom, so munkelt man in Moskau, büße an Bedeutung für den Kreml ein. Gazprom kontrolliert den russischen Gasmarkt, der Staatskonzern ist der größte Gasexporteur der Welt und eine der größten Energiefirmen weltweit, er trägt wesentlich zum russischen Haushalt bei. Vergangenes Jahr lag der Gewinn bei 28 Milliarden Euro. Den Russen gilt Gazprom als beliebter Arbeitgeber, mehr als 400.000 Menschen arbeiten dort. Die Firma ist ein gewaltiger Koloss.

Aber ein solcher Riese ist behäbig – und hier fangen die Probleme an. Gazprom hat Entwicklungen auf dem globalen Gasmarkt verschlafen. Während andere Länder Schiefergas fördern, ihre Gasreserven verflüssigen und Gas an den internationalen Spotmärkten günstig gehandelt wird, hält Gazprom an seinem alten Geschäftsmodell fest: Pipelines und Langfristverträge.

Dass dies nicht auf Dauer gut geht, zeigen die Rabatte, die Gazprom seinen europäischen Partnern im vergangenen Jahr gewährte. Es ist eine Reaktion auf den gestiegenen Preisdruck. Auch in diesem Jahr will Gazprom die Preise für seine Kunden in Europa senken, um insgesamt knapp fünf Milliarden Dollar. Derzeit streitet von den deutschen Energieversorgern noch RWE um die Lieferverträge mit den Russen. Doch erst vor wenigen Tagen zeigte sich das Unternehmen optimistisch, in der ersten Jahreshälfte eine Lösung zu erreichen.

Aus Gazproms Firmensicht hingegen sind Gasleitungen aus Sibirien die einzige sinnvolle Möglichkeit Gas nach Europa zu liefern. In anderen Weltgegenden sieht das inzwischen anders aus, in Asien will Gazprom verstärkt Flüssiggas verkaufen. Nach China jedoch will der Konzern eine Pipeline bauen, allerdings können sich Peking und Moskau seit Jahren nicht auf Lieferpreise einigen. Derweil kaufen die Chinesen Gas aus Turkmenistan.

Gazprom ist abhängig von Europa

Dass Gazprom in Europa auch weiter an der alten Strategie festhält, hat das Unternehmen im Dezember bewiesen, als es symbolisch die ersten Röhren für die Pipeline South Stream zusammenschweißen ließ. Während sich EU-Politiker in Brüssel sich um eine zu hohe Abhängigkeit von Russland sorgen, schaffte Gazprom Fakten. Ab Ende 2015 sollen jährlich 63 Milliarden Kubikmeter Gas aus dem Osten in den Westen strömen und dabei das Transitland Ukraine umgehen. Dafür investiert Gazprom allein in den Abschnitt durch das Schwarze Meer mehr als 15 Milliarden Euro.

Kritiker monierten zuletzt im Herbst, zur Einweihung des zweiten Stranges der Ostsee-Verbindung Nord Stream, dass nicht einmal diese Pipeline ausgelastet sei. Wozu dann eine zweite bauen? Alles im Soll, erwidert Gazprom und rechnet mit einer steigenden Nachfrage in Europa. Gazprom plant schon einen dritten und vierten Strang.

Derweil streiten sich Moskau und Brüssel über Bestimmungen die das sogenannte dritte Energiepaket vorsieht, welches eine Liberalisierung des Energiemarktes durch Trennung des Netzbetriebs von Versorgung und Erzeugung verlangt. Dies ist nicht das einzige Problem, das beide Seiten derzeit umtreibt. Die EU-Kommission verdächtigt Gazprom wettbewerbswidrigen Verhaltens und hat Ermittlungen wegen möglicher Preismanipulationen eingeleitet.

Mehr als 150 Milliarden Kubikmeter will Gazprom in diesem Jahr nach Europa pumpen. 2012 betrug die Liefermenge weniger als 140 Milliarden. Auch die Fördermenge soll mit fast 500 Milliarden Kubikmetern wieder über dem Vorjahr liegen. Der Grund: Gazprom rechnet mit einer verbesserten Konjunktur in Europa.

Die Abhängigkeit Russlands von Europa ist beidseitig. Für Gazprom sind die Nachbarstaaten im Westen die wichtigsten Abnehmer, allen voran Deutschland mit jährlich etwa 34 Milliarden Kubikmeter. Hier versucht Gazprom das Geschäft von der Gasquelle bis zum Endverbraucher unter seine Kontrolle zu bringen. Ein wichtiger Schritt war die Übernahme des Gashandels- und Speichergeschäft vom Partnerunternehmen Wingas im vergangenen Herbst.

Unabhängig von der Nachfrage im laufenden Jahr, erwarten Experten, in den nächsten Jahren keinen großen Anstieg bei der Nachfrage – im Gegenteil: 2006 erreichten Gasimporte in Europa ihren Höchststand und sanken seither, bis auf eine Ausnahme im Jahr 2010. Im Jahr 2011 berechnete die Internationale Energieagentur einen Rückgang von 11 Prozent. Kommt es zu einer Erholung der Nachfrage, dürfte diese nur gering sein. Das räumte kürzlich selbst ein Gazprom-Sprecher vor Journalisten ein.

In Russland bahnen sich Veränderungen an

Das schlägt sich natürlich in den Büchern nieder. Der erwartete Gewinn von fast 28 Milliarden Euro im vergangenen Jahr klingt zunächst gewaltig. Unterm Strich jedoch wären das rund 15 Prozent weniger als im Vorjahr. Geschrumpft sein dürfte im vergangenen Jahr auch der Umsatz – von 158 Milliarden auf 150 Milliarden Euro.

Derweil wächst die Konkurrenz. In Europa nimmt die Bedeutung russischen Erdgases ab, weil zusätzliche Mengen verflüssigten Gases auf den Markt drängen. Das norwegische Unternehmen Statoil hat die Gasversorgung Europas im vergangenen Jahr um 16 Prozent gesteigert und setzt Gazprom zunehmend unter Druck. Gleichzeitig fallen potentielle neue Kunden weg, wie etwa die USA, an die Russland einmal verflüssigtes Gas aus der Arktis liefern wollte. Nachdem Amerika aber massiv Schiefergas fördert und exportiert, hat Gazprom sogar die Erschließung des arktischen Schtokman-Feldes vorerst auf Eis gelegt.

Auch in Russland selbst bahnen sich Veränderungen an. Der private Gasförderer Novatek, Russlands Nummer zwei in der Branche, möchte mehr Flüssiggas exportieren und fordert vom Kreml, das bestehende Exportmonopol Gazproms aufzuheben. Diesen Schritt schließt selbst Präsident Putin nicht mehr aus, allerdings sollen Flüssiggas-Lieferungen dann nicht nach Europa gehen, um nicht mit Gazprom zu konkurrieren.

Vom Ende des Export-Monopols will auch Rosneft profitieren. Der staatliche Ölförderer ist gerade auf dem Weg an die weltweite Spitze, da er das russisch-britische Joint-Venture TNK-BP schluckt. Rosneft fördert auch Erdgas und will das Flüssiggas-Geschäft ausbauen. Beim Börsenwert hat Rosneft Gazprom gerade eingeholt – beide Unternehmen kommen auf knapp 90 Milliarden Euro. Geleitet wird Rosneft von Präsident Putins engem Vertrauten Igor Setschin, der die Macht von Rosneft ausbauen soll. Experten spekulieren, ob der Kreml ein zweites Gazprom schaffen will – oder einen Ersatz für des Gasriesen als wichtigstes Unternehmen im Land.

Es sind viele Baustelen, an den Gazprom zu arbeiten hat. Selbst um den Mann, der seit zehn Jahren die Geschicke des Konzerns bestimmt, gab es zuletzt Gerüchte: Alexej Miller könnte als Gazprom-Chef abtreten, aus gesundheitlichen Gründen. Solche Spekulationen nehmen die Gazprom-MItarbeiter indes gelassen – zu oft haben sie solche Vermutungen gehört. Davon will man sich die Feierlaune nicht verderben lassen.






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